134. Kapitel Der Traum des Hauptmannes

[GEJ.08_134,01] (Der Hauptmann:) „Nun wollen auch die andern offen kundgeben, ob auch sie dasselbe gesehen und gehört haben! Denn ich verlange das nicht umsonst, da es mir um die reine Wahrheit zu tun ist, um daraus darzutun, daß dieses Gesicht kein Traum, sondern Wahrheit war.

[GEJ.08_134,02] Denn es träumte mir einmal von einem meiner liebsten Brüder so lebhaft, daß wir in Athen beisammen waren und uns über eine wichtige Angelegenheit besprachen. Ich war aber damals noch in Rom und der Bruder auf der Insel Rhodus, wo er zu tun hatte. Ich zeichnete mir den gehabten Traum auf, um ihn nicht zu vergessen. Nach einem halben Jahre kamen aber im Ernste ich und der Bruder in Athen auf demselben Platze zusammen, auf dem wir in meinem Traume zusammengekommen waren, und der Gegenstand unserer Besprechung, wennschon mit etwas andern Worten, war derselbe, über den wir uns schon im Traume vor einem halben Jahre besprochen hatten.

[GEJ.08_134,03] Ich fragte denn nach der Besprechung den Bruder, ob er vor einem halben Jahre nicht auch in der und der Nacht einen solchen Traum gehabt hätte, wie ich ihn gehabt habe, und zeigte dem Bruder bei dieser Gelegenheit die getreue Aufzeichnung, die ich mit nach Athen genommen hatte, und er durchlas sie mit großer Aufmerksamkeit und verwunderte sich sehr, daß sich mein gewisserart prophetischer Traum nun in Athen beinahe buchstäblich bewahrheitet hatte, versicherte aber dabei, daß er für seine Person davon nie einen Traum und auch keine entfernte Ahnung hatte, daß wir uns in Athen sehen und sprechen würden. Über den zu besprechenden Gegenstand habe er wohl für sich schon oft nachgedacht und sich darum nach Rom zu mir begeben wollen, auch habe er nach mir oft eine große Sehnsucht gehabt; aber daß wir uns so ganz zufällig in Athen treffen, sehen und sprechen würden, davon habe er, wie gesagt, nie eine Ahnung und noch weniger einen ähnlichen Traum gehabt.

[GEJ.08_134,04] Dieser Traum war sonach für mich etwas Wahres; warum aber wußte denn der Bruder gar nichts davon, da die Sache ihn doch um vieles näher anging denn mich? Was war der Bruder in meinem Traume? Nichts als ein Bild, das sich die Phantasie meiner Seele als lebend plastifizierte und ihm sicher die von ihm gesprochenen Worte in den Mund legte! Nur ich war das eigentliche Ich, alles andere war eine Schöpfung der Phantasie meiner Seele, für die ich aber nicht sagen kann, ob sie sich dabei frei und selbständig tätig oder doch nur leidend verhielt.

[GEJ.08_134,05] Und darin liegt denn nun auch der Grund, warum ich hier auch die andern – die wie ich noch im materiellen Leben seiend – vernehmen möchte, ob sie erstens auch mich, wie ich sie, gesehen haben, und zweitens, ob sie auch alles andere also gesehen und gehört haben, wie ich es gesehen und gehört habe, und wollen sie darum nun treu, wahr und offen reden; denn es handelt sich hier um die allerwichtigste Lebenswahrheit für einen jeden Menschen! Es ist das ein wahres Aut Caesar, aut nihil! Denn sind derlei Erscheinungen auch nur den Träumen gleich, aus denen kein Weiser ein wahres ewiges Fortleben der Seele des Menschen nach seinem Leibestode beweisen kann, so ist jede Sittenlehre ohne wahren Wert, und ihre Gesetze und Forderungen und Verheißungen haben nur fürs zeitliche und bürgerliche Gemeinleben einen kleinen, aber dabei immer illusorischen Wert; was aber das Geistige betrifft, so gehört es in den alten Augiasstall.

[GEJ.08_134,06] Ist aber solch eine Erscheinung eine durch mehrere vollkommene Wahrheitsfreunde erwiesene Wahrheit, dann erst erscheint die tröstende Sittenlehre, besonders in ihrem stets vorwiegend geistigen Teile, in einem ganz andern Lichte. Ich als ein großer Wahrheitsfreund habe euch das nun ernst ans Herz gelegt, und so redet denn nun auch die volle, ungeheuchelte Wahrheit!"

[GEJ.08_134,07] Hierauf erzählten alle ganz offen, was sie gesehen und gehört hatten, und beschworen ihre Erzählung als ungeheuchelt wahr.

