

HELLA ZAHRADA
DIE
EPHIDES - GEDICHTE
Eine Auswahl aus
dem Gesamtwerk
ADYAR-VERLAG GRAz
I
N H A L T S Ü B E R S I C H T
1.
Gedichte aus
Band l der Erstausgabe
(Mai bis
November 1933)
 |
Gott, du bist
die Ewigkeit (25.5.1933) |
 |
Das Licht, das
hell sich dünkt (30.5.1933) |
 |
Nun wählet
recht und sagt (2.6.1933) |
 |
Das ist des
Tages Lauf (8.6.1933) 20 |
 |
Ob ich lange
sinne, heiß mich sehne (16.6.1933) |
 |
Du, meine
Seele, neige (20.6.1933) |
 |
Was lehnst du,
Mensch, dich auf (27.6.1933) |
 |
Und einmal
führt dein Weg nach Golgatha (4.7.1933) . . |
 |
Du mußt nur
stille sein (7.7.1933) |
 |
Ein neues Leben
schließt mir auf die Pforten (10.7.33) . . |
 |
Ich kann in
Worten nicht gestalten (14.7.1933) |
 |
Es neigt ihr
Köpfchen tief die Ähre (21.7.1933) |
 |
Ist's ein
Ahnen, ist's ein Mahnen (25.7.1933) |
 |
Lügen seh ich,
Lügen ringsumher (16.8.1933) |
 |
Jedem gibt der
Herr das Seine (20.8.1933) 38 |
 |
Wenn in dein
Herz, das ungestüme, wilde (21.8.33) . . |
 |
Es ist ein
stetes Kommen und ein Gehn (24.8.33) |
 |
Was weinst du,
Kind? (5.9-1933) |
 |
Lohnt sich denn
Lust und Leid (14.9-1933) |
 |
Es lastet
dichtes Dunkel auf den Wegen (17.9-1933) . . .
|
 |
Bist du mir nah, du Stunde des Erwachens
(19-9-33) . . . |
 |
Denn von allen,
die da wallen (1.10.1933) |
 |
Du ringst und
rufst nach Glück (1.10.1933) |
 |
Was weiß ein
Mensch auf Erden denn vom andern
(2.10.1933) |
 |
Die Sorgen
haben ihre kalten Finger (4.10.1933) |
 |
Sorge nicht, ob
deine Taten (Oktober 1933) |
 |
Unerfüllter
Tage Sehnen (15.10.1933) |
 |
Und willst du
Wahrheit nur (15.10.1933) |
 |
Du bist ein
tiefer See, Vergänglichkeit (26.10.33) |
 |
Es ist der
Glaube keine Blüte (1.11.1933) |
 |
Dir, du Sucher,
ist gegeben (3.11.1933) |
 |
Sei die Harfe (6.10.1933) |
 |
Überwunden sind
die Stunden (9.11.1933) |

1.
G E D I C H T E
AUS BAND l DER
ERSTAUSGABE
(Mai bis November 1933)
Gott, du bist
die Ewigkeit,
die Anfang und
Ende umschließt,
Gott, du bist
die Herrlichkeit,
die Gnade in
uns gießt!
Laß wachsen
unsres Geistes Licht,
und wenn uns
auch die Schau gebricht,
laß unsern
Glauben Hüter sein
und Wächter
unsrer Liebe Schein,
die von dem
großem Himmelslicht
ein Abglanz
ist. - Herr, uns gebricht
die Kraft, der
Mut -
mit dir im
Bunde sind wir gut,
doch gehen wir
ein Stück allein,
ist alles fort
-
Denn unser
Sein,
es ist das
Wort,
das du
gesprochen
und dessen
Klang Gestalt gewonnen
auf den hohen,
lichten Sonnen
in vergangner,
schöner Zeit,
die nur uns
erscheint so weit,
daß wir meinen,
Ewigkeiten
trennen uns von
Dir! Doch Zeiten
kennst du
nicht! -
Und kehren wir
in reinem Sein
nach langem
Wege wieder heim,
dann ist es nur,
als hätt' das
Wort,
das aus dir
ging ins All,
geklungen -
und als sei der
Widerhall
nun zu dir
gedrungen.
Dieses Wissen
gib uns hier:
daß wir ewig
sind in dir;
gib uns jenes
Glaubens Kraft,
die Zeiten
wandelt
und sie läßt
verwehen
und an jenen
Wundern schafft,
die nie
vergehen!
Dieses Wissen
gib uns hier:
du bist in uns
- wir in dir!
Freud wie Not,
wie leicht sie wiegt,
wenn dieses Wissen in uns liegt!

Das Licht, das
hell sich dünkt
und - ohne es
zu sein -
des Lichtes
Maske nimmt
und borgt sich
seinen Schein
und prunkt
damit:
Das ist der
Herr der Welt,
der Hochmut,
der euch reizt
zu tun, was ihm
gefällt,
und der mit Lob
nicht geizt
und nicht mit
Schmeichelworten.
Streckt gierig
ihr die Hand
nach eitler
Macht nur aus,
um es ihm
gleich zu tun,
dann baut ihr
nur sein Haus
und könnt darin
nicht ruhn.
Er hetzt euch
ohne Ruh,
und ihr tragt
ihm herzu
der falschen
Werte Flittergold,
und wie ihr
Lügen sucht,
ist euer Sold
die Lüge nur!
Die lebt so
lang davon, daß sie zerstört,
bis sie mit dem Zerstörten untergeht.
Die Wahrheit
aber schreitet durch die Lande,
sie ist so
schön, daß sie des Schmuckes nicht bedarf
und nicht des
Faltenwurfs im Lichtgewande.
Nicht Lob,
nicht Tadel spendet sie.
Sie schweigt.
Doch wenn ihr
Blick dich trifft,
dann sinkst du
in die Knie . . .
und ohne Worte
wird dir Wissen kund,
wenn stumm dich grüßt ihr ernster Mund.

