DAS GROSSE EVANGELIUM JOHANNES
Band 1 (GEJ)
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre.
Durch das Innere Wort empfangen von Jakob Lorber.
Nach der Siebten Auflage.
157. Erklärung der Schöpfungsgeschichte Mosis, Kapitel l, Vers 1-5 (erster Tag). Entsprechung des naturmäßigen Geisteszustandes des Menschen mit der Natur. Geistige Nacht der Kindesseele. Der Verstand als geistiger bend. Das Licht aus Gott im Herzen ist der geistige Morgen.
157. Kapitel
[GEJ.01_157,01] (Der Herr:) „Heißt es nicht: ,Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, und die Erde war wüste und leer und Finsternis auf der Tiefe; Gottes Geist aber schwebte über den Wassern.
[GEJ.01_157,02] Und Gott sprach: ,Es werde Licht!‘, und es ward Licht. Gott sah, daß das Licht gut war; da schied Er das Licht von der Finsternis. Er nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.‘
[GEJ.01_157,03] Seht, das sind die Worte Mosis! Wollt ihr sie im naturmäßigen Sinne nehmen, so müßt ihr ja doch auf den ersten Blick den dicksten Unsinn sogleich ersehen, der da notwendig zum Vorschein kommen muß!
[GEJ.01_157,04] Was wohl ist der ,Himmel‘ und was die ,Erde‘, davon Moses spricht, daß dies alles im Anfang erschaffen worden sei? Der ,Himmel‘ ist das Geistige, und die ,Erde‘ das Naturmäßige im Menschen; dieses war und ist noch wüste und leer – wie bei euch. Die ,Wasser‘ sind eure schlechten Erkenntnisse in allen Dingen, über denen wohl auch der Gottesgeist schwebt, aber noch nicht in ihnen ist.
[GEJ.01_157,05] Da aber der Geist Gottes allzeit sieht, daß es in eurer materiellen Welttiefe ganz entsetzlich finster ist, so spricht Er zu euch, wie nun augenscheinlich: ,Es werde Licht!‘
[GEJ.01_157,06] Da fängt es in eurer Natur zu dämmern an, und Gott sieht es wohl, wie gut für eure Finsternis das Licht ist; aber nur ihr selbst könnt und wollt es nicht einsehen. Deshalb aber geschieht denn auch eine Teilung in euch, nämlich Tag und Nacht werden geschieden, und ihr erkennet dann aus dem Tage in euch die frühere Nacht eures Herzens.
[GEJ.01_157,07] Bei dem Menschen ist sein erstes Natursein tiefer Abend, also Nacht. Da aber Gott ihm gibt ein Licht, so ist solch ein Licht dem Menschen ein rechtes Morgenrot, und es wird also aus des Menschen Abend und Morgenrot wahrlich sein erster Lebenstag.
[GEJ.01_157,08] Denn sehet, wenn Moses, der doch in alle Wissenschaften der Ägypter eingeweiht war, die Entstehung des ersten Naturtages der Erde in seiner Schrift hätte anzeigen wollen, so dürfte er bei aller seiner Wissenschaft und Weisheit doch gemerkt haben, daß aus dem Abend und Morgen nie ein Tag hervorgehen kann; denn dem Abend folgt natürlich doch allzeit die feste Nacht, und dem Morgen erst der Tag.
[GEJ.01_157,09] Was sonach zwischen Abend und Morgen liegt, ist Nacht; nur was zwischen Morgen und Abend liegt, ist Tag!
[GEJ.01_157,10] Hätte Moses gesagt: ,Und also ward aus Morgen und Abend der erste Tag!‘, so könntet ihr darunter wohl den natürlichen Tag verstehen; aber so sagte er aus gutem Entsprechungsgrunde gerade umgekehrt, und das bedeutet den Abend und zugleich die Nacht des Menschen, was doch leicht zu begreifen ist, indem noch nie jemand ein in aller Weisheit sich befindendes Kind gesehen hat.
[GEJ.01_157,11] So ein Kind zur Welt geboren wird, da ist es in dessen Seele vollkommen finster und somit Nacht. Das Kind aber wächst auf, bekommt dann allerlei Unterricht und wird dadurch stets mehr und mehr einsichtig in allerlei Dingen, und seht, das ist der Abend, das heißt, es fängt dann in der Seele an, so dämmerig zu werden, wie im Vergleiche es am Abende ist.
[GEJ.01_157,12] Ihr saget wohl, daß es auch am Morgen dämmere, und Moses hätte da ja sagen können: ,Und also wurde aus der Morgendämmerung und aus dem eigentlich schon hellen Morgen der erste Tag!‘
[GEJ.01_157,13] Ich sage dazu: Allerdings, so er den Menschen in geistiger Entsprechung einen barsten Unsinn hätte vorsagen wollen! Aber Moses wußte, daß nur der Abend dem irdischen Zustande des Menschen entspricht; er wußte es, daß es bei den Menschen mit der rein irdischen Verstandesbildung gerade also zugeht, wie mit dem stets schwächer werdenden Scheine des natürlichen Abends.
[GEJ.01_157,14] Je mehr die Menschen mit ihrem Verstande nach irdischen Dingen zu ringen anfangen, desto schwächer wird in ihrem Herzen das rein göttliche Licht der Liebe und des geistigen Lebens. Daher nannte denn Moses ein solches irdisches Licht des Menschen auch den Abend.
[GEJ.01_157,15] Nur wenn Gott durch Seine Barmherzigkeit dem Menschen ein Lebenslichtlein im Herzen anzündet, dann fängt der Mensch erst an, einzusehen die Nichtigkeit alles dessen, was er zuvor mit seinem Verstande, dem geistigen Abend, sich angeeignet hatte, und er sieht es dann auch nach und nach stets mehr ein, daß alle die Schätze des Abendlichtes ebenso vergänglich sind wie dies Licht.
[GEJ.01_157,16] Das rechte Licht von Gott aber, im Herzen des Menschen angezündet, ist eben der Morgen, der mit und aus dem vorhergegangenen Abend den ersten wahren Tag im Menschen bedingt.
[GEJ.01_157,17] Aus dieser Meiner nunmaligen Erklärung aber müsset ihr nun auch einsehen, daß es einen sehr gewaltigen Unterschied zwischen den beiden Lichtern, oder besser Erkenntnissen, geben muß; denn alles Erkennen im Abendlichte der Welt ist trügerisch und daher auch vergänglich. Nur die Wahrheit dauert ewig; aber der Trug muß endlich zunichte werden."
158. Erklärung der Schöpfungsgeschichte Mosis, Kapitel l, Vers 6-10 (zweiter Tag). Von der Feste zwischen den beiden Lichtern, dem wahren lebendigen Glauben. Der andere Tag. Glauben aus Wissen oder Wissen aus Glauben? Weiterer Hinweis, dass die mosaischen Schöpfungsbilder nur geistigen Sinn haben. Vom Erdreich der Liebe.
158. Kapitel
[GEJ.01_158,01] (Der Herr:) „Es könnte aber sehr leicht geschehen, daß das Gotteslicht im Menschenherzen sich ergösse ins Abendlicht und alsdann verzehrt oder zum wenigsten also vermengt würde, daß man am Ende nicht mehr wüßte, was da Naturlicht und was da Gotteslicht sei im Menschen.
[GEJ.01_158,02] Da machte Gott eine Feste zwischen den beiden Wassern, die da besagen die beiderlei Erkenntnisse, von denen Ich nun einen genügenden Aufschluß gegeben habe, und teilte also die beiden Wasser.
[GEJ.01_158,03] Die Feste aber ist der eigentliche Himmel im Menschenherzen und spricht sich aus im wahren lebendigen Glauben, aber ewig nie in einer leeren und nichtigen Verstandesgrübelei.
[GEJ.01_158,04] Aus solchem Grunde nenne Ich auch nun den, der da hat den mächtigsten und ungezweifeltsten Glauben, einen Fels und stelle ihn als eine neue Feste zwischen Himmel und Hölle, und diese Feste wird keine finstere Macht der Hölle ewig nimmer überwältigen können.
[GEJ.01_158,05] Wenn im Menschen solche Feste gestellt und der Glaube mächtiger und mächtiger wird, so wird dann aus solchem Glauben das Nichtige der Sache des Naturverstandes stets klarer und klarer ersichtlich. Der Naturverstand begibt sich dann unter die Herrschaft des Glaubens, und es entsteht also im Menschen aus seinem Abend und seinem stets helleren Morgen der andere und schon bei weitem hellere Tag.
[GEJ.01_158,06] In solchem zweiten Tages-Zustande sieht nun der Mensch schon das, was allein als vollends Wahres sich für ewig bewähren muß; aber es ist in ihm noch immer keine rechte Ordnung. Da vermengt der Mensch noch gleichfort das Naturmäßige mit dem rein Geistigen, vergeistigt oft die Natur zu sehr und erschaut dadurch auch im Geiste Materielles und ist darum auch noch für keine rechte Tat entschieden da.
[GEJ.01_158,07] Er gleicht einer puren Wasserwelt, die wohl von allen Seiten mit lichtdurchflossener Luft umgeben ist, wobei er aber am Ende doch nicht darüber ins klare kommen kann, ob seine Wasserwelt aus der sie umgebenden Lichtluft, oder ob diese aus der Wasserwelt hervorgegangen ist, – das heißt, er weiß es in sich noch nicht klar genug, ob sich seine geistige Erkenntnis aus seinem Naturverstande, oder ob dieser aus der geheim im Menschen schon etwa daseienden und also auch im Anfange ganz geheim wirkenden geistigen Erkenntnis sich entwickelt hat, oder, um noch handgreiflicher zu reden, er weiß es nicht, geht der Glaube aus dem Wissen oder das Wissen aus dem Glauben hervor, und welch ein Unterschied da ist zwischen beiden.
[GEJ.01_158,08] Kurz, er weiß es da noch nicht, was eher da war, die Henne oder das Ei, oder ob der Same oder der Baum.
[GEJ.01_158,09] Da kommt dann wieder Gott und hilft dem Menschen weiter, so der Mensch für solchen zweiten Tag seiner geistigen Bildung aus der ihm verliehenen und somit eigenen Kraft genug getan hat. Und diese weitere Hilfe besteht darin, daß im Menschen das Licht vermehrt wird und es dadurch, gleich der Sonne im Frühling, nicht allein durchs erhöhte Leuchten, sondern durch die eben durchs erhöhte Leuchten bewirkte Wärme alle die ins Herz des Menschen gelegten Samen zu befruchten anfängt.
[GEJ.01_158,10] Solche Wärme aber heißt die Liebe und ist geistig zugleich das Erdreich, in welchem die Samen ihre Keime und Wurzeln zu treiben beginnen.
[GEJ.01_158,11] Und sehet, das ist es, was im Moses geschrieben steht, daß Gott befohlen hat den Wassern, daß sie sich sammeln sollen in gewisse, abgesonderte Örter und man dadurch das trockene und feste Erdreich ersehe, aus dem allein die Samen zur lebendigen und belebenden Frucht erwachsen können!
[GEJ.01_158,12] Und es heißt: ,Und Gott nannte das Trockene ,Erde‘ und das nun an bestimmte Örter versammelte Wasser ,Meer‘.‘
[GEJ.01_158,13] Frage: ,Für wen hat Gott das also benamset?‘ – Für Sich hätte Er es wahrlich nicht nötig gehabt; denn es wäre denn doch etwas zu lächerlich, der höchsten göttlichen Weisheit zumuten zu wollen, daß sie daran ein ganz besonderes Wohlgefallen hätte haben sollen, weil es ihr etwa wie einem Menschen gelungen sei, das Trockene ,Erde‘ und das in den bestimmten Örtern abgesonderte Wasser ,Meer‘ zu nennen.
[GEJ.01_158,14] Für jemand anders aber konnte Gott ja doch dem Trockenen und dem abgesonderten Wasser diese Namen sicher nicht geben, da außer Ihm zu solcher Schöpfungszeit doch noch kein Wesen da sein konnte, das Ihn verstanden hätte!
[GEJ.01_158,15] Solche Sage Mosis hat sonach unmöglich einen materiellen Sinn, sondern nur einen rein geistigen, und hat mit der einstigen Schöpfung der Welten nur in einem aus dem Geistigen nach rückwärts wirkenden Entsprechungssinne, das heißt vom Geistigen ins Materielle, eine Beziehung, – was wohl nur eines Engels Weisheit zu ergründen vermag. Aber geradeaus, wie es da steht, hat es nur einen rein geistigen Sinn und zeigt an, wie vorerst ein Mensch für sich, und also auch die ganze Menschheit, von Zeit zu Zeit und von Periode zu Periode gebildet wird, von ihrer ursprünglich notwendigen Naturmäßigkeit ins stets reinere Geistige hinüber.
[GEJ.01_158,16] Der Mensch wird demnach gesondert sogar in seinem naturmäßigen Teile. Die Erkenntnisse haben ihren Ort, das ist das Meer des Menschen, und die aus den Erkenntnissen hervorgegangene Liebe als ein Früchte zu tragen fähiges Erdreich wird stets von dem Meere als der Gesamtheit der Erkenntnisse rechten Lichtes umspült und zur stets reichlicheren Hervorbringung allerlei edelster Früchte neu gekräftigt."
159. Erklärung der Schöpfungsgeschichte Mosis, Kapitel l, Vers 11-13 (dritter Tag). Wirkung des Erkenntnissinnes im guten Erdreich des Herzens. Der geistige Mensch im natürlichen Menschen ist es, um den sich alles handelt. Des Pharisäers Anerkennung und halbe Zweifel. Von der Entsprechung der natürlichen Unterschiede des Sehvermögens mit den geistigen.
159. Kapitel
[GEJ.01_159,01] (Der Herr:) „Wenn sonach die Erkenntnisse des Menschen die Liebe von allen Seiten umgeben und von der Liebesfeuerflamme, der sie stets mehr und mehr Nahrung geben, heller und heller erleuchtet und erwärmt werden, so wird der Mensch in allem auch in gleichem Maße tatkräftiger und tatfähiger.
[GEJ.01_159,02] In solchem Zustande kommt dann wieder Gott zum Menschen, natürlich – wie sich von selbst versteht – im Geiste, und spricht als die ewige Liebe zur Liebe des Menschen im Herzen: ,Es lasse die Erde nun aufgehen allerlei Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume und Gesträuch aller Art, davon ein jegliches Frucht trage nach seiner Art und seinen eigenen Samen habe bei sich auf Erden!‘
[GEJ.01_159,03] Nach solchem Gebote von Gott im Herzen bekommt dann der Mensch einen festen Willen, Kraft und Mut und legt nun Hand ans Werk.
[GEJ.01_159,04] Und sehet! Seine rechten Erkenntnisse erheben sich als regenschwangere Wolken über das geordnete Meer, und ziehen über die trockene Erde, befeuchten und befruchten sie. Und die Erde fängt dann an zu grünen, bringt allerlei Gras und Kraut mit Samen und allerlei Fruchtbäume und Gesträuch mit Samen zum Vorschein, das heißt, was nun der rechte, mit himmlischer Weisheit durchleuchtete Verstand als vollends gut und wahr erkennt, das will und begehrt dann sogleich auch die Liebe im Herzen des Menschen.
[GEJ.01_159,05] Denn gleichwie der Same, so er in die Erde gelegt wird, bald aufgeht und eine vielfältige Frucht bringt, ebenso wirken die rechten Erkenntnisse, so sie ins lebensvolle Erdreich des Herzens gelegt werden.
[GEJ.01_159,06] Der Same wirket aber also, daß er die Lebenskraft, die sonst in der Erde schlummert, erweckt, und diese sammelt sich dann gleich mehr und mehr um das Samenkorn und bewirkt, daß sich dieses entfalte und zu einem fruchtreichen Gewächs werde. Kurz, die rechte Erkenntnis wird erst im Herzen zur Tat, und aus der Tat gehen dann allerlei Werke hervor; und diese sind das, was Moses in tiefer Weisheit sagt in seiner Genesis, und zwar im schon vorher wörtlich besprochenen 1. Kapitel, Vers 11 und 12.
[GEJ.01_159,07] Der frühere ursprüngliche Abend des Menschen, durch das Licht aus den Himmeln zur rechten Erkenntnis erhoben, wird so zur Tat, der die Werke folgen müssen; und das ist der dritte Tag in der Bildung des Herzens und des ganzen Menschen im Menschen, welcher da ist der geistige Mensch, um den allein sich alles handelt, dessentwegen Moses und alle andern Propheten von Gott in diese Welt gekommen sind, so wie nun Ich Selbst! Ich meine, diese Sache dürfte euch nun denn doch einleuchtend genug sein!?"
[GEJ.01_159,08] Sagt einer der Pharisäer: „Erhabener, weisester Freund und Meister! Ich für meine Person unterschreibe jedes Deiner uns allen gegebenen Worte, da sie völlig wahr sind und wahr sein müssen. Aber ziehe hin nach Jerusalem und erkläre die Genesis also im Tempel, und Du wirst gesteinigt samt Deinem ganzen Anhange, so Du Dich nicht schützest durch Deine evidenteste göttliche Macht! Kommst Du aber den Templern mit dieser Macht entgegen, dann sind sie aber auch gerichtet, und es dürfte da wenig Unterschied sein, so Du sie sogleich mit Blitz und Feuer vom Himmel vollkommenst zugrunde richten läßt!
[GEJ.01_159,09] Wie gesagt, so ist das sowieso eine höchst gewagte Sache. Und dazu geht es wohl mit solcher Deiner wahrlich allerweisesten und scharfsinnigsten Erklärung der drei ersten in der Genesis beschriebenen Schöpfungstage ganz gut an, und man kann da durchaus nicht ein Wörtlein des Widerspruches finden. Aber nun kommt der vierte Tag, an dem beschriebenermaßen Gott alleroffenbarst Sonne, Mond und all die Sterne erschuf! Wie magst Du das anders erklären? Sonne, Mond und Sterne sind einmal da, und kein Mensch weiß einen sonstigen Ursprung, wie all diese großen und kleinen Lichter am Firmamente entstanden sind, als wie man es in der Genesis liest.
