
2.
G E D I C H T E
AUS BAND 2 DER
ERSTAUSGABE
(November 1933 bis September 1934)

I
N H A L T S Ü B E R S I C H T
Gedichte aus
Band 2 der Erstausgabe
(November 1933
bis September 1934)
 |
Aus Tagen ohne
Glück und tränenreichen
Nächten (16.11.1933 |
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Stimme meines
Innern, sprich (23.11.1933) |
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Ich will euch
künden, Kinder dieser Welt (2.12.33) |
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Eh' du die
Wahrheit kündest (13-12.1933) |
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Himmelragend,
Türme tragend (18.12.1933) |
 |
Du, einer
wirren Zeit verirrt Geschlecht (31.12.33) |
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Schenk mir ein
Dankgebet, mein Gott (11.1.1934) . . . . |
 |
Für alle
Menschen strömt der gleiche Segen
(13.1.1934) |
 |
Und wer Verstehen sucht (4.2.1934)
|
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Als ein Gedicht
erdachte Gott die Welt (24.2.34) |
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Es ziemt dem
Wandrer, um sein Ziel zu
wissen (2.3.1934) |
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Es schenkt der
Herr auch im Versagen (5.3.1934) |
 |
Tönende Stille,
was willst du mir sagen (10.4.34) |
 |
Die abendlichen
Nebel seh' ich steigen (13.4.34) |
 |
Das Ziel ist
alles, und der Weg ist nichts (14.4.34) |
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Es trägt der
Wind auf weitgespannten Schwingen
(16.4.1934) |
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Du letztes
Leid, ich reife dir entgegen (2.5.1934) |
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Hinab, hinab
die endlos vielen Stufen (13.5.34) |
 |
Ach, es ranken
die Gedanken (23.5.1934) |
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Ich trag' den
ganzen Himmel in der Seele (8.6.34) |
 |
Sieh, ich
schreite dir zur Seite (10.7.1934) |
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Die Sehnsucht
singt ihr Lied in meiner Seele
(26.7.1934) |
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Der du wanderst
nach dem Lichte (11.8.1934) |
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Dich, Atlantis,
Land der Sage (16.8.1934) |
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Steig'
hernieder, stille Stunde (4.9.1934) |

Aus Tagen ohne Glück
und tränenreichen Nächten
könnt ihr der
Überwindung Dornenkrone flechten
und als Erlöste mit
dem Heiland auferstehn.
Doch müßt ihr's
nicht.
Wollt ihr durch
Licht und Schatten gehn
als Unbeschwerte,
Unbelehrte,
seid ihr so lang
Zurückgekehrte
zu dieser Erde Lust
und Not,
im Kreise laufend
durch Geburt und Tod,
bis, seines Wanderns
müde, euer Geist
euch selbst die Wege
zur Erlösung weist
und sich bereitet,
jubelnd anzutreten
den Höhenflug. Oh
seht, so wird erbeten
der Überwindung
schmerzensreiche Krone.
Nehmt sie als Sühne
nicht - nehmt sie zum Lohne!

Stimme meines
Innern, sprich:
Wer bist du, und wer
bin ich?
Weise dünkst du mich
und gut,
könntest du denn
sonst mein Blut,
dieses heiße,
unruhvolle,
frühlingsfrohe,
jugendtolle
so befrieden, daß
sein Jagen
innehält vor deinem
Fragen?