Nun wählet
recht und sagt: Was wollt ihr werden?
Werkzeug zu
sein, ist euer Los auf Erden!
Ein herrlich
Los, seid ihr der Meißel
in des
Allmächt'gen Hand -
ein elend
Sklavendasein bloß,
seid ihr die
Geißel,
die Satans List
erfand.
Wohl ist der
Meißel hart und dringt tief ein
und füget
Wunden zu dem rohen Stein;
doch nicht zu
quälen,
nur zu
beseelen.
Um einzuhauchen
ihm das Leben,
der Schönheit
Krone ihm zu geben,
um der
Vollendung willen nur
zieht er die
schmerzensreiche Spur.
Die Geißel aber
schlägt nur um des Schiagens willen
zahllos und
wahllos Wunden, ohne sie zu stillen.
Sie naht sich
nicht geradewegs dem Ziel,
sie lauert
abseits stets, dann wie im Spiel
holt weit sie
aus, um sichrer nur zu treffen,
denn sie
versteht's, dem Satan nachzuäffen
die böse List .
. .
Ihr Menschen,
da ihr's wißt:
Was wollt ihr
werden?
Werkzeug zu
sein, ist euer Los auf Erden!
Nun wählet recht!

Das ist des
Tages Lauf:
Am Morgen steht
man auf
und gibt dem
Leib sein Teil
und manchmal
auch der Seele,
daß ihr ein
wenig Lust,
ein wenig Leid
nicht fehle,
denn sie
verlangt danach.
Der Leib
gedeiht dabei,
die Seele ist
zufrieden.
Am Abend ist
man frei,
und war Erfolg
beschieden
der Arbeit,
dann auch froh
und oft ein
wenig stolz.
Solang man
selber spricht
und sprechen
hört, ist's gut.
Doch wenn im
Dämmerlicht
man nur ein
wenig ruht -
was ist's, was
da erwacht?
Welch
unbekannte Macht
entzündet dann
die Fackel deines Innern?
In ihrem Lichte
siehst du plötzlich klar:
Was groß dir
schien, wird klein, und was dir wichtig war,
wird nichtig,
und was du versäumt, wird offenbar;
der kleinsten
Lüge wirst du nun gewahr,
die wie ein
schleichend Gift in deinem Geiste wirkte.
Was du
geschaffen dir, was du getan,
nun sieht es
dich wie etwas Fremdes an.
Was nah dir
war, rückt von dir ab,
was dir die
Erde Schönes gab,
verblaßt.

Des Tages Licht
und Lärm erlischt,
und jene
unbekannte Macht verwischt
mit sachter
Hand die Grenzen deines Seins. -
Du bist nicht
mehr allein, du fühlst dich eins
mit allem, was
da lebt und liebt und leidet,
es fällt die
Mauer, die Geschöpfe scheidet,
und mit ihr
fällt dein Weh!
Es dehnt die
Brust ein unbegreiflich Sehnen
nach anderm
Glück als dem, das du gewohnt,
nach anderem
Erfolg, als der dich sonst belohnt.
Ein Heimweh
ist's nach einem Heim, das du nicht kennst,
ein Rufen nach
dem Einen ist's, den du nie nennst -
nach Gott!
Du streckst in
der Erfüllung höchstem Glück
nach jener
unbekannten Macht die Arme
und bittest:
Wirf mich nicht zurück
ins Erdenelend!
- Ew'ge Liebe du, erbarme,
erbarme dich
und laß in Gott mich ruhn!
Sie lächelt
abschiednehmend: Du selber mußt es tun!
Du bautest
selber dir die Mauer,
nun sorge, daß
sie fällt;
nur
Selbstbefreiung ist von Dauer! -
Ich bin dazu
bestellt,
daß ich die
Flamme speise,
daß ich den Weg
dir weise,
so komm und folg mir nach!

Ob ich lange
sinne, heiß mich sehne,
ob ich manches
will und vieles wähne,
ob ich Pläne
trage, Taten wage -
wenn ich nicht
nach Gottes Willen frage,
sehe ich am
Ende meine Tage
fall'n wie
welkes Laub vom Baum des Lebens.
Sehnen, Sinnen,
Suchen war vergebens!
Trete ich vor
Gott, sind meine Hände leer . . .
Doch wer sich
bettet in des Vaters Willen,
ist stark, und
seine Hände sind von Segen schwer.
Die Tränen
seiner Brüder kann er stillen,
kann Hoffnung
wecken, kann den Frieden bringen.
Er sorgt nicht,
was er spricht, denn in ihm klingen
des ew'gen
Wassers Quellen, frisch und klar,
und er spricht
nicht für sich - drum spricht er immer wahr.
Er ist sich
selbst genug und dient doch liebend allen,
die Blüten
seines Lebensbaumes fallen
in reicher
Pracht und überschütten - andre,
denn ihm ist
aufgetragen, daß er wandre
und ändern gebe
und für andre lebe,
daß er aus
ihren trüben Tiefen hebe
den Schatz, der jedem Menschen ist
geschenkt!

Und wenn der
Vater seine Schritte lenkt
der ew'gen
Heimat zu, ist ihm nicht bange;
in ihrem Lichte
wandelt er schon lange.
Den Wanderstab,
der oft ihm schien zu schwer,
legt er beiseit'
und gibt zurück das Kleid,
und seiner
Bürden ledig schreitet er,
ein Sieger, durch das Tor der Ewigkeit.

Du, meine
Seele, neige
in Ehrfurcht
dich und schweige,
daß sich das
Wunder zeige!
Es kommt aus
Sternenweiten,
es klingt aus
fernen Zeiten
und rührt der
Seele Saiten
die
urerschaffne Weise,
nach der die
ew'gen Kreise
die Sterne
ziehn. - Erst leise,
dann aber
hellaufrauschend,
vernimmt die
Seele lauschend
und Brudergrüße
tauschend
der Sterne
Klang und Singen
und wird dann
selbst ein Klingen
und darf mit
ihnen schwingen
im heil'gen
Weltenreigen! -
Soll sich das
Wunder zeigen,
o Seele! - mußt
du schweigen
und dich in Ehrfurcht neigen!

Was lehnst du,
Mensch, dich auf,
meinst du, du
kannst entfliehn
dem Gott in
dir? Glaubst du, dich zu entziehn
dem ehernen
Gesetz, wenn du dich von ihm wendest,
wenn du mit
eigner Hand dein Leben endest?
Was deinen
Körper trifft, trifft nur dein Kleid.
Das Leben endet
wohl, doch endet nicht das Leid,
dem du nur
wehrloser anheimgegeben
und
ausgeliefert bist im neuen Leben,
weil ungerufen
du betratst das neue Land!
Wer Gottes Ruf
nur folgt, dem sind zum Trost gesandt
erbarmungsvolle
Engel, die ihn leiten,
die seinem
schwachen Fuß den Weg bereiten.
Doch wer den
eignen Willen nur gekannt auf Erden,
wie kann der
Wille Gottes ihm zur Hilfe werden?
Die Hilfe ist
ihm nah - allein er sieht sie nicht,
des
Eigenwillens Trotz beraubt ihn nun der Sicht.
Sein Denken,
nur auf sich gestellt, schließt ihn nun ein,
Gefangner
seiner selbst, empfindet er allein
die eigne Not,
die eigne Seelen quäl;
zu enden sie,
versucht er tausendmal
die gleiche Tat
und wird sich tausendmal bewußt,
daß er nicht
töten kann das Fühlen in der Brust! -
Erst wenn die
Qual die Mauern seines Kerkers sprengt,
wenn tiefste
Not ihm des Gebetes Gnade schenkt,
wenn er aus
grenzenloser Einsamkeit
nach Gott, nach
Hilfe, nach Erlösung schreit -
ist er befreit!