[GEJ.01_159,10] Frage nun: Wo ist da der Schlüssel, wo die Entsprechung, durch die sich der vierte Tag allein auf den Menschen beziehen möchte?"
[GEJ.01_159,11] Sage Ich: „Mein Freund, hast du doch schon öfter vernommen und sogar selbst erfahren, daß es da gibt weitsichtige und kurzsichtige und endlich halb-, ganz- und stockblinde Menschen, der fleischlichen Sehe nach! Die Weitsichtigen sehen in der Ferne alles gut, aber in der Nähe sehen sie schlecht; die Kurzsichtigen sehen wieder in der Nähe gut, dafür aber in die Ferne schlecht; bei den Halbblinden ist es zur Hälfte Nacht und zur Hälfte Tag, das heißt, sie sehen die Gegenstände mit einem Auge wohl noch recht gut, weil aber das andere Auge blind ist, so versteht es sich von selbst, daß solche Seher alles nur im halben Lichte sehen können; die ganz Blinden sehen keinen Gegenstand mehr, weder bei Tag und ebensowenig bei der Nacht, nur haben sie bei Tag noch einen schwachen Schimmer, so daß sie den Tag von der Nacht sondern können; die Stockblinden aber haben keinen Schimmer und können den Tag von der Nacht nimmer unterscheiden.
[GEJ.01_159,12] Und sieh, wie aber die Menschen mit ihrer fleischlichen Sehe gar so unterschiedlich beschaffen sind, eben also und oft noch um vieles unterschiedlicher sind sie beschaffen in ihrer geistigen Sehe. Und du hast eben auch einen starken Gesichtsfehler, und zwar in deiner Seele bei weitem stärker denn in deiner fleischlichen Sehe. Ich sage es dir: du bist außerordentlich kurzsichtig in deiner Seele!"
160. Erklärung der Schöpfungsgeschichte Mosis, Kapitel l, Vers 14-19 (vierter Tag). Gerechte Kritik des Wortlautes. Es gibt nur ein e Feste: der Wille Gottes. Die Feste Mosis: der Himmel im Menschen. Wesen der Kindschaft Gottes als höchste Bestimmung des Menschen.
160. Kapitel
[GEJ.01_160,01] (Der Herr:) „Wie liest du denn in der Genesis? Steht es nicht also geschrieben:
[GEJ.01_160,02] ,Und Gott sprach: ,Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre, und seien zwei Lichter an der Feste des Himmels, daß sie scheinen auf Erden!‘ Und es geschah also. Und Gott machte zwei große Lichter, ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, und dazu auch Sterne. Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, daß sie schienen auf die Erde und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.‘
[GEJ.01_160,03] Sieh, also lautet wörtlich die Schöpfungsgeschichte des vierten Tages, durch die eigentlich nach der Genesis der vierte Tag bedingt wird.
[GEJ.01_160,04] Wenn du diese Sache nur ein wenig näher beleuchtest mit – sage – deinen bloß natürlichen Verstandeskräften, so muß dir ja auf den ersten Blick der dickste Unsinn in die Augen fallen, so du den Wortlaut der Genesis für deren Sinn hältst!
[GEJ.01_160,05] Schuf Gott laut der Genesis doch schon am ersten Tage das Licht, und es ward also aus dem Abend und Morgen der erste Tag. Sage, was war denn das für ein Licht dann, das für drei Tage wohl genügte, den Tag und die Nacht zu bewirken? Am vierten Tage aber spricht Gott wieder: ,Es werden Lichter am Himmel!‘ Frage: Was denn für Lichter, die den Tag und die Nacht scheiden sollen? Hat ja doch schon das am ersten Tage geschaffene Licht vorher drei Tage zuwege gebracht; warum nun am vierten Tage noch mehr Lichter für eine und dieselbe Verrichtung? Dazu ist nur von ,Lichtern‘ die Rede; aber von einem Monde und einer Sonne geschieht nicht die leiseste Erwähnung! Diese Lichter bewirken dazu auch noch Zeichen – was für Zeichen denn? –, endlich Zeiten – welche denn? –, und Tage und Jahre – was für Tage und Jahre denn? – Ist denn die Nacht nichts? Wird die Nacht nicht so gut wie der Tag gezählt?
[GEJ.01_160,06] Und dazu ist die Erde kugelrund und hat auf einer Seite stets gleich Tag und auf der andern Seite stets gleich Nacht. Je nachdem sich die Erde vom Abend bis gen Morgen hin dreht um ihre Achse, wird dort stets Tag sein, wo die Länder sich der Sonne gegenüber befinden oder vielmehr durch die beständige und immer gleichmäßige Drehbewegung der Erde gewisserart unter die Sonne geschoben werden.
[GEJ.01_160,07] Wenn aber unstreitig also der natürliche Tag auf der Erde durch ihre eigentümliche Bewegung zustande gebracht wird, wobei die Sonne nichts tut, als daß sie auf einem Flecke gleichfort leuchtet und durch ihr Licht alldort den Tag bewirkt, wo ihre Strahlen hindringen, und sogestaltig nicht und nimmer den Tag regieren kann und mag, – frage: Wie sollte da Moses unter seinen Lichtern die Sonne und den Mond gemeint haben? Und hätte Moses da die natürliche Sonne und den natürlichen Mond gemeint, so hätte er zur größeren Verdeutlichung seiner offenbarlichen Kundgabe an die Menschheit diese beiden Lichter am Himmel sicher benannt; denn zu Mosis Zeiten wußten schon alle Menschen diese beiden Gestirne zu benennen!
[GEJ.01_160,08] Dazu spricht Moses von einer Feste am Himmel, die eigentlich im natürlichen Raume nirgends besteht, indem Sonne, Mond und alle Sterne sowie diese Erde selbst im völlig freiesten, mit nichts und nirgends eingeschränkten Äther schweben und durch das in sie gelegte Gesetz in ihrem zweckdienlichen Stande erhalten werden, eine freie Bewegung haben und nirgends an irgend eine himmlische Feste angeheftet sind!
[GEJ.01_160,09] Denn es gibt nur eine Feste im endlosen und freiesten Raum, und diese ist der Wille Gottes, aus dem ein ewig unwandelbares Gesetz solchen Raum und alle Dinge in ihm erfüllt.
[GEJ.01_160,10] Wäre das, was sich eurem Auge als ein überweit gespanntes blaues Gewölbe zeigt, eine Feste, und Sonne, Mond und all die Sterne wären an dieselbe gleichsam angeheftet, wie könnten sie sich bewegen und besonders die euch bekannten Planeten in einem fort ihre Plätze verändern?
[GEJ.01_160,11] Die andern Sterne, die ihr die festen (d.h. Fixsterne) nennet, scheinen freilich also, als wären sie an irgendeine Feste angeheftet; aber es ist dem nicht also. Sie sind von der Erde nur so überweit entfernt und ihre Bahnen sind so weit gedehnt, daß sie solche oft kaum in mehreren Hunderttausenden von Erdjahren zurücklegen und aus solchem Grunde ihre Bewegungen auch selbst von hundert Menschenaltern gar nicht wahrgenommen werden können. Und das ist der Grund, darum sie euch als förmlich feststehend erscheinen; aber in der Wirklichkeit ist es anders, und es gibt nirgends eine sogenannte Feste im ganzen unendlichen Raume.
[GEJ.01_160,12] Die Feste, die Moses meint, ist der aus dem rechten Verständnisse und aus der Liebe, welche ist das gesegnete Erdreich des Lebens, hervorgehende feste Wille nach der göttlichen Ordnung. Weil solcher Wille aber nur aus der fruchtbringenden Fülle der wahren Gottesliebe im Menschenherzen, so wie diese selbst aus dem himmlischen Lichte, das Gott in den Menschen ausgoß, als Er dessen innere Finsternis teilte in Abend und Morgen, hervorgehen kann, so ist diese rechte Liebe und die rechte Einsicht und ein rechter Verstand, das alles sich im Menschen als ein lebendiger Glaube bekundet, der Himmel im Menschen, und der daraus hervorgegangene feste Wille in der Ordnung Gottes ist die Feste des Himmels im Menschen, und an solche Feste gibt Gott, so solche Feste vollends nach dem Liebewillen Gottes in der rechten Ordnung ist, neue Lichter aus dem Himmel der Himmel, welcher da ist die reine Vaterliebe im Herzen Gottes; und die Lichter beleuchten dann den Willen und erheben ihn zur Einsicht der Engel des Himmels der Himmel und erheben dadurch den geschaffenen Menschen zum ungeschaffenen, nun durch den eigenen freien Willen sich selbst in der göttlichen Ordnung neu umgestaltet habenden Kinde Gottes!"
161. Fortsetzung der Erklärung der Schöpfungsgeschichte Mosis. Vom natürlichen vergänglichen Menschen und vom eigentlichen ewigen Menschen. Die zwei großen Lichter oder vom Wesen des ewigen Geistes und vom Wesen der Seele. Was die Sterne bedeuten. Der vierte Schöpfungstag.
161. Kapitel
[GEJ.01_161,01] (Der Herr:) „Solange der Mensch Geschöpf ist, ist er zeitlich, vergänglich und kann nicht bestehen; denn ein jeder Mensch, wie er naturmäßig geschaffen ist, ist nichts als nur ein taugliches Gefäß, in dem sich erst ein rechter Mensch durch beständige göttliche Mitwirkung entwickeln kann.
[GEJ.01_161,02] Wenn das äußere Gefäß den hinreichenden Grad der Ausbildung gewonnen hat, wozu Gott das Gefäß mit allen nötigen Bestandteilen und Eigenschaften zur Übergenüge wohl eingerichtet hat, dann erweckt oder vielmehr entwickelt Er Seinen ungeschaffenen ewigen Geist im Menschenherzen, und dieser Geist ist nach dem Maße seiner Auswirkung das, was Moses unter den zwei großen Lichtern, die an die Feste des Himmels gestellt werden, versteht und verstanden haben will, wie es auch alle Patriarchen und Propheten also und nie anders verstanden haben. (= Urichgeist oder Liebegeist)
[GEJ.01_161,03] Dieses ewige, ungeschaffene, vollauf für ewig lebendige Licht an der Himmelsfeste im Menschen ist dann erst der vollwahre Dirigent des wahren Tages im Menschen und lehrt das frühere Gefäß, sich völlig in sein ewig ungeschaffenes Gottwesen umzugestalten und also den ganzen Menschen zu einem wahren Gotteskinde zu machen.
[GEJ.01_161,04] Ein jeder geschaffene Mensch aber hat eine lebendige Seele, die da auch wohl ein Geist ist und die notwendige Fähigkeit hat, Gutes und Wahres und Böses und Falsches zu erkennen, das Gute und Wahre sich anzueignen und das Böse und Falsche aus sich zu verbannen; aber sie ist dessenungeachtet kein ungeschaffener, sondern ein geschaffener Geist und kann als solcher für sich nie die Kindschaft Gottes erreichen. (Gleich Weisheits- oder Geburtsgeist))
[GEJ.01_161,05] Wenn sie aber nach dem ihr gegebenen Gesetze das Gute und Wahre angenommen hat in aller Demut und Bescheidenheit ihres Herzens und ihres ihr von Gott eingepflanzten freien Willens, dann ist solcher demütige, bescheidene und gehorsame Wille, um so recht handgreiflich zu reden, zu einer rechten Himmelsfeste geworden, weil er sich eben nach dem in die Seele des Menschen gelegten Himmlischen gebildet hat, und ist also ganz geeignet, das rein ungeschaffene Göttliche in sich aufzunehmen.
[GEJ.01_161,06] Das rein Göttliche, oder der ungeschaffene Geist Gottes, der nun für ewig an solche Himmelsfeste gestellt wird, ist das große Licht; die Seele des Menschen aber, die durch das große Licht denn auch zu einem nahezu gleich großen Lichte umgestaltet wird, ist das zweite, kleinere Licht, das aber nun gleich dem ungeschaffenen großen Lichte an dieselbe Himmelsfeste gestellt und vom ungeschaffenen Lichte zum mitungeschaffenen Licht umgestaltet wird, ohne an seiner naturmäßigen Beschaffenheit etwas zu verlieren, sondern in einem vollends geistig geläuterten Sinne unendlich vieles zu gewinnen. Denn die Seele des Menschen für sich könnte ewig nie Gott in Seinem reinsten Geistwesen erschauen, und umgekehrt könnte der reinste ungeschaffene Gottesgeist nie das Naturmäßige erschauen, da es für ihn keine materielle Naturmäßigkeit gibt. Aber in obbesagter voller Verbindung des reinsten Geistes mit der Seele kann nun die Seele durch den ihr zugekommenen neuen Geist Gott erschauen in Seinem urgeistigen reinsten Wesen, und der Geist durch die Seele das Naturmäßige.
[GEJ.01_161,07] Das ist es, was Moses sagt, daß das eine große Licht regiere den Tag und das kleine Licht die Nacht und bestimme die Zeichen, das ist: in aller Weisheit den Grund aller Erscheinlichkeit und aller geschaffenen Dinge, also auch bestimme die Zeiten, Tage und Jahre, was soviel sagen will als: in allen Erscheinungen erkennen die göttliche Weisheit, Liebe und Gnade.
[GEJ.01_161,08] Die Sterne aber, von denen Moses auch erwähnt, sind die zahllosen nützlichen Erkenntnisse in allen einzelnen Dingen, welche einzelnen Erkenntnisse natürlich aus der einen Haupterkenntnis kommen und daher an dieselbe Himmelsfeste wie die zwei Hauptlichter gestellt sind.
[GEJ.01_161,09] Und sehet, das ist endlich der vierte Schöpfungstag, von dem Moses in seiner Genesis Erwähnung macht, der aber leicht begreiflich, so wie die früheren drei, aus demselben Abend und Morgen des Menschen hervorgegangen ist."
162. Der fünfte und sechste Schöpfungstag Mosis. Die natürliche Entstehung der Erde und des Menschen. Warnung vor dem Vielwissen. Mahnung zum Suchen des Gottesreiches in sich.
162. Kapitel
[GEJ.01_162,01] (Der Herr:) „Auf daß ihr Mich dann aber in dieser Hinsicht nicht weiter fraget, welche Bewandtnis es dann sogestaltig mit dem fünften und sechsten Schöpfungstage habe, so sage Ich es euch in aller Kürze, daß die nachträgliche Erschaffung der gesamten Tierwelt und endlich des Menschen selbst nichts anderes bezeichnet als die volle Lebendigwerdung und sichere Realisierung alles dessen, was der Mensch in seinem naturmäßigen Teile in sich faßt.
[GEJ.01_162,02] Sein Meer und all sein Gewässer wird voll Lebens, und der Mensch erkennt und erschaut in seinem nun rein göttlichen, ungeschaffenen Lichte die zahllose und endlos mannigfache Fülle der schöpferischen Ideen und Formen und wird auf diese Art seiner rein göttlichen Abkunft inne. Und durch die erzählte Erschaffung des ersten Menschen wird dargestellt die vollendete Menschwerdung oder die Überkommung der vollkommenen Kindschaft Gottes.
[GEJ.01_162,03] Freilich fragst du nun ganz geheim bei dir im Herzen und sagst: ,Ja, ja, das ist wohl alles ganz gut, weise und herrlich, und niemand kann die vollste Wahrheit alles dessen in den geringsten Zweifel ziehen; aber wie ist dann diese Erde, die doch unmöglich von Ewigkeit also dasein kann, wie sie nun ist, entstanden? Wie ist sie mit Gräsern, Kräutern, Gesträuchen und Bäumen aller Art bewachsen worden? Wie entstanden all die Tiere, und wann?
[GEJ.01_162,04] Und wie wurde der Mensch ein Bürger dieser Erde? Wurde wirklich nur ein Menschenpaar, wie die Genesis anzeigt, geschaffen, oder wurde auf die Erde sogleich eine Menge Menschen von verschiedener Farbe, Gestalt und Charakter gesetzt?‘
[GEJ.01_162,05] Auf solche eben nicht zu tadelnde Fragen kann Ich dir nichts anderes sagen, als was Ich dir schon gesagt habe, nämlich: So dir die Weisheit der Engel eigen ist, dann wirst du aus dem rein Geistigen in rückgängiger Entsprechung ins Naturmäßige hinaus auch die ganze natürliche Schöpfung auf ein Haar aus dem finden, was Moses in seiner Genesis sagt, und wirst finden, daß die naturmäßige Schöpfung, freilich in sehr gedehnten Perioden, fast in derselben Ordnung aufeinanderfolgt, wie sie in der Genesis erzählt wird, und die Entstehung des ersten Menschenpaares nahe in dieselbe Zeit fällt und seine Probung und seine Fortpflanzung am Ende bis auf Weniges, in entsprechende Bilder Eingehülltes, gerade in der Ordnung also folgt, wie es im weiteren Verlaufe der Genesis erzählt und dargetan wird.
[GEJ.01_162,06] Aber wie gesagt, ohne die Weisheit der Engel magst du solches wohl nimmer finden, und besäßest du auch alle Weisheit der Weisen der ganzen Erde, die da auch über diesen Punkt schon die verschiedensten Ansichten und Meinungen gewechselt haben.
[GEJ.01_162,07] Es ist aber solche Wissenschaft auf dieser Welt auch für keinen Menschen von irgendeinem besonderen Nutzen, weil der Mensch durchs viele Wissen eigentlich in seinem Herzen selten oder gar nie um ein bedeutendes besser wird, wohl aber gar oft schlimmer. Denn der Vielwissende wird nicht selten stolz und hochmütig, schaut dann hochtrabend auf seine Brüder von seiner vermeinten unerreichbaren Höhe herab wie ein Geier auf die Sperlinge und anderes kleines Gevögel, als seien diese bloß da, damit er sie fange und ihr zartes Fleisch verzehre.
[GEJ.01_162,08] Suche du vor allem das Gottesreich in deinem Herzen und dessen Gerechtigkeit, um alles andere kümmere dich wenig; denn solches alles samt der Weisheit der Engel kann dir über Nacht gegeben werden. Ich meine nun, daß du Mich vollends verstanden hast!?"