Ja, du dünkst mich
gut und weise!
Was auf meiner
Lebensreise
mir geschieht und
widerfährt,
erst durch dich wird
es geklärt
und zu sinnerfülltem
Reifen.
Lass' ich ohne dich
sie schweifen,
meine rastlosen
Gedanken,
gleichen sie
begierdekranken
aufgescheuchten
Bienenschwärmen!
Du jedoch
durchdringst ihr Lärmen
und du heißt sie
Honig sammeln.
Wo du sprichst, kann
ich nur stammeln,
betteln nur, wo du
gebietest,
und gehorchen, wo du
rietest,
denn dein Rat ist
stets der rechte.
Ach, wir wären
nichts als Knechte,
trügen wir nicht
dich im Innern,
dich, du heilig
Gott-Erinnern.
Du, Gesetz der
Hamonie,
du, die Brücke, über
die
Gottes lichte Boten
schreiten,
wölb dich über alle
Weiten
alles Lebens, aller
Zeiten,
Brücke du - zur
Ewigkeit!
Ich will euch
künden, Kinder dieser Welt,
was euer ist,
was euer
Seelenschrein verschlossen hält,
bis ihr es wißt,
bis ihr das
Heiligtum in euch entdeckt,
bis ihr gleich mir
zum Künder werdet
und die ändern weckt.
Sie leiden hier,
sie leiden euer Leid
und wissen's nicht,
denn traumbefangen
gehn sie dahin, und
ihrer Seele Licht
ist leidverhangen.
Was sie erschaffen,
wandelt sich zu Staub
in ihrer Hand.
Ihr nur dem Äußern
zugewandtes Sein,
sie nennen's
Pflicht;
daß sie das
Heiligtum entweihn,
sie wissen's nicht.
Es führt sie kreuz
und quer und führt sie weit
ihr Wissensdrang;
in sich zu gehn
jedoch fehlt es an Zeit,
denn dieser Gang,
der nächste,
kürzeste, zum eignen Ich,
wird erst getan,
sieht man die
Brücken brechen hinter sich
und seinen Wahn.
Die Antwort, die das
Leben schuldig blieb,
hier hört man sie
und Sehnsucht
sänftigt sich und Leid und Lieb'
zur Harmonie.
Und Gottes Odem
löst, in ihm erwacht,
leise und sacht,
was ihn gefesselt
hielt in banger Nacht,
bis es vollbracht.
Eh' du die Wahrheit
kündest, werde dir bewußt:
Du bist fortan
allein,
und deine Brust
muß Heimat dir und
Zufluchtstätte sein!
Du bist ein kreuzend
Schiff, das nirgends landen darf,
der Ladung willen,
die es führt an Bord.
Schon mancher, der
ins Meer die Ladung warf,
um endlich
anzulaufen sichern Port!
Wirst du bestehn?
Wirst du, ein
Wandersmann, vorübergehn
an Türen, die dir
gastlich offen stehn
zu froher Menschen
Runde und Verein,
bringst du die
Wahrheit nur nicht mit herein!
Denn Türen schließen
sich und Herzen auch,
fühlt man an dir der
Wahrheit herben Hauch.
Sie stört
Behaglichkeit und Illusion
und wird gelohnt mit
Haß nur oder Hohn.
Bist du so stark,
daß deiner Stimme Laut
die Mauern stürzen
macht,
die Haß und Hohn dir
baut?
Erträgst du's, wenn
man lacht?
Dann nimm der
Wahrheit köstlich schwere Last
und hüll dich in den
Mantel Einsamkeit -
und geh von Tür zu
Tür als ungebetner Gast,
als Heimatloser
durch der Erde Zeit,
und laß sie lachen.
-
Doch willst du's
besser machen,
dann üb und gib ein
lächelndes Verstehn
als milde Gabe im
Vorübergehn,
und lehr sie so, ihr
Lachen umzuwandeln.
Doch laß dein
Handeln
von Lob wie Lachen
unbeeinflußt sein!
Des Tuns
Verantwortung trägst du allein.
Davon nimmt Lob
nichts ab
und Lachen gibt
nichts zu.
Doch wisse du:
Bringst du mit
Wahrheit nur ein Herz zur Ruh,
ein einzig Herz,
das, dürstend aufgetan,
aus deinen Händen
nimmt den Becher an,
Genesung trinkend
von der Erde Wahn,
dann,
Wahrheitskünder, ist dein Werk getan.

Himmelragend,
Türme tragend,
Schatten gebend,
sich erhebend
aus der Enge
wirrer Gassen,
von der Menge
und des Lebens Hast
umschritten,
ruhvoll wartend,
steht inmitten
und umrauscht vom
Zeitenstrom
als das Herz der
Stadt, der Dom.
Hör es, Herz, und
hab auch du
eines Domes heü'ge
Ruh!
Sei wie er der Erd'
verbunden,
doch wie Türme trag
die Stunden
deiner Sehnsucht
Gott entgegen
und bewahr wie er
den Segen
und laß Tore offen
stehn
allen, die in
Trübsal gehn!
Jubel, Jauchzen und
Frohlocken
sind die Glocken.
Laß ihr Singen
allen klingen!