Er sieht die
lichte Schar,
die helfend ihm
schon lange nahe war.
Sein
aufgeschlossnes Herz ahnt nun, was Liebe schafft,
und mit dem
Ahnen wächst die eigne Liebeskraft.
Das Ahnen wird
ein Schaun, das Schaun Erkennen,
den ew'gen
Schöpfer lernt er Vater nennen.
So schreitet
strebend er in seiner Brüder Mitte
dem Lichte zu,
und jeder seiner Schritte
bringt näher
ihn dem heißersehnten Ziel.
Wie oft er es
erstrebt, wie oft er fiel,
schaut er
erkennend nun im Spiegel seiner Leben.
Sein letztes
Erdenlos, das ihm nur Qual gegeben,
wie klein es
ist, - ach eine Perle nur,
den ändern
angereiht auf goldner Schnur,
die ausging
einst von Gott und kehrt zu Gott zurück.
Der Mensch
sieht von dem goldnen Faden nur ein Stück,
und seine
Prüfung ist, ihn dennoch rein zu spinnen
und eine klare
Lebensperle zu gewinnen.
Des Daseins
Kreis zu schließen, ist er ausgesendet
von Gott - und erst in Gott ist er
vollendet.

Und einmal
fuhrt dein Weg nach Golgatha . . .
Ob er aus
Glückes Höh' sich neigt,
ob er aus
sünd'gen Tiefen steigt,
ob dich die
Menschen haßten, ob sie Hosianna riefen -
hinab von jeder
Höh', herauf aus allen Tiefen
führt einmal
doch der Weg nach Golgatha,
und du erlebst
es selbst, was einst dem Herrn geschah.
Doch einmal
endet auch die tiefste Nacht,
und tiefstes
Leid, so wie es kam,
vergeht, wie
alles, was es nahm,
und ganz
verlassen stehst du einst
am Berg der
Einsamkeiten .
Doch nicht
umsonst - um deinen Brüdern zu bereiten
den Weg, hast
du dein Golgatha vollbracht.
Ein unvergänglich lichter Tag folgt
dieser Nacht.

Du mußt nur
stille sein, du mußt nur lauschen . . .
dann hörst du
überall die ew'gen Brunnen rauschen
und hörst nur
sie
Es stört dich
niemals mehr der Menschen lautes Wort,
und daß sie
lügen! Du erkennst sofort,
wie arm sie
sind,
und wirst
Vergeltung nicht, nur Milde üben,
denn die
Bedrängten willst du nicht noch mehr betrüben,
willst helfen
nur!
Und wie du
helfen kannst? Wenn ihre Klagen
wie eine bittre
Flut an deine Ohren schlagen,
dann höre 2u!
Doch höre nur
des ew'gen Brunnens Rauschen
und merk, wie
Menschen wunderlich vertauschen
und unbewußt
die Ursach' mit
der Wirkung, wie sie »Müssen« sagen
und »Wollen«
meinen, wie sie keuchend tragen
die eigne Last,
die
selbstgewählte, die sie Zufall nennen,
und merk, daß
sie die Blindheit vorziehn dem Erkennen
der eignen
Schuld!
Doch ist's, als
ob aus ew'gen Brunnens Tiefe
ihr Geist, im
Fleisch gefangen, dich um Hilfe riefe,
weil du ihn
hörst!
Kennst du die
Quellen, die im Menschen fließen,
dann weißt du
auch: Gerade was sie von sich stießen,
Tut ihnen not!
Und gibst du
Antwort, gib sie nicht den lauten Klagen,
der leisen
Geistesstimme sollst du sagen
das rechte Wort!

Daß sie
erstarke, daß sie übertöne
der Erde Laut!
Daß einst der Geist in lichter Schöne
die Brücke
baut,
die ihren
sanften Bogen schützend breitet
über vergeß'nes
Weh, daß, wer sie überschreitet,
ins Licht nur seh'!

Ein neues Leben
schließt mir auf die Pforten ...
ich steh'
geblendet still. -
Was sonst sich
barg in dunklen Worten,
was ahnend ich
erfühlte, tastend suchte allerorten -
Nun ist's in
mir!
Denn es gibt
Grenzen nicht, noch Raum, noch Zeiten -
die Schönheit
aller Welten, die Sehnsucht aller Weiten
und alle Lieb'
und alle Schmerzen breiten
in mir die
Flügel aus!
Ich
Staubkörnlein im All! Ich wollt', mein Jubel wäre
ein
Frühlingssturm, der alle Knospen sprengt
und über Berge
zieht - und über Meere
befruchtend
Samen trägt und ihn in Blüten senkt
und der die
schwüle, träge Luft verdrängt,
die über
Sümpfen lagert, und der alle Winterschwere
aus Bäumen und aus Menschen schüttelt!

Ich kann in
Worten nicht gestalten
das Bild, das
meine Seele schaut -
so helft mir,
himmlische Gewalten,
auf die mein
gläubig Herz vertraut!
Nimm mich in
deine weichen Arme,
du lieber,
linder Sommerwind,
und Sonne du,
dein Licht, das liebend warme,
hüll'
mütterlich mich ein, ich bin dein Kind!
Ich bin dein
Kind und weiß um deine Macht,
auf deinen
Strahlen seh ich niedersteigen
der Geister
lichte Schar, wie sie sich sanft und sacht
und liebend
über leiderfüllte Menschen neigen
und über sie
des Himmelsfriedens Schleier breiten.
Und haben sie
ein müdes Herz zur Ruh gebracht,
seh' ich mit
leichten Füßen sie entschreiten
und ändern
Stärkung reichen für die Nacht.
Und jeder Geist
ein Lichtlein sorglich trägt,
das er am
Sonnenfeuer hat entfacht
und das er
treulich hütet, hegt und pflegt,
damit die
schwere Erdenluft nicht trübe macht
das klare
Himmelslicht. -
Und wo ein Herz
in Sorgen schlägt,
ein Haus im
Schatten steht und eine Sehnsucht weint,
dahin der
Sonnengeist sein klares Himmelslichtlein trägt,
das er in müde
Herzen pflanzt, darin es scheint
mit mildem
Glanz. Und jedes Herz,
von diesem
Glanz erhellt,
muß stille
werden, weil es nun sein Leid versteht.
Und sieh! Darum ist feierabends
friedevoll die Welt.