163. Der Pharisäer Antwort an den Herrn auf Seine Erklärung der Schöpfungsgeschichte Mosis. Des Herrn Vorhersage vom Gericht über Jerusalem. Vom Schweigen über das Geistig-Geschaute und -Erfahrene.
163. Kapitel
[GEJ.01_163,01] Als der Pharisäer und dessen Genossen solche gedehnte Erklärung über die Genesis von Mir erhalten hatten, standen sie alle wie gelähmt vor Mir, und der Hauptpharisäer sagte nach einer Weile sichtlich starken Nachdenkens: „Herr! Meister aller Meister in allen Dingen! Ich und wir alle sehen nun, obschon nicht ohne großes Leidwesen, ein, daß Du in allen Dingen vollkommen recht hast, und daß alles, was Du redest, volle reine Wahrheit ist. Aber ich sagte nicht umsonst: Nicht ohne großes Leidwesen sehen wir das nun ein! Denn mit solcher für diese arge selbstsüchtigste Welt zu heilig hoher Weisheit wirst Du ohne ganz besondere Wunder völlig tauben Ohren predigen, und so Du Wunder wirken wirst, da wirst du blinde Zuseher haben und somit wenig ausrichten.
[GEJ.01_163,02] So der Mensch, um sich selbst erst zu einem rechten Menschen zu gestalten, vollkommen frei sein muß in seinem Wollen und Handeln, da magst Du predigen und Wunder wirken, wie Du willst, so wird sich doch aus hundert kaum einer wahrhaft daran kehren. Denn ist jemand vom Grunde aus schon zu dumm und hat keine wie immer geartete Bildung in irgendeinem den Menschen nötigen und ersprießlichen Fache, so kann er Deine Lehre unmöglich fassen. Hat er aber nur um einen Grad zu viel und daher gar leicht begründeten Verstandes, sei es in der Schrift oder in einer andern Wissenschaft und Kunst, und verbindet damit irgendeinen irdischen Vorteil, an dem etwa gar noch ein bedeutendes Ansehen der Person haftet, so magst Du den Vater Jehova unter Blitz und Donner für Dich reden lassen, und solche Menschen werden das tun, was unsere Vorfahren in der Wüste unter Moses getan haben, wo sie, während Moses auf Sinai unter Donner und Blitz mit Jehova redete und von Ihm die heiligen Gebote überkam, sich aus Gold ein Kalb gossen, dann um dasselbe in heidnischer Weise tanzten und es dadurch anbeteten!
[GEJ.01_163,03] Wüßte ich nicht, wie die Pharisäer, Schriftgelehrten und all die Priester und Leviten, besonders in Jerusalem, beschaffen sind, so würde ich mich kaum getrauen, solches zu Dir zu reden; aber ich kenne dieses Volk nur zu gut, habe mich aus dem Grunde vom Tempel auch so hübsch weit entfernt und besuche ihn auch nicht mehr.
[GEJ.01_163,04] Kehrst Du Dich etwa wieder einmal nach Jerusalem, so nimm ja eine große Portion Allmacht mit, sonst wirst Du gesteinigt als ein Gotteslästerer! Denn wer da nur um ein Haar klüger sein will als sogar ein gemeinster Feger der Tempelhallen, der wird sogleich als ein Ketzer und Gotteslästerer gescholten, und so er sich nicht mit einem tüchtigen Opfer bekehrt, steht ihm außerhalb der Stadtmauer auf der Fluchstätte ohne alle Gnade die Steinigung bevor!
[GEJ.01_163,05] Für Jerusalem, sage ich Dir, Du mein göttlichster Freund, gibt es nur eine Kur, und diese ist jene von Sodom und Gomorra! Sonst gibt es kein Heil mehr für diese Stadt und deren Bewohner!"
[GEJ.01_163,06] Sage Ich: „Freund! Was du Mir hier sagtest, wußte Ich schon lange! Ja, Ich sage es dir, das wird auch das Ende von Jerusalem sein! Aber zuvor muß in solcher Stadt noch alles das geschehen, was über sie von all den Propheten geweissagt worden ist, auf daß alle Schrift erfüllt und ihr Maß voll wird. Und ihr werdet von heute an nicht Siebzig zählen, und nicht ein Stein wird auf dem andern gelassen werden! Und so da jemand fragen wird und sagen: ,Wo stand denn der Tempel?‘, da wird sich niemand vorfinden, der dem Forscher Bescheid gibt!
[GEJ.01_163,07] In den Mauern dieser Stadt sind viele Propheten ermordet worden. Ich weiß von allen, ihr Blut schrie in die höchsten Himmel um Rache wider solche schändlichsten Frevler; aber das Maß, was dieser Stadt die Hölle gab, ist noch nicht völlig voll geworden, und sie wurde darum noch geschont. Nun aber ist ihr Maß in Kürze voll, und sie wird nimmer verschont werden!
[GEJ.01_163,08] Bevor wir aber nun diesen Berg verlassen, gebe ich euch allen ein streng zu beachtendes Gebot, und solches bestehe darin, daß da niemand aus euch allen von dem, was ihr auf diesem Berge gesehen habt, jemandem unten in der Tiefe eher davon etwas erzählet, als bis Ich euch dazu im Geiste ermächtigen werde. Wer solch Mein Gebot nicht beachten wird, soll mit augenblicklicher Stummheit gezüchtigt werden; denn das Volk in der Tiefe ist dazu noch lange nicht reif, und ihr selbst auch noch nicht zur Genüge.
[GEJ.01_163,09] Was Ich aber hier gelehrt habe, darüber besprechet euch mit euresgleichen also, als hättet ihr es nicht von Mir vernommen, sondern als wäre solches auf eurem höchst eigenen Grund und Boden gewachsen! Nur wenn eure Freunde gleichsam in solche eure Lehre lebendig eingegangen sein werden, sodann erst möget ihr es ihnen unter vier Augen sagen, von wem ihr solche Lehre empfangen habt, und welche Zeichen ihr vorangegangen sind!
[GEJ.01_163,10] Aber vergesset es dann nicht, den also Unterrichteten in Meinem Namen dasselbe Gebot und mit derselben Sanktion zu geben, die Ich euch allen nun hier gegeben habe!
[GEJ.01_163,11] Ihr werdet aber die kurze Zeit hindurch, die wir uns noch auf dieser Höhe aufhalten werden, noch manches Wunderbare erleben; denn Mich dürstet es darnach, euch in eurem Glauben so stark als möglich zu machen. Aber bei allem, was ihr noch sehen und hören dürfet, beachtet das soeben gegebene Gebot; denn bei Nichtbeachtung solches Gebotes würde jeden von euch auf ein Jahr die angedrohte Züchtigung treffen!"
Die Widersprüche in der Schöpfungsgeschichte
2. Band GEJ
214. Kapitel
[GEJ.02_214,01] (Cyrenius:) „Ich habe in meinem nun schon ziemlich lange andauernden Erdenleben oft und allezeit vergeblich nachgedacht, wie denn so ganz eigentlich und, sage, natürlich wahr die erste Menschheit dieser Erde zur Erkenntnis eines höchsten Geistwesens und zur Erkenntnis ihres eigenen seelisch-geistigen Teiles gelangt ist. Ich habe darüber die Bücher Ägyptens, die Schriften der Griechen und die Bücher eures Moses gelesen, auch ist mir einmal ein indisches Werk in die Hände geraten, das ich von einem Manne in Rom, der ein Indier war, mir habe vorlesen und verdolmetschen lassen; aber ich fand überall eine gewisse mystische Bildersprache, aus der kein kluger Mensch irgend noch klüger werden konnte, und somit auch ich um so weniger, weil ich mir in meiner Jugend schon immer eingebildet habe, daß alle anderen Menschen um vieles klüger denn ich selbst seien. Überall kommen logische Ungereimtheiten vor, die, wörtlich genommen, ein Unsinn sind.
[GEJ.02_214,02] So zum Beispiel heißt es in eurem Moses: ,Am Anfange schuf Gott Himmel und Erde, und die Erde war wüste und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Da sprach Gott: ,Es werde Licht!‘ Und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward denn aus Abend und Morgen der erste Tag.‘
[GEJ.02_214,03] Darauf wird in sehr kurzen Thesen die Scheidung des Wassers, das Trockenmachen des Erdreiches und das Erschaffen des Grases, der Gesträuche und Bäume berührt. Mit diesem Erschaffen vergehen drei Tage und somit auch Nächte. Weil Tage und Nächte aber schon von der Erschaffung des ersten Lichtes auf der finsteren Tiefe der Erde herrühren, so sehe ich nachher wahrlich nicht ein, warum Gott am vierten Tage abermals nötig hatte, noch zwei große Lichter zu erschaffen und sie an den Himmel zu setzen, von denen das größere Licht regiere den Tag und das andere, kleinere die Nacht.
[GEJ.02_214,04] Halten wir das nun mit der Natur der Erde zusammen und bedenken wir, was nach Deiner Erklärung die Sonne, der Mond und all die Sterne sind, so ist ja die ganze Schöpfungsgeschichte Mosis ein so kompletter Unsinn, wie es auf der lieben Erde sicher nirgends einen größeren gibt und geben kann! Wer kann daraus je klug werden? Wir wenigen wissen es, daß die Erde kein unendlicher Kreis, sondern nur eine sehr große Kugel ist, wie Du Selbst sie schon als ein zartes Kind in Ägypten mir, wie nun später uns vielen, sehr anschaulich und wahr gezeigt hast. Auf der Erde wird es eigentlich nie Nacht, weil ein Teil der Erde immer von der Sonne erleuchtet wird. Anderseits ist der Mond ein sehr unbeständiger Patron und kümmert sich ganz blutwenig um die Regierung der Nacht, höchstens einige Tage im Monat.
[GEJ.02_214,05] Also ist auch das ein Wahnsinn, zu sagen, daß aus Abend und Morgen ein Tag gemacht wird, während es doch jedermann aus der Erfahrung seines ganzen Lebens weiß, daß der Tag stets nur zwischen dem Morgen und dem Abende, nie aber zwischen dem Abende und dem Morgen zu stehen kommt; denn dem Abende folgt doch allzeit sicher die Nacht bis zum Morgen hin, und dem Morgen folgt der Tag bis zum Abende hin, und sonach liegt doch logisch richtig zwischen dem Morgen und Abend der Tag, und zwischen dem Abend und Morgen offenbar die Nacht.
[GEJ.02_214,06] Obschon das aber an und für sich zum Wahnsinn gerechnet werden muß, so ist aber doch noch die Diktion, daß Gott erst dann, als Er das Licht erschuf, eingesehen hatte, daß es gut war, eine Tollheit ohnegleichen! Denn Gottes höchste Weisheit muß doch schon von Ewigkeit her als selbst Licht alles Lichtes gesehen und gemerkt haben, daß das Licht gut war!?
[GEJ.02_214,07] In dem Buche der Indier steht vor der materiellen Schöpfung eine Schöpfung der reinen Geister, deren irgend später auch Moses erwähnt. Diese waren pur Licht, und namentlich habe der Erstgeschaffene Lichtträger geheißen.
[GEJ.02_214,08] Wenn denn Gott schon bei der Schöpfung der puren Lichtgeister doch offenbar den Wert des Lichtes hat erproben können, so Er etwa vorher von Ewigkeit in der tiefsten Finsternis geruht hatte – was Ihm übrigens gar nicht gleichsieht –, so ist es ja dennoch zum Tollwerden lächerlich, daß Gott nach der Schöpfung des Lichtes auf dieser Erde gewisserart von neuem erst wieder eingesehen habe, daß das Licht gut war!
[GEJ.02_214,09] Du siehst es Selbst, daß die ganze Schöpfungsgeschichte, wie sie von Moses gegeben wird, ein barster, ja sogar zum Tollwerden ärgerlicher Unsinn ist, so man die Sache nur einigermaßen natürlich nimmt; und es ist darum nicht sehr zu verwundern, daß eben die jüdischen Schriftgelehrten selbst solcher Lehre, die ein Unsinn ist, bei sich selbst keinen Funken Glauben schenken, sie aber dennoch des Volkes wegen aufrechterhalten und sich dafür recht gut bezahlen lassen. Das erkennen auch alle Großen Roms und belassen die Sache trotz des groben Unsinns, weil das blinde Volk dennoch darauf große Stücke hält und dabei im Lande sich so hübsch ruhig verhält.
[GEJ.02_214,10] Daß alle die Prinzipien, die von den Urlehrern an uns herübergekommen sind, nichts als leere Märchen und Fabeln – vom Naturstandpunkte aus betrachtet – sind, ist doch offenbar sonnenklar; denn daran kann naturgemäß auch keine halbe Silbe Wahrheit sein. Wenn aber unleugbar also, dann ergibt sich die große und gewichtigste Frage von selbst, und diese lautet, wie ich schon anfangs dieser meiner fraglichen Vorstellung berührt habe: Wie ist der Mensch auf dieser Erde geworden? Wie kam er zur Erkenntnis eines Gottes, und wie zur Erkenntnis seiner selbst, und wer lehrte ihn zuerst unterscheiden, was gut und was da böse ist? – Darüber, o Herr, gib uns noch ein Lichtlein, und wir sind geborgen!"
Die Entstehung des ersten Menschen
215. Kapitel
[GEJ.02_215,01] Sage Ich: „Liebster Freund, hierüber habe Ich dir eigentlich schon einen so ganz tüchtigen Wink gegeben damit, daß Ich dir die Wirkungen der Not der Menschen und Völker darstellte; daß aber übrigens die Schöpfungsgeschichte Mosis, wörtlich auf die Schöpfung der Naturwelt angewendet, ein alleroffenbarster Unsinn wäre, den ein nur einigermaßen mit dem Gange der Weltnatur vertrauter Mensch auf den ersten Blick als den barsten Unsinn erklären muß und dessentwegen den guten Moses als einen Dummkopf ersten Ranges darzustellen genötigt wäre, ist durchaus nicht in Abrede zu stellen.
[GEJ.02_215,02] Aber wer den weiteren Verlauf der Mosaischen Bücher nur einigermaßen schärfer ins Auge faßt als irgendeine Fabel des griechischen Dichters Äsop, der muß es ja doch bald merken, daß sich Moses in seiner Bildersprache bloß nur mit dem beschäftigt, was da die Urbildung der ersten Menschen der Erde betrifft, und somit keineswegs etwa nur die Schöpfungsgeschichte der Erde und des Himmels und all der Geschöpfe auf der Erde und in der Erde behandelt, sondern sich vor allem lediglich und nahezu allein nur mit der ersten Herzens- und Verstandesbildung der Menschen abgibt; darum er auch gleich das Menschlich- Historische daran bindet.
[GEJ.02_215,03] Die Geschichte aber konnte ja nur ein Produkt der intelligenten Bildung der Menschen und nie der stummen geschaffenen Natur sein, die sich völlig gleichgeblieben ist bis auf diese Zeit und auch also verbleiben wird bis ans Ende aller Zeiten.
[GEJ.02_215,04] Ebenso ist es auch mit den indischen Büchern der Fall, in denen von der Erschaffung der reinen Geister zuerst, dann von dem Falle eines Teiles derselben unter dem Titel ,Jehovas Kriege‘ und endlich erst von der Erschaffung der Sinnenwelt und der Tiere und am Ende von der des Menschen die Rede ist.
[GEJ.02_215,05] Alles das ist nur geistig zu nehmen und vor allem dahin zu erklären, was da betrifft die sittliche Bildung des Menschen.
[GEJ.02_215,06] Wer da aber dann, vom Geiste heraus geleitet, die Entsprechungen zwischen der Sinnen- und Geisterwelt wohl innehat, dem kann es dann freilich wohl auch möglich sein, daraus zu ersehen, wie so ganz eigentlich aus der Geisterwelt die Sinnenwelt hervorgegangen, wie und von woher die Sonnen und am Ende die Planeten und Nebenplaneten und auf all denselben allerlei Geschöpfe entstanden sind.
[GEJ.02_215,07] Aber das geht nicht gar so leicht; denn da heißt es: zuvor im Geiste völlig erweckt sein. Denn nur der urälteste Zeuge alles Werdens und Seins kann dir jene Labyrinthe vollends erhellen, hinter die noch bis jetzt kein sterbliches Auge gedrungen ist.
[GEJ.02_215,08] Daß aber über all das hinaus das Alter des Menschengeschlechtes in der Vollendung, wie es jetzt dasteht, dennoch mit den Rechnungen Mosis, auch der Materie und der Zeit nach, übereinstimmt, dessen kannst du völlig versichert sein.
[GEJ.02_215,09] Es gab zwar auf der Erde lange vor Adam auch eine Art mächtiger Tiere, die zwar nicht in der Gestalt, aber desto mehr in einer, wenngleich instinktmäßigen, aber dabei dennoch sehr scharfen Intelligenz dem Verstande des darauffolgenden Menschengeschlechtes glichen. Der heutige Elefant ist noch so eine, wennschon psychisch viel unvollkommenere Abart davon.
[GEJ.02_215,10] Diese großen Tiere haben auch schon die Erde bebaut und waren somit die Vorläufer der Menschen. Die Erde war vor dem Menschen von ihnen viele tausendmal tausend Jahre bevölkert.
[GEJ.02_215,11] Durch diese großen Tiere mußte erst der noch sehr harte Steinboden der Erde erweicht und für das Gedeihen edler Früchte und Tiere tauglich gemacht werden, bevor er endlich fähig war, die zarteste Natur des Menschen leiblich hervorzubringen nach dem Plane der ewigen göttlichen Ordnung, wie solcher in eine jede, damals zwar noch materiefreie, aber dennoch schon in der Luft der Erde lebende Naturseele gelegt war.
[GEJ.02_215,12] Als der Boden der Erde völlig reif war, da erst ward eine kräftigste Seele aus ihrer freien Luftnatur berufen, sich aus dem fettesten Lehmhumus einen Leib nach der Ordnung der in der Seele seienden Urform Gottes zu nehmen. Und die erste reifste und kräftigste Seele tat dies, wie sie von innen aus durch die göttliche Kraft getrieben ward, und es trat sogestaltig die erste Seele in einen von ihr aus wohlorganisierten frischen und kräftigen Leib und konnte nun völlig schauen alle Sinnenwelt und viele Geschöpfe, die schon alle vor ihr waren.
