Sei die Harfe!

Deine zarten

Saiten warten,

Und sie wollen

Übervollen

Jauchzens Klänge!

Doch sie müssen

Weinen lernen,

Um zu wissen

Von den Fernen

Und den Tiefen,

Die in deiner Seele schliefen,

Unbegriffen.

Aller Wässer trübe Wellen

Haben Quellen,

Die sind klar.

Alle Tränen, die geflossen,

Schmerzentsprossen •—

Wunderbar

Steigen sie aus tiefem Schacht,

Aus des Lebens heil'ger Nacht.

Zu den Quellen steige nieder,

Dann erst singe deine Lieder

Und sei Harfe!

Unerfüllter Tage Sehnen,

Ungestillten Sehnens Tränen,

Brachtest Du, mein Gott, zur Ruh;

Deck' nun auch erbarmend zu

Meine Sünden, denn sie s ehr ei'n

Nach Erlösung, nach Verzeih'n!

Seit mein Sehnen still geworden,

Sanft sich löst in Grundakkorden,

Ist mir erst ihr Schrei bewußt,

Der mit Mißklang füllt die Brust:

Wilde Tiere, losgerissen

Von der Kette, dem Gewissen,

Das zu schwach war, sie zu halten,

Woll'n sie ihre Macht entfalten,

W oll'n sie ihre Nahrung haben,

Wie sie meine Wünsche gaben,

Unbedenklich, Jahr um Jahr!

Bleib' ich Sklave, weil ich's war?

Ungesühnte Sünden dringen

Auf mich ein, mich umzubringen!

Weicht! — Vorbei ist eure Zeit,

Schatten der Vergangenheit!

Auf die Schultern will ich laden

Alle Sühne, um geraden

Festen Schritts bergan zu steigen,

Bis sich mir entgegenneigen

Deines Himmels Wolkenschleier,

Und noch weiter, bis mein freier,

Ungetrübter, klarer Blick

Unbegrenzt ist wie mein Glück!