Der Geist, der
diesen Frieden brachte, aber geht,
von
Menschentränen schwer ist sein Gewand
und schwer sein
Fuß, der schritt durch Erdennot.
Der
Sonnenstrahlen lichte Leiter selbst,
sie dünkt ihn
jetzt wie Menschenblut so rot,
und müde steigt
er, müd und ohne Licht,
den letzten
Abendsonnenstrahl empor -
doch höher
steigend, Kraft gewinnend, grüßt er froh
der lichten Sonnenheimat goldnes Tor'

Es neigt ihr
Köpfchen tief die Ähre,
die ihres
Sonnensegens Schwere
in Demut trägt.
Es wächst
daneben unbeladen
das Unkraut,
aller Fluren Schaden,
und lodernd
schlägt
sein farbig
Kleid hervor wie Feuerbrand.
Wohl steht der
Mensch gebannt, doch seine Hand
greift nur nach
ihm,
wenn er zum
Zeitvertreib ein Sträußlein bindet,
den Erntekranz
um seine Stirn sich windet
als kurze Zier.
Doch wenn er
Nahrung braucht,
die nur die
Demut spendet,
er seine Augen
hoffnungsfreudig wendet
dem Ährenfelde
zu.
Drum reife in
der Stille, kleine Ähre,
es kommt der
Tag, wo deines Segens Schwere
hingeben darfst auch du!

Ist's ein
Ahnen, ist's ein Mahnen,
das mich
traurig macht,
wenn das ferne
Licht der Sterne
sanft erhellt
die Nacht?
Ja, ein Ahnen .
. .
denn die Seele
sehnt sich heimzugehn,
und ein Mahnen,
erst die
Prüfung tapfer zu bestehn!
Wieviel
Leidenslast zu tragen,
wieviel
Erdenkampf zu wagen,
gibst du, Herr,
mir auf?
Heimwehkrank
ist meine bange,
müde Seele!
Herr, wie lange
wartet sie noch
drauf?
Ist kein
Plätzchen in dem Garten
deines Himmels,
sag'?
Muß in
Dunkelheit sie warten
lang noch auf
den Tag?
Alle Erdenwege
münden
in ein Meer von
Weh!
Einzig deine
Sterne künden,
Vater, deine
Näh'!
Alle Wege bin
ich gangen,
alle Träume
blieben hangen
an den Dornen,
sieh!
Leiteten mich
nicht von ferne
deine Augen,
Herr, die Sterne,
fand' zu dir ich nie!

Wohnungen hast
du so viele
und für alle,
die am Ziele
ihres Wanderns
sind!
Hilf, es sind
so steil die Stufen,
hilf, o Herr,
mit deinen Rufen
nach dem müden
Kind!
Bin dein Kind
doch, und ich find' noch
wo ein kleines
Haus,
wo bescheiden
ich vom Leiden
in dir ruhe aus! –

Lügen seh' ich,
Lügen rings umher
wie ein wildes,
sturmgepeitschtes Meer.
Menschen seh'
ich tief und tiefer sinken.
Müssen alle in
dem Meer ertrinken?
Einer ist's,
der auch das Meer bezwang,
so behutsam war
sein leichter Gang,
daß er
schaumgekrönte Wogen überschritt
wie
Blumenwiesen. Und er nimmt dich mit,
du ringend
Menschlein du im Spiel der See,
wenn du die
Hand ihm reichst, und all dein Weh,
die Schuld, die
Lust und deine eitle Macht
dem hingibst,
der die Liebe dir gebracht.
Die Schuld, sie
bindet dich, es zieht hinab die Lust,
und wohnt nur
eine Lüge noch in deiner Brust,
sie ist ein
Stein und zieht dich in die Tiefe.
Drum mach dich
frei, und ob auch lockend riefe
und
tausendstimmig dich der Erde Glück -
wirf ab die
Lust, sie ist nur Last, schau nicht zurück!
Die Hand in
seiner Hand, dein Auge in dem seinen,
Genesung trinkend, sollst du dich
vereinen

mit allen guten
Kräften, die dich heben,
die deiner
matten Seele Flügel geben,
die dich vom
Wollen zu dem Wissen leiten,
bis du das
Wissen kannst zur Weisheit weiten.
Das Meer der
Lüge kann nur den verschlingen,
der in der
eignen Brust nicht kann bezwingen
den Sturm der
Seele. Doch so wie der Eine,
der Heiland, schreitet übers Meer der
Reine!

Jedem gibt der
Herr das Seine,
doch es klagt
und sagt der eine
wie der andre,
daß ihm scheine
klein sein
Glück und groß sein Leiden!
Stets den
ändern zu beneiden
ist Bedürfnis
allen beiden.
Kinder eines
Gottes, trauet
eurem Vater. Er
erschauet
euer Wesen und
erbauet
auf dem
Gestern, das mit Sorgen
heut' ihr
sühnen müßt, ein Morgen
der Befreiung!
Drin geborgen
sind die
Hungrigen und Satten.
Nur wie dunkler
Bäume Schatten
übern lichten
Grund der Matten
ziehn die
Freuden, ziehn die Leiden . .
Wollt ihr immer
noch beneiden?
Wollet, Kindlein, euch bescheiden!

Wenn in dein
Herz, das ungestüme, wilde
ein Tropfen
fallen soll von jener Himmelsmilde,
die das
Gewöhnliche zu Reinem erst verklärt,
dann wolle
nicht, daß Menschen sie dir geben.
Aus dem
Gewöhnlichen kann dich allein erheben
der Gott, der
reine Liebe dich gelehrt.
Das
niederstürzend Licht der goldnen Sonne,
das fast der
Himmelskuppel Wölbung sprengt,
sei dir ein
hohes Bild von jener Liebeswonne,
nach der dein
ungestümes Herz so drängt. -
Doch hüte dich,
die heil'ge Himmelsfackel
der Liebe auf
die Erd' herabzuziehn!
Hier gibt sie
nur ein kleines, schwelend Feuer
und Rauch, denn
ihre Reinheit mußt' entfliehn.
Denn wahre
Liebe ist so wie die Sonne:
Am Himmel ist
ihr Platz und ihre Liebeswonne
der
Strahlenmantel, der mit Glanz umgibt
die Wesen, die sie selbstlos gebend
liebt.