[GEJ.02_215,13] Aber das große Tiergeschlecht samt seiner Vorschöpfung verschwand zum größten Teile schon lange vorher von der Erde, als der erste Mensch mit seiner gottähnlichen Majestät die weite Erde begrüßte. Aber dessenungeachtet werden sich noch zu allen Zeiten Überreste von dieser Vorbewohnerschaft auf und in der Erde vorfinden; aber die Menschen werden nicht wissen, was sie daraus machen sollen.
[GEJ.02_215,14] Die Weisen aber werden nach und nach dennoch dadurch auf die Spur geführt werden, daß die Erde älter ist als die kurze Zeit der mosaischen Rechnung nur, und Moses wird dadurch auf eine Zeitlang sehr in Mißkredit gelangen. Aber da werden von Mir aus wieder andere Weise erweckt werden, durch die Moses erst in sein vollstes Licht gesetzt werden wird; und von da an wird es nimmer lange währen, daß das volle Reich Gottes auf der Erde Platz greifen und der Tod von der erneuten Erde für immerdar verschwinden wird. Aber es wird zuvor noch viel Ungemach über den Boden der Erde kommen.
[GEJ.02_215,15] Ja, der Boden der Erde wird zuvor noch vielfach durch das Blut und Fleisch der Menschen durchgedüngt werden müssen, und aus solch einem neuen geistigen Humus erst wird dann die auch leiblich unsterbliche Epoche für diese Erde beginnen, so wie zu Adams Zeiten die Epoche begonnen hatte, in der aus dem fetten Lehmhumus die Seele sich einen vollkommenen Leib in ihrer Gottform bilden konnte.
[GEJ.02_215,16] Aber die Menschen, die hier im Geiste schon völlig wiedergeboren worden sind in ihrem sterblichen Leibesleben, werden dann für immer über diese neue Epoche als reine Geister und Engel herrschen, und sie wird ganz ihrer Führung anvertraut werden. Hingegen Menschen dieser Zeit, die da keine geistige Vollendung erreicht haben, werden in dieser neuesten Epoche der Erde zwar wohl mit unsterblichen Leibern auf die Erde gesetzt werden, aber in großer Armseligkeit, und werden sich sehr auf das oft sehr harte Dienen verlegen müssen, was ihnen sehr bitter munden wird, weil sie sich ihres früheren sehr glücklichen Zustandes in ihren sterblichen Leibern nur zu klar erinnern werden. Diese Epoche wird dann sehr lange währen, bis endlich alles in ein rein geistiges Sein übergehen wird nach dem ewigen Plane Gottes. Und siehe, das ist der Gang der Ordnung Gottes, aller Dinge, alles Werdens, Bestehens und Seins!"
Der Entwicklungsprozeß eines Weizenskornes
216. Kapitel
[GEJ.02_216,01] (Der Herr:) „Siehe an das Weizenkorn! Wenn es in das Erdreich gelegt wird, muß es verfaulen, und aus dem Moder der Verwesung erst erhebt sich der zarte Keim. Was besagt aber das gegenüber der Natur des Menschen?
[GEJ.02_216,02] Siehe, das Hineinlegen des gesunden, schönen Samens bedeutet entsprechend das erste Werden des Menschen! Es ist gleich dem Eingefleischtwerden der an und für sich schon ganz ausgebildeten Seele, deren vorleiblicher Aufenthalt die Luft, besonders in der Mittelregion der Berge, ist, wo gewöhnlich die Baumregion aufhört, bis zur Schnee- und Eisregion hinauf.
[GEJ.02_216,03] Wenn eine einmal ganz beisammenseiende Seele die gehörige planmäßige Konsistenz in der Luft erreicht hat, so steigt sie tiefer und tiefer bis zu den Wohnungen der Menschen herab, bekommt dann aus dem Außenlebensätherkreise, den ein jeder Mensch um sich hat, eine gewisse Nahrung und bleibt, wo sie angezogen wird durch die Homogenität (Gleichartigkeit) ihres Wesens.
[GEJ.02_216,04] Wenn dann irgend Gatten sich durch den Naturtrieb genötigt fühlen, eine Begattung zu begehen, so erhält eine solche vollreife und dem Gattenpaare zunächststehende freie Naturseele aus dem Außenlebensäther eine momentane Kunde, oder sie wird durch die vermehrte Kraft des Außenlebenskreises der Gatten als homogen angezogen, tritt mit einem gewissen Zwange während der Begattungshandlung in den Strom des Mannes und wird durch diesen in ein kleines Ei gelegt, was man die Befruchtung nennt. Und siehe, von da an gleicht die Lebensseele dann schon dem Samenkorne, das irgend ins Erdreich gelegt ward, und macht im Mutterleibe alle die Stadien entsprechend durch bis zur Ausgeburt in die Welt, die das Samenkorn in der Erde durchgemacht hat, bis es den Keim treibt über den Erdboden!
[GEJ.02_216,05] Von da an beginnen dann die verschiedenen Stadien der zuerst äußeren und hernach der inneren Bildung.
[GEJ.02_216,06] Bei der Pflanze bleiben die Wurzeln in der Erde, dem alten Modergrabe des Samenkornes, und saugen von da die materielle Kost. Diese Kost aber würde der Pflanze bald den Tod geben, wenn sie nicht geläutert würde durch den Einfluß des Lichtes der Sonne.
[GEJ.02_216,07] Des Halmes erster Ansatz hat noch sehr materielle Säfte. Ist dieser als Grund ausgebildet, so wird der Halm durch einen Ring gewisserart abgebunden. Durch diesen Ring gehen schon viel feinere Röhrchen, durch die nur ganz dünne und feine Säfte gehen können.
[GEJ.02_216,08] Aus diesen entsteht dann ein zweiter Stock des Halmes. Da aber auch die Säfte des zweiten Stockes noch grober materieller Art sind und mit der Zeit noch gröber werden, so wird abermals ein Ring gesetzt und dieser zweite Ring mit noch dünneren Röhrchen versehen, durch den nur ganz feine Säfte dringen können zur Ernährung des über ihnen schwebenden Lebensgeistes, ähnlich der Diktion Mosis: ,Und der Geist Gottes schwebte über den Gewässern.‘
[GEJ.02_216,09] Mit der Zeit aber werden auch diese Säfte oder Wässer für das über ihnen schwebende Leben der Pflanze wieder zu grob und könnten das Leben ersticken; und es wird darum ein dritter Ring, mit gar sehr dünnen Röhrchen versehen, von dem über den Gewässern schwebenden Geiste gezogen. Durch solchen dritten Ring können nunmehr nur äußerst ätherisch zarte und mit dem stets noch über ihnen schwebenden Lebensgeiste schon sehr verwandte Säfte mit Mühe dringen. Der Lebensgeist merkt es aber wohl, ob die Säfte über dem dritten Ringe ihm zur ferneren Ausbildung ganz taugen oder nicht. Findet er sie mit der Zeit noch zu grob und noch zu sehr Spuren des Gerichtes und des Todes enthaltend, so wird noch ein vierter, fünfter, sechster, auch siebenter Ring gezogen, bis endlich die Säfte also ätherisch rein sind, daß in ihnen vorderhand keine Spur des Todes mehr zu entdecken ist.
[GEJ.02_216,10] Hier erst wird zu einem neuen Stadium geschritten. Der durch die allerfeinsten Röhrchen gehende Saft wird nun zur Knospe und zur Blüte geformt, die da mit Organen versehen werden, die alle Fähigkeit besitzen, sich das höhere Leben aus den Himmeln einzeugen zu lassen.
[GEJ.02_216,11] Hat die Blüte diesen Dienst geleistet, dann wird sie abgeschieden als ein eitler Weisheitsprunk, durch dessen Schönheit und Reiz eigentlich der Liebelebensäther angezogen wird, der aber selbst in sich alles ist und keines weiteren Außenprunkes bedarf. Denn sieh, jede Blume ist eine wohlgeschmückte Braut, die dadurch ihren Bräutigam in ihr Garn zu ziehen trachtet, daß sie sich zuvor recht schmückt! Hat der Bräutigam aber die Braut einmal als sein eigen ergriffen, da wird der flitterige Brautschmuck ehest abgelegt, und der demütige Lebensernst nimmt seinen Anfang.
[GEJ.02_216,12] Von da beginnt dann erst die wahre Lebensfrucht sich zu ergreifen und zu formen. Und ist dann alle Tätigkeit nur auf die Vollreifwerdung der Frucht verwendet, so verwahrt sich das in der Frucht allen früheren Gefahren entronnene Leben, wie durch feste Burgen vor irgendeinem noch immer möglichen äußeren Feinde.
[GEJ.02_216,13] Wo das Leben sich zu schnell auszubilden und auszureifen beginnt, da wird es denn auch nur wenig fest. Und siehe, wenn da irgendein äußerer Feind in die Nähe solch eines zu frühreifen Lebens kommt, so zieht ihn dieses zu sehr an; er setzt sich damit in eine Verbindung, legt seine Frucht in das zu frühreife Leben der Pflanzenfrucht! Dieses Afterleben zieht dann das zarte Leben der Pflanzenfrucht an sich, verdirbt es und richtet es zugrunde. Die wurmstichigen Früchte sind dafür mehr als ein handgreiflicher Beweis."
Die geistige Entwicklung des Menschen
217. Kapitel
[GEJ.02_217,01] (Der Herr:) „Wie aber mit den Pflanzen, so auch mit den Tieren und besonders mit den Menschen.
[GEJ.02_217,02] Nehmen wir an eine zarte, frühreife Maid, bloß nur physisch. Sie zählt noch kaum etwa zwölf Jahre, ist aber schon in allen ihren Leibesteilen derart ausgebildet, daß sie das Aussehen eines mannbaren Mädchens hat. Solch eine Maid reizt dann jeden Mann, der nur ein wenig sinnlicher Natur ist, mächtiger denn hundert auch noch so schöne, aber an Jahren reife Dirnen. Eine solche frühreife Maid ist dann ihrem Leibe nach hundert Gefahren ausgesetzt, und es gehört von seiten ihrer Eltern die größte Sorgsamkeit dazu, solch eine zu früh reif gewordene Tochter vor allen den ihren großen Reizen nachstellenden Feinden zu bewahren. Wird sie zu früh einem lüsternen Manne gegeben, so wird sie leicht verdorben in ihrer Fruchtbarkeit; wird sie zu sehr eingesperrt und von aller schlimmen Luft abgehalten, so wird ihr Fleisch, wie man zu sagen pflegt, mockig. Sie wird bleich, zehrt ab und erreicht selten ein nennenswertes Alter. Bekommt sie wenig Kost, und das nur eine Magerkost, so wird sie traurig und zehrt am Ende auch früh ab; wird sie gut genährt, so wird sie noch fetter und unbehilflicher und dadurch träge, so daß ihr Blut bald absteht und sie bald das Aussehen einer Leiche überkommt, was dann ihrem Leibe offenbar einen frühen Tod bringen muß.
[GEJ.02_217,03] Das gleiche ist mit einer zu frühzeitigen übertriebenen seelischen Bildung der Fall. Wenn daher Kinder von oft nur wenig Talenten zur Weisewerdung mit einer Strenge angehalten werden, als gälte es die Erhaltung einer Welt, so werden solche Seelen dann matt, weil sie zuvor nicht Zeit hatten, ihren Leib als für alle Fälle brauchbar auszubilden!
[GEJ.02_217,04] Daher braucht alles nach der Ordnung Gottes seine Zeit, und es läßt sich da nirgends ein sogenannter Prachtsprung tun.
[GEJ.02_217,05] Bei der Ausgeburt des Leibes aus dem Mutterleibe wird der ewige Lebenskeim als ein Fünklein des reinsten Gottesgeistes in das Herz der Seele gelegt, gleichwie bei der Frucht einer Pflanze, wenn sie die Blüte abgeworfen hat und sich für sich zu wappnen und zu konsolidieren (festigen, sichern) anfängt. Ist der Leib einmal ausgebildet, so beginnt die Ausbildung des Geistes im Herzen der Seele. Hier muß dann die Seele alles mögliche aufbieten, daß der Geist in ihr zu keimen beginne, und muß ihm förderlich an die Hand gehen.
[GEJ.02_217,06] Die Seele ist hier die Wurzel und der Halm, und der Leib das Erdreich; sie muß dem Geiste kein grobes Wasser zur Nahrung geben.
[GEJ.02_217,07] Die Ringe, die der Geist zieht, sind die Demütigungen der Seele. Ist der letzte einmal gezogen, dann entwickelt sich der Geist endlich von selbst und nimmt alles ihm Verwandte aus der Seele in sich auf, konsolidiert sich und nimmt am Ende die ganze Seele, und was im Leibe mit der Seele verwandt war, in sich auf und ist dann für ewig völlig unzerstörbar, so wie wir solchen Gang wieder nahezu bei jeder Pflanze mehr oder weniger klar bemerken können.
[GEJ.02_217,08] Wenn die Frucht auf dem ordentlichen Wege die nahe Vollreife erlangt hat, werden in die in ihr ruhenden Körner Lebenskeimfünklein in zarte, schon vorbereitete Hülschen gelegt; darauf sperrt sich der Kern von der andern Frucht auf eine Zeitlang ganz ab und konsolidiert sich wie für sich, aber dennoch immer zur Hälfte aus dem Lebensäther der ihn umgebenden Frucht.
[GEJ.02_217,09] Mit der Zeit fängt die äußere Frucht an einzuschrumpfen und zu vertrocknen. Warum denn? Weil ihre Seele ganz übergeht in das Leben des Keimgeistes im Kerne. Und ist die Lebenskraft der Frucht endlich ganz in den Lebenskeimgeist übergegangen, so wird der früher durchgängig lebendige Halm in allen seinen Stadien trocken und tot; aber dafür hat sich dann alles Leben der Pflanze mit dem Keimleben zu einem gleichen Leben vereinigt und kann als solches nimmer vernichtet werden, ob es an die Materie des Kernes gebunden ist oder nicht.
[GEJ.02_217,10] Und so siehst du ein und dieselbe Ordnung überall und in allen Dingen und dieselben Stadien."
Seele und Leib
218. Kapitel
[GEJ.02_218,01] Sagt Cyrenius: „Herr, vergib, hier muß ich eine Zwischenfrage tun! Was geschieht denn mit dem Keimchen des Weizenkornes, so es zermalmt, zu Mehl gemacht, endlich als Brot gebacken und gegessen wird? Lebt auch in diesen Stadien der Lebenskeim noch immer fort?"
[GEJ.02_218,02] Sage Ich: „Allerdings; denn wenn du das Brot issest, so wird das materielle Mehl bald wieder durch den natürlichen Gang aus dem Leibe geschafft, das Keimleben aber geht dann als Geistiges sofort in das Leben der Seele über und wird nach entsprechender Beschaffenheit eins mit ihr. Das mehr Materielle des Lebenskeimes aber, das ihm immer, wie das mosaische Wasser dem Geiste Gottes, zur soliden Unterlage diente, wird Nahrung des Leibes, geht endlich als gehörig geläutert auch in die Seele über und dient ihr zur Bildung und Ernährung der seelischen Organe als ihrer Glieder, ihrer Haare usw. und überhaupt zur Bildung und Ernährung alles dessen, was du vom Alpha bis zum Omega an einem menschlichen Leibe findest.
[GEJ.02_218,03] Daß aber eine Seele aus allen den gleichen Teilen wie der Leib besteht, davon kannst du dich an dem Engel Raphael, der an unserem Tische sitzt und sich nun mit dem Josoe unterhält, mehr als handgreiflich überzeugen. (Mich zum Engel wendend:) Raphael, komm hierher, und laß dich befühlen von Cyrenius!"
[GEJ.02_218,04] Der Engel kommt, und Cyrenius betastet ihn und sagt: „Ja, ja, das ist alles Natur und sozusagen im Ernste Materie! Er hat wahrlich ebenso wie wir alle Glieder und dieselbe Form wie unsereins, nur ist alles edler, weicher und um sehr vieles schöner; denn die Anmut seines Gesichtes ist, man kann es sagen, unübertrefflich strahlend schön! Es ist zwar durchaus kein Mädchengesicht, sondern ein männliches, mit allem Ernste gegeben, aber dabei dennoch schöner als das schönste Mädchengesicht! Ich habe mich früher wahrlich viel zuwenig bekümmert um diesen Gesellschafter. Er wird ordentlich immer schöner, je länger ich ihn betrachte. Mein Himmel, das ist wahrlich sonderbar! (Zum Engel sagend:) Höre, du herrlich schönster Engel, fühlst du auch Liebe in deiner schönsten Brust?"
[GEJ.02_218,05] Spricht der Engel: „O sicher; denn mein geistiger Leib ist gleich der göttlichen Weisheit, und mein Leben ist die ewige Liebe Gottes des Herrn. Und weil mein Leben pur Liebe ist, so muß ich ja doch auch die Liebe fühlen, da mein Leben selbst nichts als die purste Liebe ist.
[GEJ.02_218,06] Wie konntest du als ein sonst so weiser Mann mich doch um so etwas fragen? Sieh, was Gott der Herr von Ewigkeit in Sich Selbst war, ist und bleiben wird ewig, das müssen ja auch wir sein, weil wir vollkommen aus Ihm und somit auch völlig in allem Sein Wesen sind, gleichwie der Strahl der Sonne auch vollends das ist und wirket, als was die Sonne selbst ist! Wenn aber also, wie dann solch eine Frage?!"
[GEJ.02_218,07] Sagt Cyrenius: „Ja, ja, das ist schon ganz wahr und richtig, und ich hätte das auch ohne deine Erklärung gewußt; aber ich mußte dich ja doch um etwas fragen, auf daß ich den Ton deiner Rede zu hören bekam. Nun aber sind wir auch schon fertig miteinander, und du kannst dich wieder auf deinen Platz begeben!"
[GEJ.02_218,08] Sagt der Engel: „Das hast nicht du, sondern allein der Herr mir zu gebieten!"
[GEJ.02_218,09] Sagt Cyrenius: „Freund, wie es mir vorkommt, so bist du bei deiner Schönheit, Weisheit und Liebe aber dennoch so hübsch fest im trotzigen Eigensinne!?"
