"Predigten des Herrn" durch G. Mayerhofer
01]
Dieses Kapitel behandelt eine Bußpredigt Johannes des Täufers, welche er am
Jordan an die um ihn versammelte Volksmenge hielt, mit welcher er die Juden für
Den vorbereiten wollte, dem - wie er sagte - er nicht wert sei, die Schuhriemen
aufzulösen.
02] Ein jeder seiner Zuhörer
fragte den Johannes, was er in bezug auf seine Lebensweise, auf sein Gewerbe
oder seinen Stand zu tun habe; und allen gab er zur Antwort: ,Das Gesetz der Nächstenliebe!`,
das er ausdrückte in Worten, wie sie gerade zu den Fragen paßten.
03] Was damals Johannes getan und
gepredigt hat, das tue auch Ich schon seit langer Zeit. Auch Ich mahne die
Menschheit mit verschiedenen Mitteln, Worten und Ereignissen zur Umkehr. Wie
dort die Ankunft des eigentlichen Lehrers vorausgesagt und vorbereitet wurde, so
geschieht es auch jetzt schon seit längerer Zeit, als Vorbereitung zu Meiner nächsten
Wiederkunft. So wie die Juden damals dachten und handelten, waren sie nicht
geeignet, Meine Lehre richtig aufzunehmen und zu fassen. Und wie die Menschen
heute sind, da sie noch mehr im Schlamme des Eigennutzes vergraben liegen, ist
es noch dringender, sie zu wecken und zu mahnen. Die Zeit zum Überlegen, was
man eigentlich tun solle, oder wohin man sich wenden möchte, ist kurz bemessen.
Wie dem Schlafenden die Zeit seines Traumlebens schnell entschwindet und Stunden
wie Minuten vorüberfliehen, ebenso eilt die Zeit mit Sturmesflügeln dahin für
den, welcher so ohne Nachdenken in den Tag hineinlebt. Daher die Ereignisse,
Krankheiten, drohende soziale Umwälzungen, welche nötig sind, um die so fest
im Weltschlaf versunkene Menschheit aus ihrer Trägheit aufzurütteln.
04] Damals schon sagte Johannes:
"Der, welcher nach mir kommt, hat schon die Wurfschaufel in der Hand, um
auf der Tenne das Korn von der Spreu zu säubern." Und jetzt, da ihr
Maschinen erfunden habt, die mittels starker Luftbewegung das Getreide säubern,
jetzt brauche auch Ich statt der Wurfschaufel geschwindere Mittel, um zu Meinem
Zweck zu gelangen und die Gutwilligen von den Saumseligen und Trägen zu
scheiden. Schon dreht sich das Schaufelrad in Meiner geistigen Wind und
Getreidesäuberungsmühle. Wirbelnd regt es die Massen auf, weit von sich
schleudernd das leichte, schalenartige Gesindel, welches gegen jede Mahnung taub
der Welt und ihren Freuden huldigt. Und wie Johannes einst selbst des Herodes,
des Vierfürsten von Galiläa, Lebenswandel rügte, ebenso rügt auch jetzt die
Volksmeinung die ehrgeizigen Pläne so mancher Herrscher. Damals ließ Herodes
den Johannes einsperren; jetzt möchten die Herrscher ebenfalls die Zungen
hemmen und dem Volk die Gedanken aus dem Kopfe treiben. Allein das wäre jetzt -
wie einst - vergebliche Mühe! Das Wort, der geistige Träger Meines Willens,
ist weit mächtiger als Waffen und Zwang. Es überschreitet als körperloses
Wesen die Schranken der materiellen Welt und regiert im Geistigen alles, da Ich
das Wort selbst bin.
05] Dort hörte das Volk den
Johannes an; aber sobald es auf Verleugnung und Aufopferung ankam, wandte es ihm
den Rücken, wie einst der reiche Jüngling Mir. Und jetzt lacht die größere
Anzahl der Menschen auch über die, denen Ich Meine Lehre direkt kundgebe. Hohnlächelnd
blicken sie auf solche herab, sich mit ihrem Weltverstand bei weitem gescheiter
dünkend als jene mit ihrer Herzenssprache.
06] Arme, verirrte Kinder! Es
wird eine Zeit heranrücken, wo all euer Weisheitskram nicht ausreichen wird,
euch einen Trost oder auch nur Ruhe zu geben. Bei den Ereignissen, die über
euch hereinbrechen, werdet ihr zwischen zwei Welten stehen und Gott und euer
Schicksal der Grausamkeit anklagen, weil die materielle Welt euch mit Hohn zurückstoßen
und die geistige euch nicht aufnehmen wird.