Es ist ein
stetes Kommen und ein Gehn
und
Abschiednehmen auf des Lebens Straßen,
und sah ich
unterwegs ein Häuschen stehn
und Menschen,
die im engumfriedet' Gärtlein saßen,
da wollten
meine Füße mich nicht weiter lassen,
und eine Heimat
suchend, kehrt' ich ein.
Doch gibt es
eine Heimat denn auf Erden?
Ich sah hier
Menschen sterben und geboren werden
und ausgehn,
dem Beruf zu folgen und dem Gatten,
und was
geborgen schien mir hinter Latten
des enggezognen
Zauns, war Kämpfen und Ermatten
und
Abschiednehmen so wie überall. -
Und eng fand
ich die Herzen wie die Gärten.
Die eignen
Blumen nur zu pflegen und zu werten,
ist
engumhegter, wohlgeborgner Menschen Art;
denn wer sein
Eigentum vor Fremden wahrt
mit Zaun und
Schloß und Hund und wird dabei bejahrt,
der ist's
gewohnt und kann nicht anders sein.
Ich trage
leicht an meinem Gut und Leben
und bin drum
frei und kann den Blick erheben
ins
Unbegrenzte! Und mich führt an ihrer Hand
die Sehnsucht,
und mich zieht der Straße weißes Band . .
Wohin? In unser
wahres Heimatland,
denn wir sind alle Wanderer im All!

Was weinst du,
Kind?
Weil deine
Hoffnungen gestorben sind?
Ach,
Hoffnungen, die sterben können,
sollst neidlos
du dem Tode gönnen.
Sie waren
Schein,
dem Leben lieh
allein
nur deine
Seelenkraft,
die immer
wieder immer neue Hoffnungsbilder schafft.
Was weinst du,
Kind?
Es trug nur
welke Blätter fort der Wind,
doch deine
Kraft des Grünens ist geblieben
und schenkt dir
größre Hoffnung, rein'res Lieben.
Enttäuschung
ist
ein Meilenstein
und mißt
den Weg und
deine Kraft.
Wohl dir, wenn
er dir zeigt,
wie nah das
Ziel der Wanderschaft!
Was weinst du,
Kind?
Es war die
Gotteshand, sie hat nur lind
den Schleier
von den Augen dir genommen.
Das Ende deiner
Täuschung ist gekommen,
und du
erschaust
die Wahrheit,
und erbaust
ein neues
Hoffnungsbild,
das nicht von dieser Erde ist und darum
ewig gilt!

Lohnt sich denn Lust
und Leid, Erfolg und Plage?
Nur eine Hand voll
Sand sind meine Tage;
Versuche ich die
Faust um sie zu schließen,
Fühl' ich den Sand
durch meine Finger fließen.
Trag ich ihn offen
auf der flachen Hand,
Der nächste Windhauch
weht ihn weit ins Land.
Was sich nicht halten
läßt und nicht bewahren,
Soll mühsam hegen ich
und sparen?
Was hindert mich
denn, auszuschütten alle Qual
Jetzt
gleich? — Dann bin ich frei mit
einem Mal!
Was
hindert mich? — Ja, welche Stimme
spricht
In mir mit Donnerwort
und hält Gericht?
Und sänftigt dann
mein reubereites Sein
Zu einem milden,
müden Abendschein,
Darin ich sorgsam
trage in der hohlen Hand
Mein bißchen Glück
und Weh und Staub und Sand,
Und trag' es weiter
wie ein kostbar Gut.
Doch
nimmt's der Wind — er weiß wohl,
was er tut,
Er darf's, was selbst
zu tun mir war versagt.
Ich
muß ihm dankbar sein — und
unbeklagt
Seh flattern ich mein
Gestern und mein Heute;
War's Glück, war's
Leid, das mir der Wind zerstreute?
Vielleicht wächst wo
ein Blümchen auf dem Stein,
Mein bißchen Sand
kann ihm schon Erdreich sein;
Es baut die Schwalbe
sich vielleicht ihr Nest
Mit
meinem Sand! — 0 Wind, nicht
wahr, du läßt
Die Handvoll Sand,
die ich getragen habe
So schwer und doch so
gern, du läßt die Tage,
Die einst mein Leben
waren, nicht umsonst verwehn!
Du nimmst, zu geben
nur, und läßt entstehn
Aus meinen Schmerzen
andrer Glück und Wonne!
Ich aber eile heim zu
dir, o Sonne!

Es lastet
dichtes Dunkel auf den Wegen
der Menschen,
die ihr kleines Ich nur sehn;
sie gleichen
den Verirrten, die im Walde
des Nachts
allein stets nur im Kreise gehn.
Sie stoßen in
der Dunkelheit an Dinge,
die sie nicht
sehn und die sie nicht erkennen
und dennoch
gleich mit falschem Namen nennen,
aus Angst, der
Dunkelheit ins Äug' zu sehn.
Doch wer des
Lichtes sich will wert erweisen,
erkenne erst
die Dunkelheit um sich
und ende jenes
hoffnungslose Kreisen
um einen
kleinen Mittelpunkt: das Ich.
Darum ist's
gut, daß sich die Menschen stoßen,
ein jeder an
des ändern Fehl und Art,
weil fremde
Selbstsucht ihn davor bewahrt,
der eignen
Selbstsucht allzulang zu dienen.
Und steht der
Mensch erst an der Selbstsucht Schwelle,
des Dunkels
satt und müd vom wirren Lauf,
dann lichtet
sich das Dunkel leis zur Helle
des jungen Tags, der siegend steigt
herauf
und der ihm
zeigt der Dinge wahres Wesen!
Jetzt
unterscheidet er vom Schein das Sein,
vom Trug die
Wahrheit, und vermag zu lesen
der Welt
verwirrte Schrift. - Denn seit er rein
und wahr ist,
kommt die Wahrheit ihm entgegen
und gießt ihr
licht in sein geöffnet Herz
und breitet
ihren Mantel aus auf seinen Wegen
und hebt ihn auf und trägt ihn
himmelwärts!