[GEJ.02_218,10] Sagt der Engel: „O mitnichten! Aber von den Sterblichen kann und darf mir keine Vorschrift gegeben werden; denn bei mir selbst bin ich ein Herr und lasse mir von niemand etwas vorschreiben, weil mein Ich nun, abgesehen, daß ich völlig in allem aus Gott bin, ein vollkommen selbständiges Ich ist! Zudem brauche ich mich nicht wie die Menschen dieser Welt vor etwas zu fürchten; denn dazu habe ich eine Macht und Kraft, von der dir noch nie etwas geträumt hat. Willst du aber diese näher kennenlernen, so frage du den Hauptmann Julius und meine Jüngerin Jarah und auch die Jünger des Herrn; diese werden dir davon schon etwas zu erzählen verstehen!"
[GEJ.02_218,11] Sagt Cyrenius: „Herr, sage Du ihm, daß er sich wieder auf seinen Platz begeben möchte, sonst fange ich an, mich im Ernste ganz entsetzlich vor ihm zu fürchten; denn mit dem möchte ich wahrlich keine Kirschen verzehren! Er wird stets gröber und hitziger, und es ist mit ihm bei all seiner Schönheit nichts zu machen."
[GEJ.02_218,12] Sage Ich zum Engel: „Nun, so begib dich denn wieder auf deinen Platz!" – Und der Engel folgt augenblicklich Meinem Wink und begibt sich wieder an seinen alten Platz. Und Cyrenius ist sehr froh darüber; denn er hat vor dem Engel schon in allem Ernste sich sehr zu fürchten angefangen.
[GEJ.02_218,13] Gleich darauf aber fragen Mich Johannes und Matthäus, ob sie das alles aufzeichnen sollen.
[GEJ.02_218,14] Sage Ich: „Das könnt ihr tun für euch, aber fürs Volk braucht ihr das nicht aufzuzeichnen; denn das ist noch um zweitausend Jahre zu jung, um das zu fassen. Den Schweinen aber soll man die Perlen nimmer vorwerfen, weil sie solche Kost von der schlechtesten Schweinekost gar nie zu unterscheiden vermögen. Aber für euch und für wenige andere könnet ihr das ja immerhin aufzeichnen."
[GEJ.02_218,15] Und die beiden Jünger tun das auch mit entsprechenden Bildzeichen zum Unterschiede dessen, was sie auf Mein Geheiß mit den ordentlichen hebräischen Buchstaben niedergeschrieben haben.
Die Schöpfung Himmels und der Erde
219. Kapitel
[GEJ.02_219,01] Cyrenius bittet Mich aber um die Fortsetzung der Erläuterung der Mosaischen Schöpfungsgeschichte in der entsprechenden Weise.
[GEJ.02_219,02] Und Ich sage: „Freund, was Ich begonnen, werde Ich auch vollenden; nur steht es vorderhand und vor der Zeit noch dahin, ob ihr es wohl fassen werdet. Denn um die Mosaische Schöpfungsgeschichte ordentlich zu fassen, muß man sehr in der Kenntnis über das ganze Wesen des Menschen sein, zu der es aber ebensoschwer zu gelangen ist, wie zur richtigen und vollen Erkenntnis Gottes.
[GEJ.02_219,03] Und so müßte Ich euch erst den ganzen materiellen, seelischen und geistigen Bau des Menschen von Faser zu Faser und von Fiber zu Fiber zergliedern und endlich zeigen, wie das Seelische sich zuerst aus dem Geistigen und das Materielle aus Seelischem entwickelt und geformt hat, und unter welchen zahllos vielen Entsprechungen, die wie die endlos vielen Lichtgrade mit den ebenso vielen Lichtmangelgraden korrespondieren.
[GEJ.02_219,04] Ihr sehet aus dem, daß dies so leicht und so geschwind, wie ihr es meint, der Fall nicht sein kann; aber Ich werde euch dennoch soviel darüber sagen, als ihr vorderhand ertragen könnet, und wofür mit einiger Überzeugung zu fassen ihr schon in eurer Seele mit Erfahrungen und nötigen Vorkenntnissen versehen seid. – Und so horchet denn!
[GEJ.02_219,05] So da Moses spricht: ,Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde‘, so will Moses damit durchaus nicht den sichtbaren Himmel und die sichtbare, materielle Erde verstanden haben, weil er als ein echter Weiser daran wohl nie gedacht hatte, indem er stets nur die vollste innerste Wahrheit in seinem erleuchteten Sinne hatte. Aber diese seine tiefe Weisheit verhüllte er in entsprechende Bilder, also, wie er zum Zeugnisse dessen sein zu strahlendes Angesicht mit einer dreifachen Verhüllung vor dem Volke verdecken mußte.
[GEJ.02_219,06] Unter ,Himmel‘ aber, was Moses zuerst als erschaffen anführt, ist zu verstehen, daß Gott die Intelligenzfähigkeit einstens, wie schon in der Zeit außer Seinem ewigsten und geistreinsten Zentrum, wie gewisserart außer Sich hinausgestellt hat – aber, wie gesagt, nur die Intelligenzfähigkeit. Diese ist gleich einem Spiegel, der in der finstersten Nacht wohl auch die Fähigkeit besitzt, äußere Gegenstände abbildlich in sich, oder vielmehr auf seiner glattesten Fläche, vollkommen treu und wahr aufzunehmen und wiederzugeben. Aber in der vollsten Nacht, und daselbst in der ebenso vollen Objektlosigkeit, ist der Spiegel doch offenbarst eine Sache für nichts und wieder nichts!
[GEJ.02_219,07] Moses aber berichtet darum sogleich neben der Hinstellung eines Himmels, oder der Intelligenzfähigkeit außer dem Lebenszentrum Gottes, von einer sozusagen gleichzeitigen Kreierung (Erschaffung) der Erde. Wer und was aber ist wohl diese mosaische Erde? Ihr meinet wohl: ,Nun, diese, die uns trägt!‘ – Oh, weit gefehlt, Meine Lieben!
[GEJ.02_219,08] Sehet, unter der ,Erde‘ verstand Moses bloß die Assimilations- und Attraktionsfähigkeit (Angleichungs- und Anziehungsfähigkeit) der untereinander verwandten, hinausgestellten Intelligenzen, die fast ein Gleiches ist mit dem, was einige Weltweise der Ägypter und Griechen Ideenassoziation (Gedankenverbindung) nannten, wo aus verwandten Begriffen und Ideen endlich ein ganzer mit Wahrheit erfüllter Satz zum Vorschein kommen muß.
[GEJ.02_219,09] Wenn aber in den von Gott hinausgestellten Intelligenzfähigkeiten zufolge ihrer Verwandtschaft die wechselseitige Anziehung schon wie von selbst mitbedungen war, so ergibt sich auch die dritte Folgerung wie von selbst, nämlich daß sich die unter sich verwandten Intelligenzfähigkeiten auch wirklich wechselseitig angezogen und ergriffen haben, – für welchen damals noch tief geistigen Akt Moses offenbar doch kein tauglicheres und allgemeineres Bild aufstellen konnte, als eben das Bild der materiellen Erde, die an und für sich nichts als eben ein Konglomerat (Zusammengeballtes) von lauter attraktionsfähigen und unter sich, wie in sich verwandten Substantialpartikeln ist.
[GEJ.02_219,10] Aber ,Es war noch finster auf der Tiefe‘ spricht Moses weiter. Wollte etwa Moses dadurch im Ernste die Lichtlosigkeit auf der neugeschaffenen Erde andeuten? Ich sage es euch, davon hatte dem weisen Moses selbst auch im Anfange seines dümmsten Seins nie etwas geträumt! Denn Moses war ein tiefer Kenner der Weltnatur und war in ägyptische tiefste Weisheit und Wissenschaft zu eingeweiht, als daß er nicht gewußt hätte, daß die Erde – als ein Kind der Sonne wenigstens um eine milliardmal Milliarden von Erdjahren jünger als die Mutter Sonne – bei ihrer Entstehung nicht finster sein konnte; sondern Moses hat damit nur abermals bildlich angedeutet, daß die Intelligenzfähigkeit und die attraktionsfähige Verwandtschaft der Intelligenzen noch kein wie immer geartetes Erkennen, Verständnis und Selbstbewußtsein – was alles identisch ist mit dem einen Begriffe ,Licht‘ –, sondern das Gegenteil so lange bedingen muß, bis sie sich ergreifen, sich danach zu drücken, zu reiben und also gewisserart miteinander zu kämpfen anfangen.
[GEJ.02_219,11] Habt ihr aber noch nie bemerkt, was da zum Vorschein kommt, wenn man Steine oder Hölzer stark miteinander zu reiben anfängt? Sehet, da kommt dann Feuer und Licht zum Vorschein! Und sehet, das ist das Licht, das Moses entstehen läßt im Anfange!"
Erde und Licht
220. Kapitel
[GEJ.02_220,01] (Der Herr:) „Was sonach das Licht zu bedeuten hat, wissen wir; aber es heißt zuvor noch, daß die Erde wüst und leer war! Das ist ganz sicher; denn mit der Fähigkeit allein, etwas in sich aufnehmen zu können, wie auch mit dem schon gefühlten Bedürfnisse dazu, ist noch kein Gefäß vollgemacht worden. Solange aber im Gefäße nichts ist, so lange auch ist das Gefäß wüst und leer.
[GEJ.02_220,02] So auch ist es bei der Urschöpfung der Fall gewesen. Es waren aus Gott wohl eine zahlloseste Menge von Gedanken und Begriffen durch die allmächtige Willenskraft Seiner Liebe und Weisheit in alle Räume der Unendlichkeit hinausgestellt worden, welche Gedanken und Begriffe wir vorher die einzelnen spiegelartigen Intelligenzfähigkeiten genannt haben, und zwar darum, weil jeder einzelne Gedanke gewisserart eine Reflexion (Widerstrahlung) im Haupte von dem ist, was das stets tätige Herz in sich produziert.
[GEJ.02_220,03] Wie aber ein Gedanke oder ein Begriff für sich noch gleich einem leeren Gefäße oder auch gleich einem Spiegel im finstersten Keller ist, also ist auch die gesamte gegenseitige (Ideen-)Verwandtschaft noch wüst und leer; und da noch keine Tätigkeit der Intelligenzfähigkeiten untereinander, sondern pure Fähigkeiten zum Sein und zur Tätigkeit vorhanden sind, so ist also auch noch, wie schon ehedem bemerkt, alles kalt, feuer- und lichtlos.
[GEJ.02_220,04] Alle diese noch tat- und regungslosen Gedanken und Ideen der göttlichen Weisheit werden auch höchst treffend verglichen mit dem ,Wasser‘, in dem auch zahllose Spezifikalelemente wie zu einem einfachen zusammengemengt sind, aus dem aber endlich dennoch alle Körperwelt ihr höchst verschiedenartiges Dasein nimmt.
[GEJ.02_220,05] Aber all die großen Gedanken und daraus entwickelten Ideen in der Weisheit Gottes, und mochten sie noch so wahr gewesen sein, hätten aber dennoch nie irgendeine Realität erhalten können, sowenig als die Gedanken und Ideen irgendeines Weisen der Erde, so ihm zur Realisierung derselben die Mittel fehlen. Ist je irgendeine Wirklichkeit denkbar, die dem Gedanken und den Ideen folgen soll, so müssen zuerst die entsprechenden Mittel und durch diese die wahre Tätigkeit der Gedanken und Ideen von innen wie von außen her auf diese einwirkend und von einer hohen Kraft und Macht ausgehend herbeigeschafft werden.
[GEJ.02_220,06] Wenn irgendein Mensch sonach Gedanken zu Ideen verband und sie bewerkstelligt haben möchte, so muß er, abgesehen, daß er dazu die nötigen materiellen Mittel hat, zu seinen Gedanken und Ideen eine recht übermächtig große Liebe fassen. Von solcher Liebe werden dann seine Gedanken und Ideen also gehegt, wie da hegt eine Henne ihre Küchlein. Dadurch werden die Gedanken und die daraus entstandenen Begriffe als schon mehr konkrete Ideen stets lebendiger und ausgebildeter. Und sehet, solch eine Liebe ist eben der Geist Gottes in Gott Selbst, der da, nach Moses, auf dem Wasser schwebte, das an und für sich nichts anderes besagt, als die noch form- und wesenlose unendliche Masse der Gedanken und Ideen Gottes!
[GEJ.02_220,07] Durch diesen Geist belebt, fingen die Gedanken Gottes an, sich zu großen Ideen zu verbinden, und es drängte ein Gedanke den andern und eine Idee die andere. Und seht, da geschieht dann in der göttlichen Ordnung ja wie von selbst das ,Es werde Licht!‘ und ,Es ward Licht!‘ Und sonach erklärt sich nach Moses denn auch sogar der natürliche große Schöpfungsakt von Uranbeginn von selbst – mit dem gleichgehend aber endlich auch, und zwar hauptsächlich, der seelische und geistige Bildungsprozeß vom neugeborenen Kinde an bis zum Greise und vom ersten Menschen der Erde bis auf unsere Zeiten und so fort bis ans einstige Ende dieser Welt – in allem!
[GEJ.02_220,08] Nun kommt im Moses freilich ein Satz, demnach es das Ansehen hat, als ob Gott erst nach dem sich aus dem Feuer der Liebetätigkeit des Geistes entwickelten Lichte einzusehen anfinge, daß das Licht gut sei; allein es ist dem bei weitem nicht also, sondern es ist dies nur ein Zeugnis der ewigen und endlosen Weisheit Gottes, laut dem dies Licht ein wahrhaft freies, sich von selbst aus der Tätigkeit der Gedanken und Ideen Gottes nach der Ordnung der Weisheit entwickeltes Geistlebenslicht ist, durch das die auf diese Weise von Gott hinausgestellten Gedanken und Ideen Gottes sich als selbständige Wesen nach eigener Intelligenz weiterhin, natürlich unter dem unvermeidbar beständigen Einflusse Gottes, wie von sich selbst heraus ausbilden können. Dieses wird sonach durch den Beisatz Mosis verstanden, aber nicht, als ob Gott erst dadurch zur subjektiven Einsicht gelangt wäre, daß das Licht etwas Gutes sei!"
Scheidung von Licht und Finsternis
221. Kapitel
[GEJ.02_221,01] (Der Herr:) „Aber nun kommt etwas, das im Grunde des Grundes schwieriger zu fassen ist als das Vorhergehende. Denn es heißt ferner: ,Da schied Gott das Licht von der Finsternis und hieß das Licht Tag und die Finsternis Nacht.‘ Diese Sache wird aber leichter verständlich, so ihr statt der beiden von Moses aufgestellten allgemeinsten Begriffe die entsprechenden mehr sonderheitlichen nehmt, als für den Tag das schon selbständige Leben und für die Nacht den Tod, oder für den Tag die Freiheit und für die Nacht das Gericht, oder für den Tag die Selbständigkeit und für die Nacht die Gebundenheit, oder für den Tag das sich selbst schon erkennende Liebeleben des göttlichen Geistes in der neuen Kreatur und für die Nacht die noch unbelebten Gedanken und Ideen aus Gott.
[GEJ.02_221,02] Diese Ordnung aber findet ihr ebenfalls auch wieder schon in einer jeden Pflanze, bei der ihr bis zum Ansatze der Frucht noch nichts denn die Nacht findet oder den gierenden Tod, wo der Geist Gottes noch der Vorbildung der Leben tragenden Materie wegen auf dem Wasser der finsteren Tiefe schwebt. Ist die Unterlage aber einmal insoweit solid, daß am Weizenhalme der Schöpfung der letzte Reif unter der Ähre gezogen werden kann und das eigentliche wahre Geistleben sich als ein selbständiges zu ergreifen, zu fühlen und im hellen Selbstbewußtsein sich zu begreifen, zu erkennen und zu verstehen beginnt, so geschieht da doch eine offenbare Teilung oder vielmehr Scheidung des Lichtes von der Finsternis, des freien Lebens von dem Gerichtsleben, oder eigentlich des unverwüstbaren Lebens von dem zerstörbaren Gerichtsleben, das da gleich ist dem Tode unter dem allgemeinsten, alles umfassenden Begriffe Nacht.
[GEJ.02_221,03] Und ferner heißt es: ,Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.‘ Was ist der ,Abend‘, und was ist hier der ,Morgen‘? – Der Abend ist hier derjenige Zustand, in dem sich die Vorbedingungen zur endlichen Aufnahme des Liebelebens aus Gott durch den Einfluß des allmächtigen Gotteswillens zu konstatieren (bekunden) und zu ergreifen anfangen, gleich den einzelnen Gedanken und Begriffen zu einer Idee. Sind diese einmal konstatiert (gediehen) bis zum letzten Ringe unter der Fruchtähre, so hat da die Verrichtung des Abends ein Ende, und es beginnt dann die freie und selbständige Tätigkeit zur eigenen Sichselbstbildung in der Frucht. Wie die Menschen aber den Übergang der Nacht in den Tag den Morgen nennen, so auch ward entsprechend der Übergang des vorhergehenden gerichteten, unfreien Zustandes der Kreatur in den freien, selbständigen der Morgen genannt. Und sehet, da hat Moses durchaus keinen logischen Fehler begangen, so er aus dem Abende und aus dem Morgen den ersten und alle darauffolgenden Tage entstehen läßt!
[GEJ.02_221,04] Daß Moses sechs solche Tage aus dem Abende und Morgen entstehen läßt, hat zum Grunde, weil nach sorglicher Beobachtung und Forschung ein jedes Ding von seinem Urbeginne bis zu seiner Vollendung als das, was es ist, genau im Wege ein und derselben göttlichen Ordnung die sechs Perioden durchzumachen hat, bis es als das, was es vorderhand sein soll, vollendet dasteht, gleich einer vollreifen Weizenähre am abgestorbenen Halme.