Du, einer wirren
Zeit verirrt Geschlecht,
schau hin - am
Horizont die schwarzen Reiter!
Noch schattengleich,
doch näherkommend schon,
umzingeln dich des
Dunkels wilde Streiter!
Dir war das Dunkel
oft willkommen doch,
in seinem Schütze
reiften deine Taten
und seinem Flüstern
gabst du gern Gehör;
nun sieh - es
sprießen deiner Taten Saaten!
Was zitterst du und
kannst es nicht ertragen?
Du warst doch mutig
sonst, wenn's ändern galt!
Das deinen Zwecken
dienstbar war, das Dunkel,
sieh jetzt in seiner
wirklichen Gestalt!
Und fühl der alten
Erde fiebernd Beben
und wanken sieh das
Haus der Wissenschaft
und stürzen sieh der
Menschheit heil'ge Güter
und mit sich reißen
deine beste Kraft!
Denn plötzlich war
das Dunkel überall,
das nun zerstörend
gegen dich sich wendet.
Des Horizontes
schwarze Reiter sind
das Böse, das du
selbst einst ausgesendet.
Doch Gnade ließ das
Dunkel vor dich treten,
daß du's erkennst,
erkennend dann erlöst;
drum trag der Liebe
Fahne ihm entgegen,
daß du erlösend auch
dich selbst erhöhst!
Denn angelangt bist
du, verirrt Geschlecht,
an deiner wirren
Wege jähem Ende.
So geh zurück in
dich und hol aus dir die Kraft
und wirk die große
Weltenzeitenwende!

Schenk mir ein
Dankgebet, mein Gott, denn meine Seele,
geschmiedet an die
Welt durch eigne Fehle,
ist flügellahm und
kann sich nicht erheben
und will doch ihrem
Jubel Worte geben
und Klänge ihrer
innern Melodie.
Du überhörtest ihre
Klagen nie,
und schien es so,
dann war es nur geschehen,
mir mehr zu helfen,
als ich könnt' verstehen.
Mein Trotz
zerschellte, Herr, an deiner Güte.
Nun hat des Glückes
erste, scheue Blüte
ihr Auge deinem
Lichte aufgetan.
Jetzt, Unfaßbarer,
nimm mein Danken an!
Es will ein Ton nur
sein im letzten Engelchore
am äußersten der
sieben Himmelstore.
Ein kleiner Klang,
der jubelnd untergeht
im weltenweiten
Schöpfungsdankgebet.
Denn was mein eigen
ist, hab' ich, mein Gott, von dir.
Die Kraft zum Danken
selbst muß ich erbitten mir.

Für alle Menschen
strömt der gleiche Segen,
verheißen sind des
gleichen Sieges Feiern,
das gleiche Wunder
steht auf allen Wegen
und wartet still,
bereit, sich zu entschleiern.
Schlag du im Stein
des Leidens deine Stufen,
indes der andre sich
im Staube quält;
denn wer die Höhe
sucht, der ist berufen,
doch nur, wer sie
erkämpft, ist auserwählt.
Und wer Verstehen
sucht, versteht sich selbst noch nicht,
wer Anerkennung
braucht, ist vom Erkenntnislicht
noch weit und muß
noch viele Wege wandern;
denn was er selbst
nicht hat, sucht er bei ändern
und findet's nie!
Denn in der Harmonie
hat jeder seinen
Klang
und seine eigne
Melodie
im Weltgesang.
Der Klang des
ändern, sei er noch so rein,
ist nicht der seine.
Den muß er allein
aus seines Wesens
tiefster Quelle heben.
Er kann ihn nicht
erlernen, nur erleben!

Als ein Gedicht
erdachte Gott die Welt,
darin der Zeiten
Ablauf rhythmisch steigt und fällt,
der Reim das
Ähnliche im Gleichklang bindet,
der Sinn, zum Sein
verdichtet, sich verwirklicht findet.
So aber kam der
hehre Bau ins Wanken:
Die Worte lösten
sich und traten aus den Schranken,
die Reimzerstörung
nannten sie Gewinn,
zum Selbstzweck ward
das Sein und es vergaß den Sinn.
Die reimentlaufnen
Worte seh' ich leiden
und Gleichklang
suchen. Bald wird auch bescheiden
das letzte froh an
seiner Stelle stehn im Licht,
ein tragend Pfeiler
nun im ew'gen Gottgedicht.

Es ziemt dem
Wandrer, um sein Ziel zu wissen
und auch zu fragen
nach dem rechten Weg,
denn hat der Himmel
seine Schleusen aufgerissen,
ertrinkt im
Regenrauschen Sicht wie Steg.
Will er nicht irre
gehn, muß er vertrauen
dem Rat des ersten,
den er trifft und fragt,
doch mißt er prüfend
ihn im innern Schauen
am Fühl'n der
Richtung, das er in sich trägt.
So, Weltenwandrer,
prüfend und vergleichend,
nehmt alle Stimmen
auf in euer Sinnen;
naht Rat von außen,
euch die Hände reichend,
ergreift sie erst,
tönt wieder er von innen.