Bist du mir
nah, du Stunde des Erwachens?
Mir ist, als
spüre ich das Nahen deines Nachens
und seinen
Ruderschlag in meinem Blut . . .
Zu wissen, daß
du kommst, wie ist das gut!
Im Land des
Zwielichts schmachtet meine Seele,
des Sehens hat
sie längst sich schon entwöhnt,
nur die
Gewißheit deines Kommens, Fährmann -
hat sie mit
ihrem Schicksal ausgesöhnt.
Die Menschen
furchten dich und scheuen deinen Namen,
das macht die
Blindheit nur, sie ist des Irrtums Samen,
der fahle
Blüten treibt am lichtlosen Gestade.
Ich aber rufe
dich, du Tag der Gnade!
Ich weiß, nicht
ungestüm darf gell'n der Schrei nach dir,
der Herr
bestimmt die Fahrt, der Herr das Ziel, nicht wir ..
Ich kenn' dich,
Fährmann, gut, du hast mich oft errettet
aus tiefster
Lebensnot und mich mit sanfter Hand
in deinen Kahn
gebettet!
Doch manchmal
holtest du mich, wenn im schönsten Spiel
und tiefster
Erdenblindheit ich vergaß mein Ziel;
dann zürnt' ich
dir - und mußte dafür warten
das nächste Mal
mit tausend Schmerzen auf den zarten,
den milden Ruf,
der mir Erlösung brächte.
Weißt du es,
Fährmann, noch, wie viele Nächte
ich in
Verzweiflung deinen Namen rief?
Dann sank in Leid und Blindheit ich so
tief,
daß ich ins
Meer mich stürzte, um dich zu erreichen;
doch seltsam
wußtest du mir immer auszuweichen.
Das ganze
bittre Meer, das deinen Kahn sonst sanft gewieg
mußt'
schwimmend ich durchmessen und hätte nie gesiegt,
hätt' nicht
errettet mich des Herrn Barmherzigkeit!
Ich glaub', nun
habe ich gelernt, und sieh, ich bin bereit
und rufe dich,
du Fährmann,
mit des Leidens
demutsvollstem Ruf!
Führ mich jetzt
rein zu ihm, der mich in Reinheit schuf!

Denn von allen,
die da wallen,
ist zu sagen:
Sie tragen
schwer; doch nur, wenn sie auch willig tragen,
wird ihre Last
verwandelt und zum Segen,
denn der
Erkenntnis Blume wächst auf steilen Wegen,
der Born der
Tränen wird zur Weisheitsquelle,
die
Leidensnacht gebiert des Mitleids milde Helle.
Und von allen,
die da fallen,
ist zu sagen:
Zur alten Last
auch noch die neue Schuld zu tragen,
ist doppelt
schwer, drum sind sie zu bedauern;
sie haben sich
den Weg verbaut mit Mauern,
die stürzen
macht erst tiefsten Leidens wilder Schrei.
Doch alle, alle werden einmal frei!

Du ringst und
rufst nach Glück!
Kaum zeigt es
sich,
so läßt es dich
in Einsamkeit
zurück.
Denn es ist
eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
Das Leid, wie
es dich schreckt!
Schon hat's den
Arm gereckt,
dich zu
erfassen -
und muß dich
lassen!
Es ist ja eine
Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
Das Werk, das
du erstrebtest,
dem du, dich
opfernd, lebtest -
kaum hast du es
getan,
gehört es
ändern an.
Ach, es ist
eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
So läuft der
Erde Zeit.
Erst scheint
der Tod dir weit,
dann ist er
nah,
auf einmal ist
er da!
Doch er ist
eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!

Was
weiß ein Mensch auf Erden denn vom ändern?
Wenn
sie die gleiche Straße Seif an Seite wandern,
Hat
jeder seine eigne Welt und Zeit.
Das
Jetzt des einen ist Vergangenheit
Dem
ändern, weil er längst schon überwand
Die
Prüfung, eh sie vor dem Bruder stand.
Vergeblich sucht er seine Lebenslust zu dämpfen,
Vergeblich spricht er ihm von eignen Kämpfen!
Ein
jeder glaubt nur, was er selbst erlebt,
Und
sieht das Stück nur, das er selbst gewebt
Am
großen Teppich dieses bunten Lebens.
Drum
such' nicht Anerkennung deines Strebens,
Streb'
nicht nach Beifall, streb' nur um des Zieles
willen!
Der
Mensch kann nie des Menschen tiefste Sehnsucht
stillen,
Das kann nur Gott!
— Doch in Ihm wirst
du finden
Den
Bruder auch und dich mit ihm verbinden.
Denn
aller Menschenliebe unerlöster Rest
Geht
auf in einem Ziel, das unverrückbar fest
Und
ehern steht und aller Geister Blick
Wird
weit und wissend! Und der Welt Geschick,
Des
Lebens ganzer bunter Teppich, ruht
Zu
ihren Füßen und sie sehn ihr Gut,
Des eignen Lebens Faden
— hat er Gott
genügt? —
Dem
bunten Teppichmuster sorglich eingefügt
Und
was auf Erden ihnen unverständlich war,
Die
Vielfalt ihres Wesens, bietet sich nun dar
Dem
geist'gen Blick als schönes Farbenspiel!
Was
sie getrennt erstrebten, jenes ew'ge Ziel,
Dem
sie verschiedne Namen gaben,
Die sie oft
mißverstanden haben
—
Die
Namen waren es, die Erdenbrüder schieden,
Des
Ziels Erkenntnis erst eint sie zu ew'gem Frieden!