[GEJ.02_221,05] Die Samenlegung ins Erdreich bis zum Erkeimen: erster Tag; von da die Bildung des Halmes und der Saug- und Schutzblätter: zweiter Tag; von da die Bildung des letzten Ringes knapp unter dem sogleichen Ansatze der ersten Anlagen zur Bildung der Ähre: dritter Tag; von da die Bildung und Einrichtung der hülsenartigen Gefäße gleich den Brautgemächern zur Einzeugung des freien, selbständigen Lebens, wozu auch der Blütenstand zu nehmen ist: vierter Tag; von da der Abfall der Blüte, die Entstehung der eigentlichen, schon ein freies Leben tragenden Frucht und deren freie Tätigkeit – obschon noch im Verbande mit den früheren, unfreien Zuständen, aus denen noch ein Teil der Nahrung zur Bildung der Häute genommen wird, obschon von da die Hauptnahrung aus den Himmeln des Lichtes und der wahren Lebenswärme genommen wird – bis zur vollen Ausbildung der Frucht: fünfter Tag; endlich die gänzliche Ablösung der in der Hülse reif gewordenen Frucht, wo der Kern dann schon ganz allein zu seiner vollsten Konsolidierung (Festigung) und eben so allein und nun schon vollkommen selbständig die reine Kost der Himmel verlangt, sie annimmt und sich damit frei sättigt fürs freieste, ewig unzerstörbare Leben: sechster und letzter Tag zur Bildung und vollen Freiwerdung des Lebens.
[GEJ.02_221,06] Am siebenten Tag tritt dann die Ruhe ein, und das ist der Zustand des nun fertigen, vollreifsten und für die Ewigkeit bestandfähig aus den früheren Zuständen konsolidierten (gefestigten) Lebens, ausgerüstet mit der vollen Gottähnlichkeit."
Das Endziel der gesamten Schöpfung
222. Kapitel
[GEJ.02_222,01] (Der Herr:) „Wenn ihr dies nun von Mir zu euch Gesagte nur so ein wenig tiefer und reifer als die gewöhnlichen Menschen dieser Zeit überdenken wollet, so werdet ihr, wenn schon gerade nicht in aller Tiefe der Tiefen, leicht finden und einsehen, daß Moses mit seiner Schöpfungsgeschichte wohl nur die einzig wahre und mit aller Ordnung der ewigen Weisheit vollkommen übereinstimmende Entstehung und Fortbildung aller Dinge von ihrem Urbeginne bis zu ihrer höchsten Vollendung unter seinen trefflichen Bildern verstanden hat.
[GEJ.02_222,02] Wer Moses aber nicht also versteht, der soll ihn auch gar nicht lesen; denn liest er ihn und versteht ihn aber also verkehrt, so muß er endlich bei nur einigem Nachdenken ganz irre werden, und er kommt in einen rechten Ärger über die unlogische Dummheit Mosis und über die am Ende sogar böswillige Dummheit aller derer, die eine so unlogische dümmste Lehre, als sogar vom Geiste Gottes eingegeben, den Menschen unter Feuer und Schwert aufdringen ohne alle Rücksicht darauf, ob sie auch ihnen selbst als eine allergröbste Dummheit vorkommt.
[GEJ.02_222,03] Wer aber mit dem nun gezeigten rechten Verständnisse den Moses liest, der wird in ihm nicht nur den umfassendst weisen, sondern auch den vom Geiste Gottes allerdichtest durchdrungenen, wahrsten Propheten erkennen, der die ausgedehnteste Fähigkeit und danebst den festesten Willen hatte, all den Menschen alle Tiefe der Tiefen über Gott und über alle geschaffenen Dinge die vollwahrste Kunde also zu geben, wie er sie in seinem Riesengeiste vom Geiste Gottes Selbst empfangen hatte!
[GEJ.02_222,04] Also entstanden die Sonnen alle für sich, die Erden für sich, und jedes einzelne auf den Sonnen und Erden für sich, und also auch in ihrem allgemeinen Zusammenhange. Und so entstand der Mensch im engsten Sinne für sich, und eben also im allgemeinsten, weil die ganze Schöpfung in aller ihrer Allgemeinheit einem Menschen völlig gleicht und entspricht, und weil jedes einzelne, vom Größten bis zum Kleinsten, der ganzen geistigen und materiellen Schöpfung ebenfalls dem Menschen entspricht und entsprechen muß, weil der Mensch der eigentliche Grund und das Endziel der gesamten Schöpfung ist. Er ist das endlich zu gewinnende Produkt all der Vormühen Gottes.
[GEJ.02_222,05] Und weil eben der Mensch das ist, was Gott durch alle die Vorschöpfungen erreichen wollte und auch erreicht hat, wovon ihr als unwidersprechbare Beweise dastehet, so entspricht auch alles in den Himmeln und auf all den Weltkörpern in allem dem Menschen, wie es Moses auch in seiner Schöpfungsgeschichte dargestellt hat, und wie es auch andere Volkslehrer, wenn schon verhüllter, dargestellt haben. Prüfet aber nun alles, und ihr werdet es finden, daß es sich nur also und unmöglich anders verhält und verhalten kann! – Du, Cyrenius, aber sage es Mir, wie du nun mit Moses zufrieden bist!"
Zeugnis des Cyrenius über die Schöpfungsgeschichte
223. Kapitel
[GEJ.02_223,01] Sagt Cyrenius: „Herr und Meister, wahrlich, Deine Weisheit geht über alles, was je die Erde als Weisestes segnete, unendlich hoch und weit darüber hinaus! Denn ist es schon viel, ein großer Weiser für sich zu sein, so ist es aber dennoch endlos mehr, die tiefste und verborgenste Weisheit Gottes mit verständiger Rede also darzustellen, daß sie Menschen, ohne irgendeine besondere Weisheitsbildung zu besitzen, wie wir da sind, leicht und klar fassen können. Das kann nach meiner Ansicht nur Gott allein möglich sein; denn ein noch so weiser Mensch kann am Ende gleich dem Moses seine vom Gottesgeiste empfangene Weisheit nur in entsprechende Bilder einfassen, oder diese werden ihm schon wie Samenkörner gegeben, die er dann gleich einem Sämann ins Erdreich der Menschenherzen legt. Von solchen Körnern gehen dann wohl so manche entsprechende Früchte hervor; aber die Menschen erkennen die Früchte oft ebensowenig, als sie die in ihre Herzen gestreuten Samenkörner erkannten, und es ist da mit einer solchen Aussaat am Ende wenig geholfen. Ernten die Menschen deren reif gewordene Früchte ein, so wissen sie aber dann am allermeisten dennoch kaum, was sie daraus machen sollen, und wozu sie eigentlich zu verwenden seien.
[GEJ.02_223,02] Gewöhnlich wird schon von den ersten Ausstreuern der Weisheitssamenkörner eine nie ganz richtige Anwendung gemacht, und um so weniger erst hernach von ihren späteren Nachfolgern; denn würden die allerersten Aussäer der Weisheitskörner von deren Früchten einen vollkommen richtigen und wahren Gebrauch gemacht haben, so müßten alle ihre Nachfolger auch unmöglich einen andern als nur einen rechten und wahren Gebrauch davon machen. Weil aber sicher aus einem unrechten Verständnisse schon die Propheten Fehler wider ihre schwachverstandene Lehre gemacht haben, so waren derlei kleine Fehler ganz sicher der Grund von den hernach großen in den späteren Nachfolgern.
[GEJ.02_223,03] Moses und Aaron mögen wohl sehr rein nach der ihnen vom Geiste Gottes geoffenbarten Lehre gelebt haben; ob sie aber ihre Lehre aus Gott kommend ebenso verstanden haben, wie Du sie uns nun enthüllt hast, ist eine große Frage und ist sehr zu bezweifeln. Denn man kann eine fremde Sprache und deren Schrift wohl recht gut und ganz richtig auf ein Blatt übertragen, ohne davon irgend etwas aus dem Grunde zu verstehen.
[GEJ.02_223,04] Aber also, wie Du, o Herr, uns nun die Genesis Mosis erläutert hast, kann kein weiterer Zweifel im Herzen des Menschen übrigbleiben, und die Befolgung solch einer Lehre sowohl im rechten Verständnisse und in rechter Tat danach kann dann ja offenbar keine andere als auch nur eine richtige sein.
[GEJ.02_223,05] Aber da Du, o Herr, nun schon so freigebig geworden bist mit der Enthüllung der tiefsten und verborgensten Wahrheiten, so gib uns allen noch so einen kleinen Aufschluß über den sogenannten ,Fall der Engel‘, als der ersten geschaffenen Wesen, dann vom ,Falle Adams‘ und endlich von der sogenannten ,Erbsünde‘, die als ein schlechtes Erbteil an alle späteren Menschen übergegangen ist. Wenn es nicht zu spät ist und wir solches nur einigermaßen zu fassen imstande sind, so tue noch einmal Deinen wahrhaft heiligsten Mund auf und gib uns davon nur so einige feste Winke, auf daß wir auch darin nur so ein wenig über die alltägliche Gewöhnlichkeit zu Hause sein möchten!"
[GEJ.02_223,06] Sage Ich: „Ja, Mein liebster Freund, das ist wohl eine noch härtere Nuß als die Mosaische Schöpfungsgeschichte selbst, obschon sie eigentlich in dieser völlig enthalten ist und für den emsigen Forscher nun schon wie ein Gold am freien Tage liegt. Wenn du aber nur nach einem bloßen festen Winke dürstest und nicht nach einer durchgeführten Lehre, so kann Ich dir solch einen Gefallen ja recht gerne erweisen; denn zur Aufstellung einer durchgeführten Lehre darüber hätten wir wohl alle zu wenig Zeit, da es nun schon um die dritte Nachtwache geworden ist. – Wer da Ohren hat, der höre!"
216. Kapitel
Wie wird es in uns Licht?
29. Kapitel (Band 3 GEJ)
[GEJ.03_029,01] Sagt Cyrenius: „O ja, nun habe ich einen recht tüchtigen Dunst, und das um so leichter, da ich erst in dieser Nacht eine dieser ganz ähnliche Erläuterung der mosaischen Urschöpfungsgeschichte vernommen habe. Es wird sich die Sache schon also verhalten; aber es geht mir das schon ins zu unendlich Weise hinüber, und ich kann und will mich nicht zu sehr anstrengen, um etwas in der tiefsten Tiefe zu erfassen. Es muß bei mir die Sache leicht gehen, wenn sie mir nützen soll; geht sie aber etwas zu tief und zu weise, dann ist es mit meinem Begreifen oft auf einmal aus!
[GEJ.03_029,02] Kurz und gut, es bleibt bei dem, was ich gesagt habe; ihr seid von mir aus versorgt, und es soll euch keine Gelegenheit benommen sein, in eurer Weisheit so tief als nur immer möglich zu dringen und die arme Menschheit, wo nur immer tunlich, auf den rechten Weg zu bringen, – obschon ich euch offen gestehe, daß ein zu tiefes Eindringen in das Wesen des Lebens fürs allgemeine eher nachteilig als vorteilbringend wäre.
[GEJ.03_029,03] Seht euch selbst nur, und fragt euch, ob alle eure wahrlich außerordentliche Wissenschaft und Weisheit euch glücklich macht! Ja, der menschliche Geist kann in unendliche Weisheitstiefen dringen und am Ende wundervollste Dinge hervorbringen; aber glücklich ist bei mir doch nur der Mensch, der ganz einfach ist und Gott, seinem Schöpfer, in aller Liebe ergeben, und Seine Gebote hält. Will ihm dann Gott wie einem Salomo die Weisheit geben, so soll er sie dankbarst annehmen und sie mit heiterem Gemüte weise benutzen. Wenn aber die einem Menschen verliehene Weisheit eben den Menschen nur unglücklich machen soll, so ist mir am Ende aber schon jede Dummheit lieber, durch die des Menschen Herz erheitert wird.
[GEJ.03_029,04] Ich lebe einmal und weiß nun, daß ich ewig fortleben werde, und die Wege zur Erreichung eines glückseligen ewigen Lebens sind mir bekannt; was sollte ich dabei denn noch mehreres wollen?!
[GEJ.03_029,05] Begebet auch ihr euch in diese meine Ansicht, und ihr werdet auch gleich mir noch auf dieser Erde recht glücklich sein; aber mit eurer allertiefsten Weisheitsbrüterei werdet ihr kaum je den Wert und das Glück, ein Mensch zu sein, fühlen!
[GEJ.03_029,06] Darum folget auch meinem Rate, wenn er auch nicht aus der Kammer der tiefsten Weisheit stammt; aber er kommt von einem freundlichen und sicher nicht liebelosen Herzen, und das hat sogar vor Gott einen hohen Wert! Warum soll es bei euch keinen Wert haben?
[GEJ.03_029,07] Die Weisheit ist es nicht, die uns das Leben gibt, sondern die Liebe; bleiben wir daher bei der Liebe, und uns wird es nicht am Leben gebrechen und an dessen glückseliger Empfindung! Seht, das ist aber meine Weisheit, und ich möchte fast behaupten, daß sie dem Leben der Menschen um vieles dienlicher ist als alle eure noch so tief gefaßte Weisheit!"
[GEJ.03_029,08] Sagt Mathael: „O ja, o ja, du hast ganz recht! Siehe, solange das Wasser im Topfe nicht ans Feuer kommt, hat es auch ein gutes und ruhiges Sein; aber kommt es hernach zum Feuer, da sieht es dann aber auch gar bald ganz anders aus. Einmal muß es gebrochen sein!
[GEJ.03_029,09] Was du werden willst, dazu darf es dir an den nötigen Kenntnissen sicher nicht fehlen. Willst du ein Feldherr sein, so mußt du mit allen Kenntnissen für solch ein Amt ausgerüstet sein, ansonst du eine schlechte Figur als Feldherr spielen wirst; willst du ein Apotheker und Heiland sein, so mußt du mit all den dazu nötigen Kenntnissen versehen sein!
[GEJ.03_029,10] Nun, du willst aber das ewige Leben erhalten, willst aber das Leben selbst durchaus nicht näher erforschen und erkennen; wie wohl wird das möglich sein?
[GEJ.03_029,11] Siehe, wollte ich mir ein Weib nehmen, flöhe aber jede Gelegenheit, nur von ferne hin je mit einer Maid zusammenzukommen; da weiß ich dann wahrlich nicht, wie ich und ein Weib zusammenkommen werden!
[GEJ.03_029,12] Du willst aber am Ende sogar ein ewiges Leben und scheuest aber nun schon die kleine Mühe, nur dies irdisch zeitliche Leben ein wenig tiefer zu erforschen und dich zu erkundigen nach seinen Grundwurzeln!
[GEJ.03_029,13] Ja, du lieber Freund, hinge das ewige Leben nur davon ab, daß es mir ein Gott, wie du mir ein Stück Brot, geben könnte, dann wäre deine Lebensmaxime der unsrigen offenbarst weit vorzuziehen; aber es ist die Bereitung und Erreichung des einstigen ewigen Lebens ganz uns allein anheimgestellt!
[GEJ.03_029,14] Wir müssen tun und handeln und müssen wahrlich durchs Wasser mit unserem Lebenswasser und durchs Feuer mit unserem Liebelebensfeuer; da erst fängt unser Lebenswasser am Feuer der innersten Liebe zu Gott, zum Nächsten und am Ende zu uns selbst zu kochen und zu sieden an, und wir werden erst dadurch gewahr, daß es in uns eine unverwüstbare Lebenskraft gibt, die sich von dem Augenblick an erst als solche zu erkennen beginnt und die rechten Mittel ergreift und anwendet, sich als solche für ewig hin zu erhalten!
[GEJ.03_029,15] Da ist es sonach vorderhand nichts mit dem sogenannten gemütlichen Leben, das vollends einem süßen Schlafe ganz ähnlich ist, sondern da heißt es arbeiten und kämpfen und forschen ohne Rast und Ruhe!
[GEJ.03_029,16] Erst wenn man über das stets einschlafen- und sterbenlüsterne Leben einen vollends lebenswachen Sieg gewonnen hat, dann erst läßt sich von irgendeiner Seligkeit ein Wörtlein reden!
[GEJ.03_029,17] Du kommst uns vor wie ein noch am Morgen recht süßschlafender Mensch, den seine schon lange wachen Freunde zu wecken beginnen, worüber er sich im Anfange äußerst ärgerlich gebärdet; erst wenn er mit einiger Mühe vollends wach wird, ersieht er die Wohltat des vollen Wachseins und freut sich endlich seines hellen und freien Lebens.
[GEJ.03_029,18] Wir sind vollen Rechtes mit unserer Weisheit; aber du noch lange nicht! Erst wenn du wach geworden sein wirst, wirst du auch einsehen, wie sehr wir hier im vollsten Rechte sind."
***
Band 3 (GEJ)
[GEJ.03_235,01] Fragt nun Murel dasselbe den Mathael, und dieser sagt: „Was Moses von der Schöpfung sagt, hat mit der Erschaffung der Welt gar nichts zu tun, sondern allein nur mit der Bildung des Menschen von der Wiege angefangen bis zu seiner Vollendung hin; also wird dadurch auch die Gründung der Kirche Gottes auf Erden bis auf diese Zeiten und fortan bis ans Weltende damit angedeutet.
[GEJ.03_235,02] Unter ,Himmel und Erde‘ ist zu verstehen der neue Erdenmensch gleich von der Geburt an. Der ,Himmel‘ bezeichnet seine innersten, verborgenen, geistigen Fähigkeiten, und die leere und wüste ,Erde‘ bezeichnet den neuerstandenen Naturmenschen, der seines Seins kaum bewußt ist; – erstes Stadium des Menschen.
[GEJ.03_235,03] Mit der Zeit gelangt das Kind zum Selbstbewußtsein und fängt an zu träumen und zu denken. Das ist das ,Es werde Licht!‘ im Menschen, daß er wisse, daß er ist; – zweites Stadium.
[GEJ.03_235,04] Und so geht das durch alle andern Schöpfungstage bis zum Ruhestadium der Vollendung des Menschen! – Sage mir, ob du davon etwas zu fassen beginnst!"