Es schenkt der Herr
auch im Versagen
und gibt, indem er
nimmt.
Am Himmelsgitter
rütteln unsre Klagen,
indes er lächelt und
mit Liebe stimmt
die Seelenharfen,
alle, nach der Reihe,
die ihren Mißklang
tragen vor sein Ohr,
daß sie, empfangend
eine neue Weihe,
den Klang gewinnen,
der sich längst verlor.
Gestimmt zu werden
von des Meisters Hand
ist Schmerz -
und keine Harfe, die
ihn nicht empfand,
o Herz. -
Und hat auch dich
erfaßt und hat dir weh getan
sein großer Wille,
dann denk, jetzt
zieht der Herr die Saiten an -
und halte stille . .
.
Tönende Stille, was
willst du mir sagen,
wer hat die
Botschaft für mich übertragen
deinem Geheimnisse
bergenden Sein?
Wahrend dein Wissen,
verwehrst du die Kunde
allen Geschwätzigen!
Doch deinem Munde
danken die Weisen
die heiligsten Weih'n.
Webende, wirkende,
atmende Stille,
was du verbirgst,
ist der schaffende Wille,
Leben geworden, löst
leis er sich los.
Du trägst der
Zukunft Gedanken und Taten,
so wie die Erde die
keimenden Saaten,
du, des Geschehens
gestaltender Schoß!

Die abendlichen
Nebel seh' ich steigen:
Wie, schon so spät,
daß sich mein Tag will neigen,
der kaum gegrüßte,
schon bereit zu scheiden?
Es ist mir doch, als
war' er erst entstiegen
den Morgenschleiern,
die verheißend liegen
auf Blumenwiesen,
meiner Kindheit Weiden.
Ich seh' mich
selbst, die Kinderhände streckend
nach jedem Glanz,
entschleiernd und erweckend
und auch zerstörend,
was sich mir versagte.
Von Kraft zu Kraft,
von Sehnsucht zu Erfüllung,
und immer dürstend
noch nach neuer Stillung,
so schritt ich durch
das Leben, da es tagte.
Und auch den roten
Mohnkranz wilder Stunden
hab' ich bedenkenlos
ums Haupt gewunden -
nun war' er welk,
mein Kranz aus wildem Mohne .
Noch eh' er welkte,
nahm ihn mir vom Haupte
die Vaterhand,
ersetzend, was sie raubte,
durch eines
Dornenkranzes ew'ge Krone.
Und wieder Schleier,
die sich mählich breiten,
und meinem Tag den
Abend still bereiten.
Jetzt decken sie die
Erde mit Erbarmen
und hüllen meine
Schuld in ihre Falten
und löschen Farben,
Formen und Gestalten . . .
und meine Sehnsucht
schläft in Vaterarmen .

Das Ziel ist alles,
und der Weg ist nichts!
Hast du den rechten
Weg, und dir gebricht's
an rechter Sehnsucht
nach dem rechten Ziel,
so bist du ferner
ihm als der, der fiel
und sich erhob und
in die Irre ging
und sich besann, und
stieg und steigend hing
an steiler Felswand,
ringend mit dem Stein,
den Abgrund unter
sich, und über sich allein
der Gipfel Schweigen
und des Himmels Glanz,
und seine Seele
hingegeben ganz
der Zielgewißheit
und dem heil'gen Ruf -
er siegt, weil er
sich selbst die Wege schuf
im Unwegsamen, treu
dem Ruf des Lichts!
Das Ziel ist alles,
und der Weg ist nichts!
Es trägt der Wind
auf weitgespannten Schwingen
den Klang der Welt,
ihr Jauchzen und ihr Singen.
Dazwischen gellt
der Hilfeschrei des
tausendfält'gen Sterbens
und flüsternd lockt
die Stimme des Verderbens.
Trag weiter, Wind,
den Klang auf deinen Flügeln,
ich hab' gelernt,
mein Wunschgespann zu zügeln
und mich entfernt
vom Eitelkeitenmarkt
des Weltgeschehens
und mich genaht der
Quelle des Entstehens.
Hier will ich Hüter
sein und allen wehren,
die frevlen Sinns
sie trüben durch Begehren,
daß des Beginns
glasklarer Quell in
Klarheit bleib' bestehen
und ihm entfließe
lauterstes Geschehen!

