Wahre Liebe

 

Weisheit und Liebe sind eins. Beide sind einander Bedingung und Folge zugleich. Liebe macht weise und Weisheit macht liebend.

 

Dem Liebenden erschließt sich die Seele des Geliebten, sie wird ihm offenbar. Er erschaut ihre Geheimnisse, er wird wissend durch die Liebe. Wer Weisheit hat, erschaut die Zusammenhänge und ergründet die Tiefen. Er weiß um das Einende in allen Wesen und sieht das Erhabene auch im Geringsten und das Ewige in jedem Wechsel. Er muß anbeten, er muß lieben.

 

Liebe und Weisheit - zwei Tore zu Gott. Durch welches man

auch eingeht, man gelangt zu jenem Allgefühl, das beide, Liebe wie Weisheit, zu gleichen Teilen in sich schließt.

 

 

 

Hände, welche geben wollen,

L werden niemals leer.

Hände, welche heilen sollen,

sind von Segen schwer.

 

Herzen, die in Mitleid schlagen,

finden stets ein Wort,

brauchen gar nicht lang zu fragen,

nehmen Leid mit fort.

 

Lieben nur heißt wirklich leben,

schenket ändern Glück.

Wollet lieben, wollet geben -

Glück kommt euch zurück ...

 

 

Du in den Himmel erhobene Liebe auf Erden

weißt aus Begrenztheit zur seligen Allheit zu werden,

die der Verwandlung verliehenen Kräfte zu schenken,

tatlos die Taten der Liebe zu wirken im Denken,

waffenlos siegend und wortlos ihr Wissen verbreitend,

unversehrt staubige Straßen wie Gärten durchschreitend.

 

 

Liebe ist immer dieselbe,

'durch wessen Mund sie auch spricht,

durch wessen Hand sie dich segnet.

Wo immer sie dir begegnet,

erkenn deines Gottes Gesicht.

Die Liebe ist immer dieselbe.

 

 

Die Wunder wissen ihren Weg zu finden

Dienst der Liebenden. Sie überwinden

die Schranken, um sie tiefer zu verbinden.

Der Liebe ist kein Halt gesetzt,

durch sie wird kein Gebot verletzt,

mit dem der Mensch die eigne Macht beschränkte.

Sie ist die nie durch Grenzen eingeengte,

in ihr ist Gott der Geber und Beschenkte.

 

 

Aus den siebenfachen Sonnenkreisen

strömen Kräfte, welche Welten speisen,

strömt das siebenfach gebrochne Licht.

 

Findet euch in tiefer Erdverirrung,

weckt euch auf aus eurer Weltverwirrung,

die in euren Herzen sich entflicht.

 

Aus der Vielheit zu der Einheit strebend,

hilfesuchend oder hilfegebend,

tastet ihr euch weiter Schicht um Schicht.

 

Alle Kinder Gottes haben Flügel,

alle tragen der Berufung Siegel

auf der Stirne. Doch sie wissen's nicht.

 

Du, mein Bruder, hast das Wort gefunden,

hast die tiefverborgne Kraft entbunden,

und dein Zauberwort, es ist so schlicht -

 

ist ein Wort nur, wie die Menschen meinen,

doch es kann die ganze Schöpfung einen,

wenn ein Mund es nur in Ehrfurcht spricht.

 

Liebe, die du wähltest, nimm entgegen.

Liebe, die dich führte, sei dein Segen.

Liebe werde dein Erkenntnis-Licht!

 

 

Urew'ge Liebe, Anfang und Vollendung,

Ursprung und Ziel! An jeder Wegeswendung

rückschauend halt ich Rast, um mich zu laben,

und auf den Spuren, die mein Fuß gegraben,

geht das Erinnern meinen Weg zurück ...

 

Und aus den Stapfen, die entgegenkommen,

steigt Bild um Bild. - Du hast sie mir genommen,

weil sich mein Herz, das allzu leicht verschenkte,

ans Bild verlor. Doch immer wieder drängte

mein hoffend Herz zu nie erfülltem Glück. -

 

Wie ein Verbannter zog ich einst die Straßen,

als ein Verkannter litt ich ohne Maßen.

Nur Halbheit ward mir, wo ich Ew'ges meinte,

bis sich mir Bild um Bild in Dir vereinte.

Von Deinem Glanz ist jedes nur ein Stück!

 

Urew'ge Liebe, Vater aller Wesen,

Dem Siegel steht auf jeder Stirn zu lesen,

Dein Glanz strahlt mir aus allen Augen wider,

Dein Segen strömt als Licht zur Erde nieder.

Eh ich Dich suchte, bis Du mir begegnet,

eh ich mich sehnte, hast Du mich gesegnet !

 

Sternenwege, Menschenwege. Jeder hat seine Bahn. Und alle haben das gleiche Ziel: Mittelpunkt zu werden, Sonnen zu sein und andere Sterne um sich zu sammeln durch die Kraft, die sie ausstrahlen. Sterne stehen manchmal in Konjunktion. Sie gehen eine Weile mitsammen und müssen sich wieder trennen, weil jeder Stern seine eigene Bahn zieht. Wer die Bahnen der Sterne zu wandeln gelernt hat, muß nun Mittelpunkt, Sonne, werden. Auch Sonnen haben ihre Bahn um eine noch höhere Sonne. Und doch wirken sie ruhend; allseitig haltend führen sie die kleineren Sterne.

- Und dies ist das Neue, das nun euer wartet: Anziehen und

Halt geben, tausende Strahlenarme ausstrecken.

 

Größer sind die Bahnen der Sonnen als die kleineren Bahnen der Sterne. Aus dem Äußeren in das Innere verlegen sollt ihr die Kraft; verwandeln sollt ihr, was in euch glüht und blüht und so reich werden, daß ihr nicht anders könnt als geben und nochmals geben und den Raum mit euerem Licht zu füllen. Nicht Gebenwollen ist das Höchste, sondern dieses freudige Aufstrahlen inneren Schenkenmüssens. Dieser Reichtum, diese Freudigkeit wurzelt im Glauben, im Vertrauen, daß alles zu einem guten Ende kommen wird, alles in Gottes weisen Händen ruht. Und endlich wächst dies aus der Liebe, die Glaube und Hoffnung in sich schließt...

 

Wahre Liebe aber ist sich selbst genug. Sie verschenkt sich an das, was sie liebt, und bleibt dennoch frei; sie gehört ihm an und ist doch unabhängig. Sie kann den anderen lieben, nicht weil, sondern obgleich er so ist. Denn es ist das Vorrecht wahrer Liebe, durch die hindernden Hüllen hindurch das echte Wesen, den im Werden befindlichen Geist zu erschauen, auf jeder Stufe, auf jedem Weg, den der Geliebte geht, an ihn und sein Ziel zu glauben.

 

Diese Liebe - und nur diese Liebe - führt uns auch zu Gott, dem Anfang und Ende aller Wege, aller Bahnen

 

 

 

Verwandelt und verwandelnd

in Deinem Auftrag handelnd,

in Deinem Lichte stehend,

mit Deinen Augen sehend

laß uns als Licht auf Erden

zu Deinem Sinnbild werden