[GEJ.08_134,08] Als der Hauptmann die Erzählungen vernommen hatte und dabei die vollste Überzeugung gewann, daß das Gesehene und Gehörte seine vollwahrste Realität hatte, da sagte er zu Raphael: „Siehe, du junger Riese, das ist für mich nun mehr als tausend der weisesten Reden und Lehren und Wundertaten der noch so außerordentlichen und seltenen Menschen, die ihre Nebenmenschen nur so lange zur Verwunderung hinreißen mit Worten und Taten, als sie selbst unter ihnen leben, aber als von dieser Welt Abgeschiedene dann für immer erlöschen und verstummen! Den hinterbliebenen Menschen bleibt aber dann nichts anderes zu tun, als blind und ohne alle weitere Überzeugung aufs Geratewohl zu glauben, daß es am Ende vielleicht doch so sein könnte, wie die lange verstorbenen Weisen die Menschen gelehrt haben!

[GEJ.08_134,09] Jetzt aber glaube ich nicht nur an ein ewiges Fortleben der Menschenseelen nach des Leibes Tode, sondern ich selbst bin faktisch davon vollkommen überzeugt und kann es darum auch gar vielen andern Menschen verkünden, daß der alte Glaube an einen allein wahren Gott und an das ewige Fortleben der Seele nach dem Leibestode eine völlig hellst aus mehrfacher untrüglicher Erfahrung erwiesene Wahrheit ist, von der sich ein jeder Mensch, wenn er treu nach dem Worte und geoffenbarten Willen des nur einen, ewig wahren Gottes lebt, selbst überzeugen kann.

[GEJ.08_134,10] Ah, nun hat aber auch für mich ein jedes Wort, das ich aus dem wahrst heiligen Munde des Meisters der Meister vernommen habe, erst den wahren und allerlebendigsten Wert, und ich werde mich bestreben, diese Lehre nicht nur an mir selbst durch Taten zu realisieren, sondern auch Tausende auf diesen Weg zu bringen und zu setzen!

[GEJ.08_134,11] Es wäre freilich wohl auch gut, so ich selbst im Notfalle die Macht und Kraft besäße, auch andere Menschen auf die nun von uns erlebte Art und Weise zu überzeugen, daß ich die volle Wahrheit rede; doch es bedarf dessen vorderhand weniger, da ein jeder Mensch, der mich nur ein wenig näher kennt, es nur zu gut weiß, daß das, was ich sage, eine wohl erwiesene Wahrheit sein muß, da ich mich noch niemals durch bloße Worte habe zufriedenstellen lassen.

[GEJ.08_134,12] Das wäre sonach nun vollends gut und abgemacht, aber da ich hier schon einmal meinen Traum erzählt habe, so möchte ich denn nun auch von dir, du junger, weiser Riese, über so manches in selbem vorkommende Sonderbare eine kleine Beleuchtung erhalten. Denn daß er sicher sehr viel Geistiges in sich enthält, das ist gar nicht zu bezweifeln! Aber wie hängt er mit dem erst nach einem halben Jahre erfolgten Materiellen zusammen? Was war das im Traume gesehene Athen, und was war der Bruder, und woher nahm er die Worte, die er, sich als ein Objekt außer sich befindend, zu mir gesprochen hat? Denn des Bruders irgend freigewordene Seele konnte er nicht sein, weil der Bruder durchaus nichts davon wußte."

 

135. Kapitel Raphaels Rede über das Wesen des Traumes

[GEJ.08_135,01] Sagte nun Raphael: „Zwischen deinem gehabten Traum und dem, was du nun geschaut hast, ist freilich ein ganz bedeutender Unterschied, aber dessenungeachtet war dein Traum doch auch geistiger Art, wie das ein jeder Traum mehr oder weniger ist. Aber er ist darum kein völlig klares geistiges Schauen, weil in solch einem Traume die Seele nicht also in der vollen Verbindung mit dem Geiste in ihr sich befindet, wie es nun bei dieser Erscheinung der Fall war.

[GEJ.08_135,02] Siehe, in der Seele gibt es drei sehr unterscheidbare Schau- und Wahrnehmungsgrade! Der erste ist, selbst im Traume der materiellen Naturmenschen, bei denen der innere Geist noch so untätig ruht wie der Pflanzengeist im Keimhülschen eines Samenkornes, nur ein pur naturmäßiger.

[GEJ.08_135,03] Die Seele trägt als eine Welt im Kleinen alles in sich, was die Erde im großen Maße in und über sich enthält und faßt.