Du letztes Leid, ich
reife dir entgegen,
so wie das Korn
entgegenreift dem Schnitt.
Ich trage schwer des
langen Sommers Segen,
Goldkörnerfrucht der
Leiden, die ich litt.
Das eigne Leid, es
gleicht dem zarten Keime,
der sich in dunkler
Erde müht und müht
und sie durchbricht
und so das erst Geheime
nun lichtwärts trägt
und lichtgesegnet blüht.
Er blüht gleich
ändern, Halm zu Halm gesellt,
und ist wie sie dem
Sturme preisgegeben,
ein hilflos Halm im
weiten Ährenfeld,
und Mitleid reift
als Frucht im Miterleben.
Und dennoch, Brüder,
ruf ich nach dem Schnitt
für mich und euch,
daß wir erfüll'n die Sendung.
Die Leidbejahung ist
der letzte Schritt
im Leid, der erste
aber zur Vollendung.

Hinab, hinab die
endlos vielen Stufen,
hinab und nach den
leisen Hilferufen,
die aus der Tiefe
kommen, halb erstickt,
verschluckt vom
Dunkel. Und mein Äug' erblickt
der Höhe letzten
mondenmilden Schein
als weißes Band.
Doch mich erdrückt der Stein!
Hab' ich darum die
Höhe mir errungen,
darum die Tiefe in
mir selbst bezwungen,
daß ich nun fremde
Tiefen schaudernd muß durchwandern,
kaum selbst befreit,
entkerkern muß die ändern?
Muß ich hinab? - Du
mußt es nicht, du darfst!
Es ist ein heilig
Amt, das du verwarfst.
Auch du warst einst
verschüttet gleich wie diese,
ja, auch für dich
verließ die Himmelswiese
ein lichter Helfer.
Wärst du heut' befreit,
hätt' ihn wie dich
gedünkt der Weg zu weit?
Die Stimme schweigt.
Kam sie herab vom Licht?
Ihr Widerhall, der
sich im Felsen bricht,
erstirbt. Zuletzt
vergeht mein Trotz in Scham.
Vollenden will ich,
was ich übernahm.
Hinab, hinab die
endlos vielen Stufen,
hinab und nach den
leisen Hilferufen.

Ach, es ranken
die Gedanken
sich empor wie
Kletterrosen,
schenken ihre
schwerelosen
Flatterblätter allen
Winden!
Wie sie halten, wie
sie binden?
Erdgebundner, kannst
du halten,
kannst du hemmen das
Entfalten?
Alles Daseins Sinn
ist Streben,
und des Strebens
Lohn heißt Geben.
Freu dich, wenn die
Blätter fallen,
Rosenteppich
breitend allen!
Frische Ranken,
Lichtgedanken,
greifen höher in die
Lüfte,
schenken neuer
Blüten Düfte.
Knospen harren in
der Hülle
auszustreun des
Glückes Fülle . , .

Ich trag' den ganzen
Himmel in der Seele,
behalte dir die
goldne Erdenlast,
von der du meinst,
daß sie mir schmerzlich fehle,
weil du sonst nichts
als diese Bürde hast!
Im Spiegel deiner
mitleidvollen Blicke
erschau' ich meines
Lebens Dürftigkeit
und schau' den
Wechsel meiner Mißgeschicke
vom hohen Turm, der
heißt: Genügsamkeit.
Wer Sonne sieht vom
Anfang bis zur Neige
mit einem Blick
umspannt das ganze Land,
tauscht seine
Fernsicht nicht für Blütenzweige
gefaßt in einer Vase
engem Rand.
Behalte dir dein
Gut! Doch wird entwinden
einst dir wie mir
das Schicksal Stück um Stück,
dann mögest du den
Weg zum Turme finden
und alle Stufen
steigen bis zum Glück.
Auf jeder Stufe muß
man niederlegen
ein Stückchen Habe,
daß man weiter kann.
Ich weiß, wie's tut,
und komm' dir dann entgegen
und schenk' dir
alles, was ich hier gewann!