Sei
die Harfe!
Deine
zarten
Saiten
warten,
Und
sie wollen
Übervollen
Jauchzens Klänge!
Doch
sie müssen
Weinen
lernen,
Um zu
wissen
Von
den Fernen
Und
den Tiefen,
Die in
deiner Seele schliefen,
Unbegriffen.
Aller
Wässer trübe Wellen
Haben
Quellen,
Die
sind klar.
Alle
Tränen, die geflossen,
Schmerzentsprossen •—
Wunderbar
Steigen sie aus tiefem Schacht,
Aus
des Lebens heil'ger Nacht.
Zu den
Quellen steige nieder,
Dann
erst singe deine Lieder
Und
sei Harfe!
Unerfüllter Tage Sehnen,
Ungestillten Sehnens Tränen,
Brachtest Du, mein Gott, zur Ruh;
Deck'
nun auch erbarmend zu
Meine
Sünden, denn sie s ehr ei'n
Nach
Erlösung, nach Verzeih'n!
Seit
mein Sehnen still geworden,
Sanft
sich löst in Grundakkorden,
Ist
mir erst ihr Schrei bewußt,
Der
mit Mißklang füllt die Brust:
Wilde
Tiere, losgerissen
Von
der Kette, dem Gewissen,
Das zu
schwach war, sie zu halten,
Woll'n
sie ihre Macht entfalten,
W
oll'n sie ihre Nahrung haben,
Wie
sie meine Wünsche gaben,
Unbedenklich, Jahr um Jahr!
Bleib'
ich Sklave, weil ich's war?
Ungesühnte Sünden dringen
Auf
mich ein, mich umzubringen!
Weicht!
— Vorbei ist eure Zeit,
Schatten der Vergangenheit!
Auf
die Schultern will ich laden
Alle
Sühne, um geraden
Festen
Schritts bergan zu steigen,
Bis
sich mir entgegenneigen
Deines
Himmels Wolkenschleier,
Und
noch weiter, bis mein freier,
Ungetrübter, klarer Blick
Unbegrenzt ist wie mein Glück!

Überwunden
Sind
die Stunden
Meines
Sterbens —
Und
ich lebe!
Und
erhebe
Meine
Stimme
Und
ich klage
An und
frage
Euch,
ihr Priester des Verderbens!
Schreit ihr nicht durch alle Gassen,
Gottverlassen
Sei
die Erde?
Und
die Menschheit eine Herde
Triebbeseßner, pflichtvergeßner
Zufallswesen,
Preisgegeben einem Leben,
Das
nichts birgt als den Genuß?
Und
sein Schluß
Die
Grabesstille!?
Keines
Schöpfers hoher Wille,
Nur
der Willkür blindes Spiel,
Ursachlos und ohne Ziel
Ist
das menschliche Gewimmel!?
Über
ihm ein leerer Himmel? ...
Die
ihr solches lehrt und lebet,
Hört:
Ihr gebet
Steine
jenen,
Die
voll Sehnen
Brot
erbaten!
Eure
Taten
Sind
Verbrechen!
Wehe,
wehe, dreimal wehe!
Eure
Nähe,
Pesthauchgleich und krankheitsbringend,
Glückverschlingend!
Euer
Lehren, euer Wehren ist vergebens!
Das
Gesetz wird euch erfassen,
Denn
wir lassen
Nicht
vom Rufen!
Wir,
die Toten,
Wir,
die Boten
Ew'gen
Lebens!

Und neuer
Fähigkeiten frische Kraft
in ändern Leben
neue Werte schafft,
und ein
Erkennen löst das andre ab;
Erfahrung wird
des früh'ren Wissens Grab.
Auch Wissen ist
nur eine Sprosse auf der Leiter,
komm weiter!
Auch wir in
Gottes Näh' und Licht,
auch wir im
Geisterreich erschauen nicht
das Ende unsrer
Leiter
und streben weiter!
Was weiß ein
Mensch auf Erden denn vom ändern?
Wenn sie die
gleiche Straße Seit' an Seite wandern,
hat jeder seine
eigne Welt und Zeit.
Das Jetzt des
einen ist Vergangenheit
dem ändern,
weil er längst schon überwand
die Prüfung,
eh' sie vor dem Bruder stand.
Vergeblich
sucht er dessen Lebenslust zu dämpfen,
vergeblich
spricht er ihm von eignen Kämpfen!
Ein jeder
glaubt nur, was er selbst erlebt,
und sieht das
Stück nur, das er selbst gewebt
am großen
Teppich dieses bunten Lebens.
Drum such nicht
Anerkennung deines Strebens,
streb nicht
nach Beifall, streb nur um des Zieles willen!
Der Mensch kann
nie des Menschen tiefste Sehnsucht stillen,
das kann nur
Gott! - Doch in ihm wirst du finden
den Bruder
auch, und dich mit ihm verbinden.
Denn aller
Menschenliebe unerlöster Rest
geht auf in
einem Ziel, das unverrückbar fest
und ehern steht
. . . und aller Geister Blick
wird weit und
wissend! Und der Welt Geschick,
des Lebens
ganzer bunter Teppich ruht
zu ihren Füßen,
und sie sehn ihr Gut,
des eignen
Lebens Faden - hat er Gott genügt? -
dem bunten Teppichmuster sorglich
eingefügt.
Und was auf
Erden ihnen unverständlich war,
die Vielfalt
ihres Wesens, bietet sich nun dar
dem geist'gen
Blick als schönes Farbenspiel.
Was sie
getrennt erstrebten, jenes ew'ge Ziel,
dem sie
verschiedne Namen gaben,
die sie oft
mißverstanden haben -
die Namen waren
es, die Erdenbrüder schieden,
des Ziels Erkenntnis erst eint sie zu
ew'gem Frieden.

Die Sorgen
haben ihre kalten Finger
mit hartem Giff
um meinen Hals gelegt.
Noch atme ich
und hoffe, Herr, und horche
in heißer
Angst, wie lang mein Herz noch schlägt.
Und meine
Lippen wollen Bitten formen
und können's
nicht! Herr, hörst du nicht mein Herz?
Du, Vater alles
Lebens, alles Liebens Quelle,
du siehst und
stillst doch deiner Kinder Schmerz!
In dir ist
aller Wesen Hort und Hafen;
wer irrend ihn
verließ, kehrt wissend wieder ein.
Der kleinsten
Motte Streben nach dem Lichte
ist Sehnsucht -
Sehnsucht, wieder Dein zu sein!
Kamt, Sorgen,
ihr, dies Sehnen zu erwecken?
Dann, harte
Schicksalshand, drück mir die Kehle zu!
Den Körper
kannst du brechen, nicht die Seele,
denn Gottes
Diener, Schicksal, bist auch du!
So sei
gesegnet, Leid und Not und Grämen,
du läuternd
Feuer, drin mein Staub vergeht! -
Es wollten
meine Lippen eine Klage formen
und, Vater, sieh - sie ward zum
Dankgebet!