[GEJ.08_135,04] So des Leibes Sinne im Schlafe wie tot und untätig ruhen, da beschaut die Seele, die nicht schlafen und tot werden kann, ein und das andere aus den materiellen Gebilden in sich, belebt sie auf Momente und erheitert sich, so sie auf etwas Schönes und Angenehmes geraten ist; ist sie aber auf etwas Arges und Unschönes geraten, da wird sie auch im Traume ängstlich und müht sich ab, der sie molestierenden (bedrängenden) Erscheinung durch den vollen Rücktritt in ihres Leibes Fleisch los zu werden.

[GEJ.08_135,05] Was eine Seele in solchem ersten Schaugrade in einem Traum ersieht, hat dann freilich keine objektive, sondern nur eine leidende, subjektive und verbandlose Realität; denn sie beschaut da nur in der materiellen Weise ihr eigenes Weltkonglomerat und ist dabei zum Teil tätig und zum Teil leidend.

[GEJ.08_135,06] Aber in einem Traume, wie du ihn gehabt hast, befindet sich eine Seele in der Übergangsstufe von dem ersten Sehgrade in den zweiten und höheren. In diesem Falle ist die Seele von ihrem pur Materiellen schon mehr isoliert, tritt gewisserart aus ihrem Fleische, setzt sich durch ihren Außenlebensäther mit der Außenwelt in eine volle Verbindung und sieht und fühlt da Fernes und Wahreres aus den auf sie einwirkenden Lebens- und Sachverhältnissen auf der Erde.

[GEJ.08_135,07] Aber weil dieser Schaugrad der Seele schon ein höherer ist, so geschieht es sehr oft, daß die Seele, so sie beim Erwachen wieder in den Leib zurücktritt, von dem in diesem höheren Schaugrade Gesehenen und Vernommenen nichts mehr weiß, weil davon im Gehirne gewisserart keine Abzeichnung hatte genommen werden können, aus der dann im leiblichen Wachsein die Seele hätte ersehen können, was sie in ihrem freieren Lebenszustande gesehen und getan hat.

[GEJ.08_135,08] Doch manche Menschen, wie auch du einer bist, haben die Fähigkeit, auch das in dem höheren Schaugrade Gesehene und Vernommene aus dem Traume oder freierem Seh- und Handelnszustande der Seele ins Fleischgehirn zu zeichnen; und so die Seele sich dann wieder in den Leib zurückzieht und auch leiblich erwacht, so ersieht sie da im Gehirne alles, was sie in ihrem freieren und höheren Schaugrade gesehen, getan und vernommen hat.

[GEJ.08_135,09] Und so hatte dein Bruder in derselben Nacht wohl auch das gleiche Traumgesicht, wie du es gehabt hast, aber seine Seele hatte nicht die Fähigkeit, das in ihrem höheren Schaugrade Gesehene und Vernommene ins Fleischgehirn zu zeichnen, und so konnte sie sich an dasselbe auch nicht auch nur ahnungsweise erinnern. Du hast demnach deines Bruders Seele völlig wahr gesehen und gesprochen.

[GEJ.08_135,10] Daß aber deine und auch deines Bruders Seele im Traume das schon um ein halbes Jahr früher getan haben, das liegt in der sehr feinen Fühlbarkeit der freieren Seele, die aus den in ihr zugrunde liegenden Bedürfnissen und deren folgerechten Tat- und Sachverhältnissen sich in ihrem freien Zustande das schon vergegenwärtigt, was der Erdzeit nach erst um vieles später geschieht. Es hat aber eine jede Seele auch im leiblich wachen Zustande das Vermögen, sich für die Zukunft Pläne zu machen und dieselben sich als schon vollendete Werke vorzustellen; aber weil der Seele in ihrem Fleische das reinere und bestimmtere Sehen und Fühlen aller zur Ausführung eines gefaßten Planes nötigen Bedingungen und Verhältnisse offenbar mangelt, so wird an den vorgefaßten Plänen auch noch gar manches geändert, sowohl in der Form und Zweckdienlichkeit, als auch in der Zeit, in der die Seele nach ihrem vorgenommenen Plane das Werk schon in seiner vollsten Vollendung betrachtete.

[GEJ.08_135,11] Könnte aber eine Seele auch im leibwachen Zustande ebenso klar alles übersehen, wie sie das in ihrem freieren Schau- und Fühlzustande vermag, da würde an dem einmal gefaßten Plane auch nichts mehr geändert werden, und er würde auch in der völlig genau bestimmten Zeit als ein vollendetes Werk dastehen; denn eine frei sehende und frei fühlende Seele durchschaut schnell alle Verhältnisse, Bedingungen und die möglichen Hindernisse, wie auch zugleich die besten und sicheren Mittel, durch welche die Hindernisse sicherst zu beseitigen sind, und so muß ja das, was sie sich vorgenommen hatte, auch in der bestimmten Zeit geschehen.