Sieh, ich schreite
dir zur Seite,
sieh, ich breite
meiner
Lichterkenntnis Weite
dir zu Füßen,
denn ich kenne
Schuld und Büßen,
Lust und Leiden,
und von beiden
trag' ich
goldgewirkte Zeichen
im Gewand, dem
wolkenweichen,
windhauchgleichen.
Seinem Rauschen
sah ich dich schon
oftmals lauschen,
sah dich oftmals
leis erschauern,
denn mein Auge
schaut durch Mauern. -
Sag, was macht mein
Nah'n dich zittern,
du, mein Bruder
hinter Gittern,
hinter Gittern
deiner Sinne?
Werde meiner Liebe
inne!
Sieh, ich teile
deine Tage,
sieh, ich trage
deine Klage
zu dem Heiler aller
Herzen,
dem Beschwichtiger
der Schmerzen.
Heiltrank haltend in
den Händen
kehr' ich wieder, zu
verschwenden,
zu verströmen, was
ich habe,
unsres ew'gen Gebers
Gabe!

Die Sehnsucht singt
ihr Lied in meiner Seele,
ihr altes Lied! Und
altes Leid klingt auf.
Wo ich auch weile,
was ich auch erwähle -
aus Tiefen, längst
verschüttet, steigt herauf
die auferstandne
Sehnsucht, steigt aus Särgen,
die oft begrabne,
die den Tod besiegt,
und heißt mich
weiterwandern nach den Bergen,
auf deren Scheitel
Gottes Abglanz liegt.
Und wie die
Sehnsucht wandert meine Seele
von Welt zu Welt in
wechselnder Gestalt
den Regenbogenweg.
Und daß nicht fehle
der Farben eine,
macht sie nirgends halt
und faßt der Farben
Fülle dann zusammen
zu reinem Licht am
Berg der letzten Sicht!
Denn unsre Seelen,
die vom Himmel stammen,
sind Licht, das sich
vieltausendfältig bricht.

Der du wanderst nach
dem Lichte,
sieh dich vor! Oft
macht zunichte
alles Mühn ein
falscher Schritt.
Steinschlag rollt
und reißt dich mit.
Taucher auf dem
Seelengrunde,
sieh dich vor! Zu
keiner Stunde
bringt die See sich
kampflos dar,
Perlen birgt sie und
Gefahr.
An der Schwelle
alles Schönen
stehn die Hüter und
verhöhnen
und verzerren dein
Besinnen
und verzögern dein
Beginnen.
Willst du deshalb
müde werden?
Nein, und wenn mit
Drohgebärden
aller Fluch, Gestalt
geworden,
vor mir stünde, mich
zu morden,
gab' ich tausendfach
mein Leben!
Tausendfältig wird
gegeben
meinem strebenden
Bemühn
neu verkörpertes
Erglühn!
Heute und in
Ewigkeiten
will ich gleichen
Weg beschreiten,
siegend, Gott, in
deinem Namen
und in deinem Sinne!
- Amen.

Dich, Atlantis, Land
der Sage,
kennt mein Herz und
sucht mein Sinn!
War ich Zeuge deiner
Tage,
der ich heut' ein
andrer bin?
Hallten meine
Schritte wider
von den Wänden aus
Basalt
weit gewölbter
Felsentempel,
alten Weistums Hort
und Halt?
War ich kundig jener
Künste,
deren Macht so
leicht verfuhrt,
hab' ich,
Unheilzeichen deutend,
schon das Nah'n der
Flut verspürt?
Über dir und meinen
Fragen
rollt und rauscht
das große Meer,
Flut und Ebbe sind
sein Atem
bis zu deiner
Wiederkehr.
Trägt nicht jeder
Mensch Atlantis,
das versunkne Land
in sich?
Rollen nicht die
wilden Wasser
rauschend über jedem
Ich? - -
Doch die Tiefe wird
sich heben,
bis die Flut an ihr
zerbricht,
das versunkne Land
der Sage
taucht dann auf -
und spricht.

Steig hernieder,
stille Stunde,
du, die letzte in
der Runde
deiner lärmbeladnen
Schwestern,
die sich schmücken
heut' wie gestern
mit dem Glanz des
jungen Tages,
den sie teilen und
zerpflücken . . .
Dann kommst du, um
aus den Stücken
den Erlebnisring zu
schmieden,
Unrast weicht und
wird zum Frieden
durch dein Nah'n,
dein zartes, zages.
Lösch die Lichter,
stille Stunde,
du, die liebste aus
der Runde
deiner
stolzgeschmückten Schwestern,
die mich quälten
heut' wie gestern.
Kommst du deuten,
was ich dachte,
kommst du formen,
was ich fühlte,
pflücken, was des
Tags erblühte?
Nimm mein Werk in
deine Hände,
segne, Stunde, und
vollende,
was dein Licht zum
Leben brachte.


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