07] Solche Seelen-Qualen ahnte
schon damals Johannes. Er wollte das Judenvolk wecken und zur Umkehr antreiben;
und heute, wo schon beinahe alle edlen Eigenschaften der menschlichen Natur zu
Grabe getragen wurden und nur der Egoismus mit all seinen Eigenschaften
herrscht, ergeht dieser Mahnruf wieder, bekräftigt mit Unglücksfällen und
Drangsalen, um mit Gewalt das zu erreichen, was mit Milde bei der größeren
Masse der Menschheit bis jetzt ohne Erfolg geblieben ist.
08] Damals unterzog sogar Ich
Mich als Jesus der äußeren Taufe mit Wasser; jetzt sollt ihr euch freiwillig
der geistigen, unsichtbaren Taufe mit Meinem Geist unterziehen. In jener Zeit
strömte das göttliche Licht in Form einer Taube über Meinem Haupt, Meine
Abkunft, Meinen früheren und Meinen künftigen Wohnort bezeichnend. O Kinder,
tut jetzt, soviel euch möglich ist, auf daß die Ströme des Lichts und der
Gnade von oben nicht umsonst auf euch ergossen werden! Zeigt euch würdig eurer
Abkunft und eurer künftigen Bestimmung! Wie dort einst die Stimme ertönte:
"Dies ist Mein lieber Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe!", so möge
jetzt über eurem Haupt und in eurer Brust die nämliche Stimme ertönen, welche
euch versichert, daß ihr auf dem rechten Weg seid, Meine Kinder zu werden.
09] Dort sprach Johannes:
"Wer zwei Röcke hat, der gebe einen weg, wer viel Speise hat, der teile
sie mit den Bedürftigen; wer etwas zu verlangen hat, der fordere nicht mehr,
als rechtens ist!" All diese Beispiele sagen mit anderen Worten: Seid mildtätig,
seid gerecht, wie es euer Vater im Himmel ist! Gebet, damit auch euch gegeben, -
vergebet, damit auch euch vergeben wird!
10] Laßt euch nicht betören
durch den Schein der Welt mit ihren Gütern! Es naht die Zeit, wo ihr alles zurücklassen
müßt und euch nur die Güter bleiben, die ihr im Innern errungen habt, und die
weder Pest noch Krieg, weder Bedrängnis noch der Tod rauben kann.
11] Laßt die sich gelehrt Dünkenden
mit ihrer Scheinweisheit! Ihre Zeit des Triumphs ist kurz. Folgt Meinem Rat,
Meinem Mahnruf, der nicht, wie des Johannes Bußpredigt, euch als Otterngezücht,
sondern als Meine Kinder betitelt, die Ich euch einst nach Meinem Ebenbild
geschaffen und wieder zu diesem Ebenbild neu gestalten will! Damals war die äußere
Gestalt mit der des Geistes eins, heutzutage ist wohl äußerlich noch die Ähnlichkeit
der schon längst verschwundenen paradiesischen Schönheit in entfernter Form
geblieben, aber die Seele, als Tempel und Sitz Meines Gottesfunkens, ist zum
Zerrbild geworden. Dieser Zwiespalt kann nach Meinen Gesetzen nicht geduldet
werden, und es muß das Innere zum Äußeren wieder in Harmonie gebracht werden.
Wenn ihr auch die äußere Hülle, auf welcher die Leidenschaften ihre Spuren
zurückgelassen haben, nicht mehr ändern könnt, so trachtet doch wenigstens
aus allen Kräften danach, den inneren Geistmenschen wieder dem Urbild
nachzubilden; denn es gibt kein schöneres, größeres und geistigeres Vorbild
in der Schöpfung. Es ist jenes Bild, von dem jedes erschaffene Wesen mehr oder
weniger als Abdruck gestaltet ist, und von dem ihr, als letzter Ausdruck der
ganzen materiellen und geistigen Schöpfung, die Form in euch tragt, jenes
Urbild, - das nicht allein euer Schöpfer und Herr, sondern auch euer Vater sein
will, der euch mit unerbittlicher Strenge und Willenskraft Gesetze vorschreiben
und euch entweder göttlich belohnen oder unerbittlich vernichtend strafen könnte,
aber statt Strafe nur Verzeihung und Versöhnung, nur Liebe will.