[GEJ.08_135,12] Und siehe, darin liegt denn auch die Vorhersehungsfähigkeit einer freieren und reineren Seele nicht nur für das, was sie zunächst angeht, sondern auch für das, was außer ihr irgend in der Welt geschehen, werden und vor sich gehen wird, weil sich eine solche rein-, fein- und fernsehende und -fühlende Seele den Verband aller für die kommenden Ereignisse schon lange vorhanden seienden Verhältnisse, Bedingungen und Ursachen mit ihren bestimmten Wirkungen unverhüllt und also auch wie plastisch vollendet vorstellen kann, was bei einer unfreien und noch sehr materiellen Seele unmöglich der Fall sein kann. Da hast du nun ganz natürlich klar dargestellt, in welch einem Zustande sich deine und deines Bruders Seele in deinem Traume befand, und wie und warum!

[GEJ.08_135,13] Aber solch ein Zustand ist noch nicht der volle zweite Hellsehungsgrad der Seele, weil der Geist in ihr da noch nicht in einem höheren Verbande sich befindet, sondern nur also, wie allenfalls der Pflanzengeist im Samenkeimhülschen, wenn das Samenkorn ein paar Tage lang in der fruchtbaren Erde liegt, das Hülschen zu zersprengen beginnt und seine Tätigkeit zu äußern anfängt."

 

136. Kapitel  Die höheren Grade des Hellsehens

[GEJ.08_136,01] (Raphael:) „Der volle zweite und wohlunterscheidbare höhere Schau- und Fühlgrad der Seele tritt im Leibesleben wie auch im Traume dann ein, wenn der Geist in der Seele also tätig zu werden anfängt wie der Pflanzengeist im Samenkorne, so er aus der eigentlichen Seele, die im Fleische des Kornes ruht, die Wurzeln in die Erde und die Keimblättchen übers Erdreich zu bilden und zu ziehen begonnen hat. Die Seele fängt da an, sich zu einer wahren Form zu entfalten und dringt einesteils in sich, gleich wie der werdenden Pflanze Wurzeln in die Erde dringen und aus der Gotteskraft in derselben die rechte Nahrung einzusaugen beginnen, während andernteils die Pflanze selbst aber, also von innen aus genährt, sich als das eigentliche und wahre Formwesen der Seele infolge der inneren Nahrung aus der reinen, wahren und lebendigen Gotteskraft in die Sphäre des Lichtes erhebt und zur endlichen Vollendung höher und ausgebildeter emporwächst.

[GEJ.08_136,02] Alles das aber geschieht durch die stets steigende Tätigkeit des Geistes in der Seele, der sich eben dadurch mit der Seele stets mehr eint. In diesem Zustande der Seele ist ihr Schauen und Fühlen kein dumpfes Ahnen mehr, sondern schon ein helles und klares Bewußtwerden aller Lebensverhältnisse, und wie dieselben sich zum eigenen Leben verhalten.

[GEJ.08_136,03] Der Mensch erkennt in diesem zweiten und höheren Schaugrade sich und auch Gott und kann da auch die Geister oder respektive Seelen der sowohl schon verstorbenen, als auch der noch im Fleische lebenden Menschen schauen und auch beurteilen, wie sie beschaffen sind. Solch eines Menschen Traumgesichte werden denn auch keine materiellen und unreellen, sondern geistig, rein, wahr und somit reell sein, und es wird da wenig Unterschied mehr zwischen dem Hellsehen im wachen Zustande oder im leiblich schlafenden Traumzustande eines Menschen sein.

[GEJ.08_136,04] Und siehe, in einen solchen Zustand habe ich euch denn ehedem durch meine mir innewohnende Kraft auch versetzt, und eure Seele konnte da denn auch ungehindert die Seelen schon lange auf der Erde verstorbener Menschen sehen und auch sprechen. Aber ihr konntet in solchem zweithöheren Schaugrade nur solche Geister sehen und sprechen, die sich mit euch auf einer gleichen Stufe befanden, bis auf den Johannes, der seiner Jünger wegen sich aus den Himmeln in die beschriebene zweite Seh- und Fühlsphäre herab aus eigener Macht versetzte, ansonst ihr ihn als einen höchst vollendeten Geist nicht hättet ersehen und sprechen können.