Sorge nicht, ob
deine Taten
dir geraten!
Trage nur in
reinen Händen
deiner Taten
Opferspenden,
trag sie reinen
Sinns ins Leben,
um sie opfernd
hinzugeben!
Deines Denkens
Haft entlassen,
sind sie nicht
mehr zu erfassen,
nicht zu
hindern, nicht zu halten,
stürmend wie
Naturgewalten!
Was sie
brechen, was sie spalten,
was sie stützen
und gestalten,
ob es kränkt
dich, ob's beglückt -
deinem Einfluß
ist's entrückt
und entwachsen!
- Denn du hast
nur den Stein
zur Tat geschliffen;
hat das
Schicksal ihn ergriffen,
weiß es schon,
wohin er paßt;
fügt ihn ein
dem Weltgeschehen,
fragt uns
nicht, ob wir verstehen
Weltenbaues hohen Plan!

Faßt dich jetzt
ein Zweifel an?
Denk, du trugst
in reinen Händen
deiner Taten
Opferspenden
und die
Reinheit ist Gewähr!
Mag dich
Menschenurteil richten,
deines Wirkens
Frucht vernichten!
Doch die Taten
bleiben hehr,
unverletzt und
unverloren,
hat die Reinheit sie geboren!

Unerfüllter
Tage Sehnen,
ungestillten
Sehnens Tränen,
brachtest du,
mein Gott, zur Ruh;
deck nun auch
erbarmend zu
meine Sünden,
denn sie schrei'n
nach Erlösung,
nach Verzeihn!
Seit mein
Sehnen still geworden,
sanft sich löst
in Grundakkorden,
ist mir erst
ihr Schrei bewußt,
der mit
Mißklang füllt die Brust:
wilde Tiere,
losgerissen
von der Kette,
dem Gewissen,
das zu schwach
war, sie zu halten,
woll'n sie ihre
Macht entfalten,
woll'n sie ihre
Nahrung haben,
wie sie meine
Wünsche gaben
unbedenklich,
Jahr für Jähr!
Bleib' ich
Sklave, weil ich's war?
Ungesühnte
Sünden dringen
auf mich ein,
mich umzubringen!
Weicht! -
Vorbei ist eure Zeit,
Schatten der
Vergangenheit!
Auf die
Schulter will ich laden
alle Sühne, um geraden,
festen Schritts
bergan zu steigen,
bis sich mir
entgegenneigen
Deines Himmels
Wolkenschleier,
und noch
weiter, bis mein freier,
ungetrübter,
klarer Blick
unbegrenzt ist wie mein Glück!

Und willst du
Wahrheit nur und nichts als Wahrheit haben,
dann suchst du
sie, und lag' sie tief begraben,
und wüchse über
ihr dein schönster Traum
so rosig, wie
ein Kirschenblütenbaurn,
dann hast du
Kraft, auch diesen Baum zu fällen
und seinen Duft
zu missen und den hellen,
den
Rosenschimmer, der dir Labsal war!
Und böte dir
die Erde nichts als Steine dar,
denn auch in
ihr ist Wahrheit nicht zu finden,
so hast du doch
gesiegt, denn Überwinden
und Leid und
Glauben haben dich erweckt!
Du hast die Wahrheit in dir selbst
entdeckt!

Du bist ein
tiefer See, Vergänglichkeit,
und was an
deinen Ufern lebt und freit
und sät und
erntet, wirft sein zitternd Bild
auf deinen
Spiegel und du nimmst es mild
und freundlich
auf und läßt's getragen sein
vom Wellenspiel
und saugst es dann in deine Tiefe ein -
und gibst
geduldig ändern Bildern Raum,
und die am Ufer
leben, merken's kaum
und glauben
dich, Vergänglichkeit, besiegt,
wenn sich ihr
flüchtig Bild auf deinen Wellen wiegt,
geheimnisreicher, wundertiefer See!
Wenn ich des
Treibens müd an deinen Ufern steh'.
schau' ich auf
dir der Menschen Tun und Lassen
im Bild
verzerrt zu sinnlosen Grimassen
und danke dir,
daß du, Vergänglichkeit,
mit in die
Tiefe nimmst die Eitelkeit
der Welt, und
danke dir, o Wind,
denn längst
war' schon des Sees Spiegel blind
von Bildern,
würde es dir nicht gelingen,
sie
auszulöschen mit den weichen Schwingen.
Nur das, was
Schatten wirft, fällt dir, Vergänglichkeit,
anheim, doch
deine Tiefe birgt die Ewigkeit!
Du löscht nur
aus, was auf der Oberfläche haften bleibt,
doch ewig ist der Geist, den es zu
deiner Tiefe treibt.

Es ist der
Glaube keine Blüte,
die dir ein
andrer reichen kann,
und war' sie
lauter wie des Spenders Güte
und rein und
unberührt, auch dann
wird sie bei
dir das kurze Dasein fristen,
das eine Blume
lebt im Wasserglas.
Der Glaube ist
ein Baum, in dem die Vögel nisten,
und mächtig
liegt sein Schatten auf dem schwanken Gras.
Greif nicht
nach fremder Bäume Blüten,
den eignen
zarten Glaubenskeim nimm wahr
und zieh ihn
auf und such zu hüten
ihn vor des
Zweifels Frostgefahr,
daß einst der
Baum hoch in die Lüfte trage
sein Haupt und
dir's mit Blüten lohne,
und daß sein
Stamm, den Stürmen trotzend, rage
und seine Arme schirmend breite in der
Krone!

Dir, du Sucher,
ist gegeben
reinstes Glück
und reichstes Leben,
denn nicht
mühlos fällt's dir zu!
was du hast,
erstrebtest du
und besaßest es
im Streben
lange schon,
gleichwie die Reben
schon im
Weinstock sind enthalten,
eh' die Fülle
sie entfalten
und mit Süße
seine Reife ihm
vergalten.
Sucher, dir ist
anvertraut
köstlich Gut:
die Kraft, die baut
und gestaltet!
Denn es schaut
zukunftsgläubig
schon dein Blick
fernes Ziel,
und das Geschick
trifft dich
nicht mit blinder Wucht!
Was dich
trifft, hast du gesucht
und erlitten
und erstritten
wie ein Held!
Du stehst inmitten
kämpfen der
Gedankenheere:
Führ sie nun
aus Kampfes Schwere
und Getümmel!
Denn noch viel
wartet ihrer,
und das Ziel
aller Kämpfe
ist der Friede,
wo das Leiden
wird zum Liede
und dem Suchen
folgt das Finden
und dem Kämpfen das Verbinden

alter Wunden
und das Bahnen
neuer Wege! Hör
mein Mahnen:
Sei denn,
Sucher, aufgerufen,
mitzubauen an
den Stufen,
die sich aus
dem Dunkel heben
in das Licht -
gleichwie die Reben
voll von Süße
aus dem kargen Boden streben.

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