[GEJ.03_235,05] Sagt Murel ganz erstaunt über die Bibelweisheit des Mathael: „Nein, hoher Freund, diese Weisheit hätte ich in dir nie und nimmer gesucht! Ah, auf diese Weise, die ich nun für die allein richtige erkenne, möchte ich mir von dir wohl die ganze Schrift erklären lassen! Ja, da gehört viel dazu, bis eine Menschenseele in diese Tiefe der Weisheit gedrungen ist! Wie aber bist denn du dazu gekommen?"
[GEJ.03_235,06] Sagt Mathael: „Mein Freund Murel, das ist doch auf diesem Platze, auf dem wir uns nun befinden, keine Frage mehr! Der Herr unter uns, – da ein Engel aus den Himmeln, der sicher Zeuge von aller materiellen Schöpfung war! Ich selbst war von meiner Jugend an schon ein Gelehrter der Schrift im Tempel, aus welchem Grunde man mich auch als Apostel zu den Samaritanern gesandt hatte; aber ehe ich noch mit den Samariten ein Wort reden konnte, machte Jehova einen Strich durch meine Rechnung: ich geriet unter arge Straßenräuber und mußte, um mein Leben zu erhalten, selbst ein arger Straßenräuber werden.
[GEJ.03_235,07] Da ich mich aber von Gott gar so mächtig verlassen sah, ohne daß ich in mir selbst dafür einen Grund finden konnte, so ärgerte mich das tief. Ich ward anfangs ungläubig und fing an, die ganze Schrift für ein Menschenmachwerk zu halten; aber ich ward durch eine sonderbare Erscheinung bald eines andern belehrt.
[GEJ.03_235,08] Ein Mann voll bittern Ernstes kam in einer Nacht, als ich allein vor der fürchterlichen Räuberhöhle Wache hielt, zu mir. Ich durchbohrte ihn sogleich mit meinem Schwerte. Er aber sprach: ,Gib dir keine Mühe mit deiner elenden Waffe; denn einen unsterblichen Geist tötet ewig keines Sterblichen Waffe! Ich bin der Geist Abrahams und frage dich, warum du Gott verlassen und Seinen Namen verfolgen willst!‘
[GEJ.03_235,09] Sagte ich, Mathael, voll Zornes darauf: ,Wozu verfolgte mich Gott zuerst, da ich doch in Seinem Namen zu den Samariten gesandt ward, um sie alle für den Tempel zu gewinnen!? Meine Absicht war ehrlich und redlich vor Gott und vor allen Menschen, weil sie ehrlich und redlich war vor meinem Gewissen. Gott hat mir vom Anbeginne meines Seins nur mein Gewissen zu meinem Richter gegeben, und ich lebte gerecht vor diesem innern, strengen Richter. Ich selbst habe mich nicht zu den Samariten ausgesandt, sondern der Hohepriester als Stellvertreter Mosis und Aarons.
[GEJ.03_235,10] War es unrecht, daß ich zu den Samariten ausgesandt wurde, so hätte dafür Gottes Weisheit nicht nötig gehabt, mich, sondern nur den allein zu züchtigen, der mich ausgesandt hatte; da sie aber mich, den Unschuldigen, ergriff, so bin ich von diesem Augenblicke ein ärgster Feind Jehovas, dessen Apostel an mich du, bitterer Geist, zu sein scheinst!‘
[GEJ.03_235,11] Da sprach der Geist, noch bitterer aussehend: ,Kennst du Gottes Macht und Zorn? Wie willst du, ohnmächtiger Wurm des Staubes, dem allmächtigen Gott Trotz bieten?! Kann dich Seine Macht denn nicht ergreifen und elendst vernichten, als wärest du nie dagewesen?!‘
[GEJ.03_235,12] Sagte ich: ,Das kann sie sicher tun; denn für ein solches Dasein, das ich nun habe, kann ich ihr nur ewig fluchen! Bin ich aber durchaus nicht mehr, so hat auch mein gerechter Zorn und Grimm gegen sie ein ewiges Ende!‘
[GEJ.03_235,13] Der bittere, ernste Geist aber sagte: ,Du kannst Gott nicht gebieten, daß Er dich vernichte! Er kann dich quälen, ewig hindurch, mit den erschrecklichsten Schmerzen und Peinen, und es würde sich dann weisen, wie lange du der Allmacht Gottes Trotz bieten würdest!‘
[GEJ.03_235,14] Da sagte ich voll des glühendsten Zornes: ,Das kann Gott tun, wenn es Ihm eine besondere Freude macht, ein Geschöpf ewig zu quälen, bloß um demselben Seine Allmacht gleichfort zu zeigen! Aber das beteure ich dir, du bitter ernster Geist, daß Gott, noch tausend Male allmächtiger, als Er ist, meinen Sinn mit allen Ihm erdenklichen Qualen ewig nie beugen wird!
[GEJ.03_235,15] Mit Güte, Sanftmut und erweisbarer Gerechtigkeit kann Er mit mir alles ausrichten, Er kann mich zu einem Lamme der Lämmer machen; mit Seinem Zorne aber zu einem Teufel der Teufel! Bis jetzt hat mir Gottes Allmacht nur ein qualvollstes Leben gegeben, für das ich ihr ewig nicht danken werde; fällt es ihr vielleicht einmal ein, gegen mich barmherziger zu werden und an mir das gutzumachen, was sie allmachtslaunig an mir verbrochen hat, so werde ich ihr dann auch dankbar werden! So aber, wie die Dinge nun stehen, bin ich Jehovas entschiedenster Feind! Denn in Seinem Namen zog ich voll Ernstes von Jerusalem nach Samaria, um dort Seine Ehre und Sein Lob zu verkünden; dafür ließ Er mich von Teufeln ergreifen und überwältigen!
[GEJ.03_235,16] Es mag ja sein, daß meine Sendung dahin Ihm nicht genehm und wohlgefällig war! Konnte Er aber den falschen Propheten Bileam durch dessen Esel zurechtweisen, warum mich und meine Gefährten nicht durch unsere Esel, die uns und unser Gepäck trugen?! Warum lieferte Er uns den Teufeln in die Krallen?!
[GEJ.03_235,17] Gib Antwort mir, oder aus meinem Munde trifft dich ein Fluch, wie er über dieser Erde Boden noch nie ausgesprochen wurde!‘ – Da entschwand der Geist, und ich fiel besinnungslos zur Erde!"
***
Verstand und liebender Einfluß auf den Verstand
Band 6 (GEJ)
57. Kapitel
[GEJ.06_057,01] Am Morgen des Nachsabbats aber standen wir früh auf, und Ich ging mit einigen Jüngern ins Freie, wie Ich das gewöhnlich beinahe überall zu tun pflegte. Es war ein heiterer und schöner Frühlingsmorgen, und es war zu verwundern, wie das Meer bei einer nahezu völligen Windstille so hohe Wogen trieb.
[GEJ.06_057,02] Der Wirt, der auch bald zu uns kam, fragte Mich, selbst ganz erstaunt, über die Ursache solch einer mächtigen Bewegung des Wassers, da doch nirgends von einem Winde etwas zu merken sei.
[GEJ.06_057,03] Ich aber sagte zu ihm: „Glaube es, Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden, und so geschieht auch hier nun diese starke Wasserbewegung, weil Ich sie also haben will! Ich aber habe einen Grund dazu, von dem du dich später selbst überzeugen wirst."
[GEJ.06_057,04] Sagte der Wirt, nun noch mehr erstaunt: „Herr, daß Dir alle Kräfte und Mächte der Natur untertan sind, das weiß ich ganz klar und gut; aber daß Du mit dieser Aufregung des Meeres auch einen geheimen Grund verbunden hast, das ist mir neu, zumal in dieser sonst so heiterschönen Morgenstunde. Die Wogen kommen immer mächtiger und höher! Es wird beinahe notwendig werden, daß ich die Schiffe besser verwahre und auch die Fischbehälter, ansonst da wahrlich ein Schaden geschehen kann!"
[GEJ.06_057,05] Sagte Ich: „Laß das nur gut sein; denn es wird weder deinen Schiffen noch deinen Fischen etwas Schadenbringendes begegnen. Aber denen, die in einer argen Absicht nun zu Schiffe auf dem Wasser sind, denen wird es nicht gar behaglich zumute werden. Sie sollen zwar nicht von den Wogen verschlungen werden, aber ihr böser Mut soll sich nach der sehr mühsamen Erreichung eines Ufers sehr abgekühlt gestalten!"
[GEJ.06_057,06] Fragte der Wirt: „Wer wohl sollten die Argen sein, und was haben sie im Sinne?"
[GEJ.06_057,07] Sagte Ich: „Du weißt es, daß Ich voriges Jahr am Laubhüttenfest in Jerusalem war und da im Tempel gelehrt habe von Meiner Sendung das Volk, nachdem Ich zuvor noch den 38 Jahre lang krank gewesenen Menschen am Teiche Bethesda geheilt hatte, und nachher noch eine Menge um Jerusalem und Bethlehem. Viel Volkes ward darum gläubig, was die Templer wohl erfahren haben, wie auch, daß Mir viel Volkes nachgefolgt ist. Deshalb haben sie in ihrem Grimme nun wieder beschlossen, Mir nachzustellen, Mich zu ergreifen und auch sogleich zu töten. Sie stellen alsonach Mir nach dem Leben. Aber Meine Zeit ist noch nicht da, und so bereite Ich ihnen nun ein Hindernis, Mir nachzukommen, Mich zu ergreifen und zu töten. Und darin liegt der Grund dieser nun so großen und starken Wogenbewegung des Meeres. – Kennst du dich nun aus?"
[GEJ.06_057,08] Sagte der Wirt: „O ja, wenn also, da solle das Meer nur noch mehr zu wüten beginnen! Es solle dazu auch ein recht mächtiger Sturmwind sich gesellen, da würden die Argen erst so recht zu verspüren anfangen, wie Gott ihre arge Mühe zu lohnen versteht!"
[GEJ.06_057,09] Sagte Ich: „Oh, ein Sturmwind käme ihnen, da sie ein sturmsicheres Schiff haben, gerade recht gut zustatten; denn der würde sie gar bald an ein sicheres Ufer bringen. Aber diese windlose Springflut bringt sie erst ganz vollkommen zur Verzweiflung; denn sie kommen da sogar mit dem kräftigsten Rudern nicht vom Flecke, weil jede Woge das Schiff wieder auf seinen früheren Standpunkt zurückwirft und es ihnen dabei so ergeht wie einem Wanderer, der über ein Geröll auf die Höhe eines Berges kommen will. Bei jedem Schritte gibt es nach, und der Wanderer gleitet dahin zurück, wo er zuvor gestanden ist. Daher ist diese Art Meeresbewegung für Meine Verfolger schon ohnehin die beste und dienlichste. – Aber lassen wir nun das und gehen nachsehen, was unser Morgenmahl macht!"
[GEJ.06_057,10] Sagte der Wirt: „Herr, es wird schon bereitet sein; aber ich habe den Dienern aufgetragen, uns zu rufen, wenn alles bereitet ist, und sieh, da kommt schon einer vom Hause herab und bringt uns den Ruf, uns zum Morgenmahle zu begeben, und so wollen wir denn auch gehen!"
[GEJ.06_057,11] Sagte Ich: „Du irrst dich, – der bringt uns nur die Nachricht, daß die Jünger sich nach Mir erkundigt hätten und erfahren möchten, wohin Ich gegangen sei. Denn es ist unter ihnen eine kleine Meinungsverschiedenheit ausgebrochen, und da soll Ich sogleich einen Schiedsrichter machen unter ihnen. Aber nun lassen wir sie nur noch ein wenig wortwechseln; es ist hernach noch Zeit zur Genüge, sie alle auf den rechten Weg zu führen."
[GEJ.06_057,12] Sagte der Wirt: „Über was mögen sie denn doch in eine Meinungsverschiedenheit geraten sein?"
[GEJ.06_057,13] Sagte Ich: „Oh, über etwas ganz Kleines! Die etlichen Meiner alten im Hause gebliebenen Jünger wurden von den zwanzig neuen um die Ursache dieser starken Meeresbewegung befragt, und die alten Jünger sagten, daß diese windlose Meeresbewegung sicher wunderbarerweise allein von Mir veranlaßt sein werde irgendeines geheimen Grundes wegen. Allein das wollen ihnen die neuen Jünger nicht so recht gelten lassen und sagen: ,Wir wissen es wohl, daß alles Geschehen und Werden allein von Gott dem Herrn abhängt; aber dessenungeachtet hat Er in der Natur geheime Kräfte bestellt aus Seiner Ordnung, Gerechtigkeit und Weisheit, die da wirken nach Seinem Willen. Er regt die Kräfte durch Seinen Willen freilich zuerst an; aber da wirken die bestellten Kräfte unmittelbar und Gott durch sie nur mittelbar. Daß alles Schwere in die Tiefe falle, das hat ursprünglich Gott also angeordnet; aber nun treibt die also bestellte Kraft die eigene Körperschwere von selbst in die Tiefe. Also hat Gott ursprünglich das Wasser schwer und flüssig gemacht. Diese von Ihm gegebene Eigenschaft ist nun eben auch die geheime Kraft des Wassers, die es von der Höhe gegen die Tiefe unaufhaltsam fortfließen macht, ohne daß Gott dabei stets Hand ans Werk legen und das Wasser in den Bächen, Flüssen und Strömen fortschieben müßte. Und also wird es nun auch bei dieser windlosen Meeresbewegung sein; nur ist sie eben wegen der gänzlichen Windstille auffallender denn eine durch einen starken und mächtigen Orkan erregte.‘ Sie fragten darum eben die schon um vieles erfahreneren Jünger, durch welch eine geheime Kraft Gott nun diese Meeresbewegung hervorgerufen haben möge.
[GEJ.06_057,14] Die alten Jünger aber behaupten steinfest, daß diese Bewegung nicht mittelbar, sondern ganz unmittelbar durch die Macht Meines Willens hervorgerufen sei. Nun aber haben die Neujünger in ihrer Art recht und die Altjünger auch, und dafür brauchen sie Mich als einen entscheidenden Schiedsrichter. Und daher wollen wir uns denn auch zu ihnen begeben und sie einen in Recht und Wahrheit!"
[GEJ.06_057,15] Darauf begaben wir uns sogleich ins Haus, von dem wir ohnehin höchstens bei tausend Schritte entfernt waren.
[GEJ.06_057,16] Als wir ins Haus kamen, da begrüßten Mich alle Jünger und trugen Mir sogleich ihren Streit vor.
[GEJ.06_057,17] Ich aber sah sie alle freundlich an und sagte: „Ihr streitet um den Wert einer Schafwollocke! Ihr Neujünger habt recht, – aber nun die Altjünger auch; denn im allgemeinen habt ihr Neujünger recht, und nun in diesem besonderen die Altjünger. Denn diese euch nun so ganz sonderbar vorkommende Meeresbewegung rührt nicht von einer Mittelskraft her, sondern unmittelbar von Meinem Willen.
[GEJ.06_057,18] Auf daß ihr aber das noch fühlbarer merken möget, so sehet hinaus auf das Meer, das nun in einer durchaus gleich starken Bewegung ist! Ich werde einem kleinen Teile hier in der Ufernähe gebieten, in eine vollkommene Ruhe zu treten, und ihr werdet dann doch einsehen, daß Gottes Wille auch unmittelbar etwas zu bewirken vermag."
[GEJ.06_057,19] Ich stillte bloß durch den Willen einen zweihundert Acker großen Teil des Meeres also, daß es spiegelglatt dalag, während außerhalb dieses Spiegels das Meer noch ärger tobte denn zuvor. Als die Neujünger das ersahen, fielen sie vor Mir nieder und wollten Mich anzubeten anfangen.
[GEJ.06_057,20] Ich aber sagte zu ihnen: „Lasset das nur gleich ganz gut sein! Denn darum bin Ich nicht in diese Welt gekommen, um Mich von den Menschen ehren und anbeten zu lassen, sondern nur, um ihnen zu zeigen die Wege der Wahrheit und des Lebens und zu helfen allen, die da Not leiden und mühselig und mit allerlei argen Bürden beladen sind.
[GEJ.06_057,21] Wollt ihr aber Gott, der in Sich ein reinster Geist ist, wahrhaft anbeten, so müsset ihr Ihn durch die Liebe in euren Herzen auch im Geiste und in der Wahrheit anbeten, und zwar in der Tat durch allerlei gute Werke. Denn wahrlich, was ihr den Armen tut aus der Liebe zu Gott, das tut ihr Gott! Und daß ihr an Mich glaubet, daß Ich aus Gott gesandt zu euch gekommen bin, in diesem allein besteht die wahre Anbetung Gottes. Alles leere Lippengebet aber ist ein Greuel vor Gott und ist völlig wertlos. Wer Gott mit den Lippen ehrt, und sein Herz ist dabei kalt und untätig, der macht aus Gott einen Götzen und treibt dadurch eine wahre geistige Hurerei. Solches stehet in einem Propheten, der da spricht: ,Siehe, dieses Volk ehret Mich mit den Lippen; aber sein Herz ist ferne von Mir!‘
[GEJ.06_057,22] Wahrlich, sage Ich euch: Wo das Herz durch die wahre und reine, uneigennützige Liebe Gott in der Tat nicht anbetet, da ist jedes Gebet ein leerer und nichts werter Schall, der in der Luft verhallt und völlig zunichte wird. Ich bin nun euer Meister, und ihr seid Meine Jünger. Was Ich euch sage, das glaubet, und was Ich euch heiße, das tuet, und folget Mir nach! Eines Weiteren bedarf es unter uns nicht."
[GEJ.06_057,23] Hierauf ließen die Neujünger von ihrer Anbeterei ab, und wir begaben uns zum wohlbereiteten Morgenmahle, das allen ganz wohl schmeckte.
58. Kapitel
[GEJ.06_058,01] Unter dem Mahle ward wenig geredet, aber nach dem Mahle desto mehr; denn es kamen bald eine Menge Gäste aus der Stadt, teils um zu besehen das wütende Meer, und teils aber auch, um allda einzunehmen ein gutes Fischfrühstück; denn unser Wirt hatte nämlich in dieser Hinsicht einen guten Ruf in der ganzen Stadt. Es war nicht leicht zu vermeiden, mit diesen Gästen in eine Berührung zu kommen, und so fragten viele, ob Ich nicht auch zugegen wäre; denn sie sahen etliche Meiner ihnen wohlbekannten Jünger und schlossen daraus, daß Ich auch nicht gar zu weit von ihnen entfernt sein würde.