12] In jener Zeit war ein Vorläufer
nötig, der die Menschen auf Meine Ankunft vorbereitete; jetzt bin Ich es
selbst, der euch die Friedenshand entgegenstreckt, um euch hilfreich in den Bedrängnissen
zu leiten, welche nach und nach über die Menschheit hereinbrechen werden, weil
sie zu halsstarrig ist. Verstoßt diese Hand nicht; denn ihr findet keine stärkere,
keine kräftigere! Jeder menschliche Arm ist zu kurz, nur der Meine reicht für
alle Entfernungen und erreicht den Flehenden selbst weit über jene Räume
hinaus, in denen der letzte Stern seine Strahlen verbreitet und das ewige
Geisterreich seinen Anfang nimmt. Auch dort noch ist es dieselbe Hand, die den
Liebenden an sich zieht und ihn leitet.
13] Hört auf die Stimme, die,
wie einst in der Wüste, euch auch jetzt in der Wüste des Welttreibens zuruft:
,Vergeßt Den nicht, der über den Sternen Seinen Sitz hat, ihn aber auch ebenso
in jedes Menschen Brust haben möchte!` Johannes predigte in der Wüste. Er tat
dies absichtlich, weil die Wüste, in der alles vegetative Leben aufgehört hat,
den Zuhörern keine Ablenkung gab. Jetzt predige Ich euch in der Wüste des
geistigen Lebens, das - infolge des überheblichen Menschenverstandes - leer
geworden ist von allem, was das Herz erquickt. So suche Ich, wie Johannes,
inmitten des Sand und Steinreichs die geistige Blume der Liebe zu pflanzen, die,
vom Erdreich keine Nahrung ziehend, Nahrung nur von oben bekommt. Und jetzt,
inmitten des vom Egoismus ausgetrockneten Bodens der spekulativen
Verstandeswelt, in der gedankenleeren Wüste des geistig göttlichen Lebens,
ergeht wieder der Ruf:
14] ,Wacht auf! Vertieft euch in
euer Innerstes, um dort die Quelle der nie versiegenden Freude, des nie endenden
Trostes und der nie verwelkenden Liebe - als Grundprinzip alles Geschaffenen und
Belebten - zu finden. Erkennt Den wieder, der durch blumenreiche Gärten, durch
schattige Wälder und erhabene Berge weit hinauf bis zur letzten Weltensonne
immer derselbe ist, der sich nie ändert und - eben weil Er alles erschaffen hat
- von Seinen geschaffenen Wesen nur die Erkenntnis fordert, die eine Mutter, ein
Vater von ihrem Kinde als erstes Zeichen der Verwandtschaft erwarten, nämlich
die Liebe.`
15] Während eure schwachen,
weltlichen Herrscher euch durch Gewalt und eine Menge Gesetze zur Achtung
zwingen wollen, setze Ich euch frei in die Schöpfung hinaus. Frei könnt ihr wählen
zwischen Liebe oder Haß, Leben oder Tod, Licht oder Finsternis. Noch ist es
jedem anheimgestellt, zu wählen. Die Zeit kommt stets näher, wo diese Wahl
entscheidend getroffen werden muß.
16] Wie einst der Mahnruf vor
Meinem ersten Auftreten erscholl, so erschallt jetzt Mein zweiter Ruf, damit ihr
nicht schlaftrunken von den Ereignissen überrascht werdet, sondern mit klarem
Bewußtsein und ruhigem Herzen den Dingen entgegengehen könnt, die nur für die
bestimmt sind, die sich durch sanfte Mittel nicht wecken ließen.
17] Während eure Herzen für die
leisen Harmonien der Liebe empfänglich sind, müssen dort die Posaunen ertönen,
von denen Mein Liebling, der Apostel Johannes, spricht, wenn die Engel die
Zornschalen über die Häupter der Harthörigen ausgießen werden, die trotz
aller Mahnungen Meinen Liebeworten kein Gehör geben.
18] Oft genug habe Ich verkündet:
,Es werden böse Zeiten kommen!'Ich wiederhole es nochmals: Die Zeiten werden böse
werden! Trachtet, vor der Zeit gut zu werden, damit ihr in diesem Bewußtsein
der guten Tat einen Schild habt gegen alle bitteren Ereignisse. Sie sind nur
bitter für jene, die, stets an den Honig des weltlich materiellen Genußlebens
gewöhnt, das Bittere nicht als Heil, sondern als Vernichtungsmittel ansehen.
19] Dies ist der Sinn von jener
Bußpredigt, für euch und für die jetzt kommenden Zeiten! Wer Ohren hat, der höre!
Amen.
1. 2.u. 3. Advent Die 3 Weisen aus dem Morgenland