Was weiß ein Mensch auf Erden denn vom ändern?
Wenn sie die gleiche Straße Seif an Seite wandern,
Hat jeder seine eigne Welt und Zeit.
Das Jetzt des einen ist Vergangenheit
Dem ändern, weil er längst schon überwand
Die Prüfung, eh sie vor dem Bruder stand.
Vergeblich sucht er seine Lebenslust zu dämpfen,
Vergeblich spricht er ihm von eignen Kämpfen!
Ein jeder glaubt nur, was er selbst erlebt,
Und sieht das Stück nur, das er selbst gewebt
Am großen Teppich dieses bunten Lebens.
Drum such' nicht Anerkennung deines Strebens,
Streb' nicht nach Beifall, streb' nur um des Zieles
willen!
Der Mensch kann nie des Menschen tiefste Sehnsucht
stillen,
Das kann nur Gott! — Doch in Ihm wirst du finden
Den Bruder auch und dich mit ihm verbinden.
Denn aller Menschenliebe unerlöster Rest
Geht auf in einem Ziel, das unverrückbar fest
Und ehern steht und aller Geister Blick
Wird weit und wissend! Und der Welt Geschick,
Des Lebens ganzer bunter Teppich, ruht
Zu ihren Füßen und sie sehn ihr Gut,
Des eignen Lebens Faden — hat er Gott genügt? —
Dem bunten Teppichmuster sorglich eingefügt
Und was auf Erden ihnen unverständlich war,
Die Vielfalt ihres Wesens, bietet sich nun dar
Dem geist'gen Blick als schönes Farbenspiel!
Was sie getrennt erstrebten, jenes ew'ge Ziel,
Dem sie verschiedne Namen gaben,
Die sie oft mißverstanden haben —
Die Namen waren es, die Erdenbrüder schieden,
Des Ziels Erkenntnis erst eint sie zu ew'gem Frieden!