[GEJ.06_058,02] Ein gar vornehmer Kapernaumer, der den Simon Petrus gar wohl kannte, rief ihn zu sich und sagte: „Lieber Freund! Du weißt, daß ich stets von dir Fische nahm und dein Haus nach Kräften unterstützt habe; allein es ist jetzt schon über ein Jahr, daß du und mehrere recht brave und solide Leute mit dem Nazaräer Propheten für nichts und wieder nichts umherziehet und euch dadurch eine Menge Feinde unter den Juden zügelt (ziehet). Zugleich vernachlässiget ihr euer Hauswesen und eure Familien, und das kann nach den Gesetzen Mosis doch Gott nicht angenehm sein! Es ist wohl wahr, daß der Nazaräer zuweilen ganz außergewöhnliche Zeichen wirkt und man beinahe versucht wird, ihn für einen von Gott gesalbten Propheten zu halten; aber hört man ihn hernach reden, so weiß man nicht, ob es ihm im Gehirne mangelt, oder ob er nicht geflissentlich einen Unsinn zusammenredet, den kein gesunder Mensch anhören kann, wie zum Beispiel gestern in der Schule. Man war allgemein gespannt, was er da vorbringen werde, da man sonst von seinen wahrlich außerordentlichen Fähigkeiten doch schon so manches selbst erlebt und mehreres von sehr glaubwürdigen Augenzeugen vernommen hatte; allein seine gestrige Rede war doch so etwas Hirnloses, daß sich alles darob weidlichst ärgern mußte! Wahrlich, wenn ihr von ihm nichts Besseres lernet, so seid ihr um euretwillen und noch mehr eurer braven Familien wegen sehr zu bedauern! – Habe ich recht oder nicht?"
[GEJ.06_058,03] Sagte Petrus etwas erregt: „Freund, wenn du über unsern Meister ein gültiges Urteil fällen willst, so mußt du Ihn gleich mir näher kennen! Ich bin nun über ein Jahr stets um Ihn und weiß darum auch um ein bedeutendes mehr, als du irgend wissen kannst. Ich bin auch nicht aufs Gehirn gefallen, kenne die Schrift und kann daher auch so manches ganz gründlich beurteilen; aber ich habe aus Seinem Munde noch nie ein Wort vernommen, in welchem sich nicht die tiefste, göttliche Weisheit sonnenhellst bekundet hätte. Selbst die gestrige Rede war voll des innersten, göttlichen Lebens und Geistes. Daß sie nur von sehr wenigen verstanden wurde, dafür kann Er wahrlich nicht! Wenn Er Sich klar offenbart und endlich ausspricht, wer Er so ganz eigentlich ist, und niemand glaubet es Ihm, wie möglich könnte da von solchem harten Unglauben Seine gestrige Rede verstanden werden?!
[GEJ.06_058,04] Da sieh hinaus! Das Meer, wie es unerhört tobt und wütet! Und sieh aber auch diese bedeutende Uferstrecke an, wie spiegelruhig sie ist, und keine mit aller Gewalt an sie stoßende Woge vermag sie aus ihrer Ruhe zu rütteln! Und siehe, daß dieses also ist und geschieht, das ist des Nazaräers Wille! Vor kaum einer halben Stunde waren die Wogenstürme auch hier am Ufer ebenso mächtig wie dort in der hohen See; aber Er gebot dieser Strecke Ruhe, und sie ruhte im Augenblicke, wie sie nun noch ruht. Wer aber mag wohl Der sein, dem auch die stummen Elemente augenblicklich gehorchen?!
[GEJ.06_058,05] Er hat es euch aber gestern einmal frei und unumwunden herausgesagt, wer Er ist. Warum habt ihr Ihm denn nicht geglaubt und gebeugt eure Knie und eure Herzen vor Ihm?! War es wohl klüger von euch, Ihn für einen Narren zu erklären, als hinzutreten vor Ihn und zu sagen: ,O Herr, der Du, als das Leben und alle Macht aus Gott Selbst, Worte des Lebens uns verkündest, sei uns armen, blinden Sündern gnädig und barmherzig!‘ Siehe, ich kenne und sehe, wer Er ist, und bleibe darum bei Ihm und werde allein nur von Ihm darum ernten das ewige Leben, dessen ich schon jetzt um vieles gewisser bin, denn daß ich jetzt lebe und rede! Und wäre es nicht also, da, glaube es mir, würde ich schon lange nicht mehr Sein Jünger sein; denn so viel Verstand als so mancher Bürger dieser Stadt habe ich auch!
[GEJ.06_058,06] Aber ich habe übereinstimmend mit allen Propheten der Schrift erkannt, daß nur Er allein der verheißene Messias, der große Gesalbte Gottes von Ewigkeit sein kann und auch ist, und so bleibe ich bei Ihm und halte es für den höchsten Ruhm der Welt, von Ihm Selbst als ein Jünger berufen worden zu sein. Gehe hin zu meiner Familie und frage sie, ob ihr seit meiner Abwesenheit je irgend etwas abgegangen ist! Wer außer Ihm aber sorgt für sie?! Und sie hat Brot und Wein zur Genüge! Er geht nicht hin und bebaut ihre Äcker und fängt für sie die Fische; das alles tut Sein allmächtiger Wille, durch den allein auch der ganze Erdboden bebaut wird! Und du sagst, daß es nicht fein sei, dieses Nazaräers wegen sein Haus und seine Familie zu verlassen! O du blinder Freund du!
[GEJ.06_058,07] Sieh, ich brauche wahrlich von dir und von gar keinem Menschen eine Belehrung; denn ich habe für ewig an der Belehrung des Einen genug! So du aber nicht gar so blöde wärest, wie du in aller Wahrheit bist, so würdest du uns fragen, was dein Nazaräer lehrt und tut, und du würdest um sehr vieles weiser tun denn also mit deinen weltklugen Selbstsuchtsreden! Ich weiß, was ich weiß, und die andern Jünger wissen es auch und sind samt mir Zeugen von der großen Liebe und Wahrheit Gottes des Vaters, die nun in unserem Herrn Jesus, dem von Gott Gesalbten, zu uns in diese Welt gekommen ist zum Heile aller, die an Ihn glauben, und zum Gerichte für die, welche Ihn nicht annehmen wollen und allzeit mit Rat und Tat wider Ihn sind und wider Ihn zu zeugen sich alle Mühe nehmen.
[GEJ.06_058,08] Aber wir maßen es uns doch nicht an, jemanden von euch für dumm und blind und für leichtsinnig zu erklären; aber ihr tut das an uns und haltet uns für arbeitscheue Müßiggänger und luftige Abenteurer, ohne daß wir euch nur den allergeringsten Anlaß dazu geben! Sage mir offen, ob das recht ist vor Gott und vor jedem biedern Menschen!"
[GEJ.06_058,09] Sagte der reiche Bürger: „Na, na, mein lieber Simon Juda, ich habe es ja nicht gar so arg gemeint, daß du darob Ursache hättest, dich gar so zu ereifern über mich! Wenn du den wunderlichen Nazaräer besser kennst denn ich, so ist das ja nicht meine Schuld; denn ich habe nicht die Gelegenheit gehabt, dir gleich beständig bei ihm zu sein, und zu sehen alle seine Werke und zu hören alle seine Worte. Ich beurteilte ihn nur nach dem, was ich wohl selbst gesehen und was ich über ihn von anderen Menschen gehört habe. Als ein purer Mensch kann ich von einem Menschen auch beim besten Willen nicht anders als nur menschlich urteilen; und weil ich als dein alter Freund solches nun dir gegenüber tat, so wäre es dir als einem viel erfahreneren und weisen Menschen etwa doch nicht übel angestanden, so du mit etwas gemäßigteren Worten mir meinen Irrtum vorgetragen hättest! Ich bin dir aber darum nicht gram, weil ich dich allzeit liebgehabt habe.
[GEJ.06_058,10] Das aber muß sogar die göttlichste Weisheit mir offen zu Recht bekennen, daß niemand von einem Menschen mehr verlangen kann, als dieser zu leisten imstande ist. Ich möchte den Gott kennen, der zu mir gebietend und gleich strafdrohend sagen möchte: ,Da, du elender Erdenwurm, diesen Berg hebe auf und trage ihn von hier bis ans Ende der Welt, ansonst verfluche Ich dich ins ewige Elend!‘ Würdest du solch eine irgend göttliche Anforderung für weise halten?! Könnte ein weiser Gott, der meine Kräfte kennen muß, eine solche Tat von mir verlangen?! Ich frage dich, ob es so ganz weise von dir war, von mir über meine geistigen Kräfte ein Erkennen, Verstehen und Glauben zu verlangen, mich aber meines wackeligen Glaubens und Erkennens wegen auch gleich des Gerichtes zu versichern.
[GEJ.06_058,11] Die geistige Kraft steht aber offenbar noch höher denn jede natürliche. Wem sie nicht eigen ist, dem ist sie einmal nicht eigen, und man kann dann ohne die Innehabung der größeren und höheren geistigen Kraft denn auch ebensowenig tiefere und geheimere Wahrheiten verstehen und sie als solche gläubig erkennen, als wie wenig man mit zu wenig Naturkraft einen Berg aufheben und weitertragen kann. Ich meine aber, daß man überall mit Liebe und Geduld mehr ausrichtet bei den Menschen denn mit solch einem Ernste, wie du ihn nun ohne Not mir gegenüber entwickelt hast. – Habe ich recht oder nicht?"
[GEJ.06_058,12] Sagte Petrus etwas verlegen: „Ja, ja, du kannst schon auch in deiner Art recht haben, und ich kann dieser deiner Ansicht gerade nichts entgegenstellen; aber das mußt du auch einsehen, daß es von deiner Seite durchaus nicht fein war, mich gleich gewisserart für einen leichtsinnigen Menschen zu halten, dieweil ich mein Haus, mein Gewerbe und meine Familie verließ und bin nachgefolgt dem Heiligen Gottes aus Nazareth!
[GEJ.06_058,13] Ich weiß es wohl, daß es dir hier, wie nun gar vielen, an der geistigen Kraft mangelt, die tiefen Geheimnisse Gottes auf den ersten Blick zu verstehen; aber es ist da noch ein ganz guter Mittelweg, und dieser lautet von mir aus ungefähr also: Wenn ich von außerordentlichen Dingen höre oder sie sogar selbst sehe, so bleibe ich bescheiden und halte mit meinem Urteile so lange inne, bis ich nicht von irgendeiner Seite her möglicherweise ein helleres Licht darüber erhalte; und bin ich dadurch auch noch nicht so ganz im klaren, so forsche ich noch weiter, und kommt mir darüber kein höheres und stärkeres Licht, so bin ich erst berechtigt zu sagen: ,Das verstehe ich nicht und überlasse es andern, die fähiger sind denn ich, darüber ein Urteil zu fällen!‘ Aber über eine unverstandene Sache gleich den Stab zu brechen, ist doch sicher noch unweiser denn mein Eifer gegen dich!
[GEJ.06_058,14] Du hast sicher das Hohelied Salomos gelesen und auch sicher samt mir keine Silbe davon verstanden! Wäre das klug, es darum zu verwerfen, weil man es nicht versteht?! Wir haben dennoch eine große Hochachtung vor diesem Liede, obwohl wir es nicht verstehen und wahrscheinlich in dieser Welt auch nie völlig verstehen werden. Hätten wir zu den Lebzeiten des mit so hoher Weisheit begabten Königs mit unserem gegenwärtigen sehr beschränkten Verstande gelebt, da hätten wir bei uns über das Hohelied wahrscheinlich kein besseres Urteil geschöpft, als ihr es gestern über die vom Herrn und Meister gehaltene Rede geschöpft habt; aber weil des Königs Lied schon sehr alt ist, so achtet man es des Alters wegen, wenn man es auch gar nicht versteht.
[GEJ.06_058,15] Unser Herr und Meister leistet Taten, von denen einem Salomo nie etwas geträumt hat, und Seine Weisheit und respektive vollste Allwissenheit verhält sich gegen die Salomonische Weisheit gerade also wie die Unendlichkeit zu einem kleinsten Punkte in ihr; weil sie aber nicht nahe tausend Jahre alt ist, und hier vor euren Augen und Ohren ist, wirkt und leuchtet, so ist sie für euch eine Torheit. Denke selbst nur ein wenig reiflich nach, und sage es mir, ob das von Männern von einigem Verstande klug ist!
[GEJ.06_058,16] Ich bin wohl dir gegenüber in einen Eifer gekommen, aber in einen gerechten, da ich dir denn doch zeigen mußte, daß ich wie auch die andern Brüder deshalb keine arbeitscheuen Toren sind, so wir alles verlassen haben und sind Ihm nachgefolgt; aber ihr alle seid es, die ihr das nicht einsehet, erkennet und dasselbe tut, was wir tun. Denn jetzt ist die Zeit vor unseren Augen da, in der ein jeder, der es will, unmittelbar von Gott belehrt und gezogen werden kann; denn wahrlich, ich sage dir als dein alter Freund: In diesem von euch so genannten Propheten aus Nazareth wohnt nicht nur der erweckte Geist eines Propheten, sondern die ganze Fülle der Gottheit körperlich und sonach um so mehr im Geiste! Aber ihr seid alle blind und möget das nimmer erkennen und um so weniger glauben zu eurem eigenen größten Schaden, und es ist darum schwer zu reden mit euch."
[GEJ.06_058,17] Sagte der reiche Bürger: „Aber – lieber, alter Freund, du redest stets ein und dasselbe! Bedenke doch einmal mit nüchternen Sinnen, daß fürs erste noch nie irgend jemand als ein völlig Weiser vom Himmel auf unsere Erde herabgekommen ist – und namentlich als ein Mensch unseresgleichen schon gar nie! Woher hätten wir es denn nehmen sollen, daß wir wüßten, daß hinter dem uns persönlich nur zu wohl bekannten Zimmermannssohne, der bei uns mit seinem Vater Joseph und seinen Brüdern mehrmals gearbeitet hat, nun auf einmal die ganze Fülle der Gottheit sich befinden solle?!
[GEJ.06_058,18] Ja, wäre er etwa aus Ägypten oder aus Persien zu uns mit seinen Wundertaten herübergekommen, da hätte sein ganzes Wesen vor uns kurzsichtigen Menschen offenbar mehr für sich und würde uns auch sicher leichter und stärker anziehen; aber so ist er uns schon von seiner Kindheit an bekannt und hat früher, solange sein Vater lebte, nie etwas nur im geringsten merken lassen, daß er irgend etwas mehr wäre denn ein ganz gewöhnlicher, stiller, fleißiger und höchst gut gesitteter Mensch! Nun auf einmal hat er sich erhoben zu einem Lehrer und außerordentlichen Heilande für Kranke und sogar scheintote Menschen, was um so auffallender ist und sein muß, weil er früher von all dem nie irgend etwas hat merken lassen und wir recht wohl wissen, daß er zuvor niemals eine Schule besucht hat und nie in einer Fremde war, in der er sich so etwas hätte zu eigen machen können.
[GEJ.06_058,19] Auf einmal steht er aber mit so außerordentlichen Fähigkeiten ausgerüstet vor uns, über die ein jeder Mensch mit Recht sein höchstes Staunen ausdrücken muß! Was bleibt uns mit unserem natürlichen Verstande zu urteilen übrig als: er ist einmal in einer Nacht vom Geiste Gottes als ein frommer Mann zu einem Propheten erweckt worden, und wir tun darum nichts Unbilliges, so wir ihn für einen Propheten aus Nazareth erklären, was auch die Nazaräer selbst tun. Von dir erfahre ich erst jetzt ganz andere Dinge, die freilich für mich noch etwas seltsam klingen müssen; aber auch das macht nichts, weil ein jeder Mensch von einer Sache zuvor doch etwas vernehmen muß, bevor er sie beurteilen, prüfen und dann erst als eine volle Wahrheit gläubig annehmen kann.
[GEJ.06_058,20] Ich habe von dir nun zum ersten Male darüber etwas vernommen, was eigentlich hinter unserem Nazaräer stecke, und siehe, so großartigst deine Aussage von ihm auch ist, so finde ich sie dennoch durchaus nicht verdammlich, sondern sogar sehr ernstwürdig, darüber nachzudenken, sie zu prüfen und auch anzunehmen, so man alle dazu erforderlichen Bedingungen in der vollen Ordnung gefunden hat! Ich finde daran nichts Unmögliches, und es spricht nun der Umstand sehr dafür, weil wir alle es nur zu gut wissen, daß der Nazaräer sich solche außerordentlichen Fähigkeiten nie in irgendeiner geheimen Prophetenschule hat zu eigen machen können, weil er nie eine besucht hat. Nach der Behauptung seines Vaters soll er sogar niemals lesen und schreiben derart gelernt haben, daß man sagen könnte, er sei dessen völlig kundig. Und so ist seine plötzlich aufgetauchte Fähigkeit um so auffallender und um so bewunderungswürdiger die unbegreifliche Macht seines Willens, dem sogar, wie ich's vernommen habe, buchstäblich wahr die härtesten Steine weichen sollen. Ich halte das alles für wahr, weil ich im vorigen Jahre selbst Zeuge war von einer solchen Tat, die er offenbar nur durch seinen Willen vollführt hat. Aber du, mein alter Freund, mußt mir darum nicht gram werden, wenn ich als ein einfacher und schlichter Mensch nur menschlich mit dir rede!"
[GEJ.06_058,21] Sagte Petrus: „Vom Gramwerden kann bei mir schon lange keine Rede sein; aber einem alten Freunde die volle Wahrheit zu sagen, dessen werde ich mich auch nicht scheuen. Für jetzt aber vergnüge dich wohl im Namen meines Herrn und rein göttlichen Meisters! Ich muß nun zu Ihm ins anstoßende Zimmer gehen; denn ich habe in mir Seinen Ruf vernommen."
[GEJ.06_058,22] Hier verließ Petrus seinen alten Freund und kam wieder zu uns in unser Gemach.