[GEJ.08_136,05] Daß euch aber das Gesehene in der vollen und klaren Erinnerung geblieben ist, das bewirkte auch ich durch die Zulassung des Herrn; denn es ward das von euch Gesehene und Vernommene sogleich in euer Fleischgehirn und auch in euer Herz und in eure Nieren gezeichnet. Ohne dieses hättet ihr von all dem Gesehenen und Vernommenen ebensowenig etwas herüber ins erdwache Leben gebracht, als die Seele deines Bruders, mit der du nach deiner Traumerzählung in Athen zusammengekommen bist, von dem etwas mitgebracht hat ins leibwache Leben, was sie träumend mit dir in Athen verhandelt hatte.

[GEJ.08_136,06] Es gibt gewisse fromme Menschen, die beinahe täglich zur Stärkung der Seele im Leibesschlafe in der Geisterwelt leben und handeln. Wenn sie aber wieder leibeswach werden, so wissen sie nichts davon; nur ein gewisses tröstlich- stärkendes Gefühl gewahren sie in sich, und es kommt manchem vor, als hätte er angenehme Dinge gehört und gesehen.

[GEJ.08_136,07] Nur solche Menschen, die sich gleich den Propheten schon im Übergange in den dritten und somit höchsten und hellsten Schau- und Gefühlsgrad befinden, weil ihr Geist sich schon völliger mit der Seele zu einen angefangen hat, bringen das in der auch schon höheren Geisterwelt Geschaute und Vernommene in den leibeswachen Zustand zurück und können es ihren Nebenmenschen wieder verkünden. In solch einem Zustande befanden sich die meisten kleinen Propheten.

[GEJ.08_136,08] Betrachte du aber nun zum Beispiel einen Weizenhalm, wie er sich bis dahin entfaltet, wo auf seinem höchsten Wachstumspunkte die Fruchtähre sich zu zeigen und zu entfalten beginnt! Siehe, dasselbe geschieht beim Menschen, wenn die Seele anfängt, völlig in ihren Geist überzugehen.

[GEJ.08_136,09] Durch das Handeln im zweiten Hellschaugrade hat nur der Geist die immer noch zum halben Teile materielle Seele zu bearbeiten angefangen und breitete sich in ihr immer mehr aus, und das so lange fort, bis von ihm die ganze Seele erfüllt und geistig belebt wurde.

[GEJ.08_136,10] In diesem dritten Stadium aber fängt die Seele an, durch die Liebe des Geistes ganz entzündet, in den Geist überzugehen und alle ihre immer noch mit der Materie verwandte Substanz in die rein geistige Essenz umzugestalten, und da wird die wahre Fruchtähre fürs freie, ewige Leben gebildet.

[GEJ.08_136,11] In diesem Zustande wird ein Mensch denn ganz ins Licht gehoben, fängt an, vom selben ernährt zu werden, und je mehr Nahrung er vom selben erhält, desto weniger nimmt er als stets mehr und mehr vergeistigte Seele Nahrung von der seelisch-materiell substantiellen Sphäre an. Die Lebensähre blüht, einigt sich dadurch mit dem Geiste der Liebe, und das erzeugt dann das Lebenskorn, das anfänglich mit der Milch aus den Himmeln genährt wird, in kurzer Zeit aber mit stets helleren und ewig festen und unwandelbaren Wahrheiten.

[GEJ.08_136,12] Und sieh! Da wird das Lebenskorn reif, und das Leben der Seele, das im zweiten Schaugrade als gewisserart vereint mit dem Geiste den Kornhalm bildet, befindet sich nun im vollreifen Lebenskorne, darum denn der früher so emsig gebildete Halm welk wird, völlig abstirbt und sich vom Lebenskorne abscheidet und mit dem Korne keine Gemeinschaft mehr hat!

[GEJ.08_136,13] Siehe, das ist denn auch dann der dritte und höchste Schau- und Lebensgrad der Seele! In diesem Zustande sieht und vernimmt dann die Seele alles, was in der ganzen Schöpfung ist und irgend besteht. Sie sieht den Himmel offen und kann mit aller Geisterwelt in den lichtesten und lebendigsten Verkehr treten. Was solch eine Seele dann sieht, vernimmt und fühlt, das kann nimmer aus ihrer hellsten Erinnerung entschwinden; denn ihr hellster Schau- und Fühlkreis ist ein allumfassender, ewig bleibender und alles durchdringender.

[GEJ.08_136,14] In solch einem Zustande befanden sich die großen Propheten, und in solch einem Zustande befinden sich auch alle vollendeten Geister der Himmel, und ich selbst befinde mich auch in einem solchen Zustande, ansonst ich dir ihn nicht hätte beschreiben können, – denn niemand kann jemand anderem etwas geben, was er selbst nicht hat, was du wohl einsehen wirst."