HELLA ZAHRADA

 

EPHIDES

 

Ein Dichter des Transzendenten

 

                      

 

Nicht Gott verhüllt geheimnisvoll Sein Walten, den hüllend Schleier trägst, o Mensch, nur du. Die Stimmen schwiegen nie, die allen galten, von deren Klang die Himmel widerhallten; vor dir nur tat des Paradieses Tor sich zu.

Der Name EPHIDES, den manche dem Altgriechischen zuordnen, gibt uns weder einen historischen noch einen sonstigen, etwa symbolischen Hinweis. Dennoch scheint die Frage „Wer war oder ist Ephides?" nicht abwegig zu sein. Hat doch jene Wesenheit oder Instanz einige Gedichte vermittelt, die sich offensichtlich auf sie selbst beziehen. Hier das vielleicht deutlichste Beispiel (gekürzt wiedergegeben):

Der Namen viele trug ich durch die Zeit, von ihrer Last hat mich die Zeit befreit... Von manchen bröckelt Ruhm wie Blattgold ab und sinkt zu längst Vergessenem hinab ... In jedem Bild gemahnt ein Zug an mich, ein Zug, nicht mehr, erst alle sind mein Ich!

Ephides, eine mehrfach in die Geschichte eingegangene Persönlichkeit? Wie alle Menschen zunächst an das Gesetz der Wiedergeburt gefesselt und nun von dieser „Last befreit"? Jetzt ein Rufer aus dem,,lichten Land", der nicht mehr auf die Erde zurückkehrt, sich nicht mehr reinkarniert?

Für manche Leser gewiß eine ungewohnte Vorstellung, für andere jedoch eine durchaus logische Überlegung - zumal dann, wenn man die Schlüssigkeit der Gesamtsicht der Ephides-Durchgaben erkennt und anerkennt, die Einblicke tiefster Weisheit vermitteln, und deren himmlischzielgerichteter Sehnsucht man sich kaum entziehen kann.

 

 

 

  

ISBN 3-9806345-3-1

 

 

 

                                                     Inhalt

 

 

Zum Geleit

Schöpfung und Evolution

Feste des Jahres

Weltenwanderer Mensch

Worte der Weisheit

Schuld und Schatten

Schattenkämpfe

Zeitenwende

Licht in Nacht und Not

Vom wahren Tun

Fackelträger

Tod und Auferstehung

Ins Licht erhoben

Vom Strom getragen

Das Heilige

In der Stille

Himmlische Verbindung

Wahre Liebe

Ausklang

Nachwort

HELLA ZAHRADA

DIE

EPHIDES - GEDICHTE

Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk

ADYAR-VERLAG GRAz

 

I N H A L T S Ü B E R S I C H T

Gedichte aus Band l der Erstausgabe

 

AUS BAND 2 DER ERSTAUSGABE

AUS BAND 3 DER ERSTAUSGABE

Gedichte aus 1936 bis 1939

Gedichte aus der Nachkriegszeit

 

 

 

 

 

Nektar 

 

ZUM GELEIT

 

Ich kann nur Sänger meiner Sehnsucht sein,

die Stimme nur der Sterne und der Ferne ...

Ich schenk des Lebensliedes goldnen Wein

in eure leeren Herzenskelche ein,

daß ich daran das Glück des Gebens lerne.

 

Ich bin nur hoher Liebe Klang und Laut,

ich schenk den Wein nur, den ich selbst bekam.

Im Weinberg über mir wird er gebaut,

gepflegt, gekeltert und mir anvertraut.

Nehmt ihn so freudig an, wie ich ihn nahm!

 

Auch richtig Nehmen will erlernet sein.

Wir sind das Echo nur vom ew'gen Chor,

doch Dank und Demut heben uns empor,

und durch der Sehnsucht hochgewölbtes Tor

gehn wir zum Weinberg unsres Vaters ein.

 

Feuerblume

 

 

SCHÖPFUNG UND EVOLUTION.

 

 

Als ein Gedicht erdachte Gott die Welt,

darin der Zeiten Ablauf rhythmisch steigt und fallt,

der Reim das Ähnliche im Gleichklang bindet,

der Sinn, zum Sein verdichtet, sich verwirklicht findet.

 

So aber kam der hehre Bau ins Wanken:

Die Worte lösten sich und traten aus den Schranken,

die Reimzerstörung nannten sie Gewinn,

zum Selbstzweck ward das Sein, und es vergaß den Sinn.

 

Die reimentlaufnen Worte seh ich leiden

und Gleichklang suchen. Einst wird auch bescheiden

das letzte froh an seiner Stelle stehn im Licht,

ein tragend Pfeiler nun im ew'gen Gottgedicht.

Heiliges Leben! Unzählbare Formen erfüllend,

.Formen verwandelnd, zerbrechend und neu Dich umhüllend,

strömst Du, o Atem der Gottheit, durchs endlose All!

 

Deiner Geschöpfe vereinigtes Rufen und Ringen,

weltenumwälzender Taten gigantisch Vollbringen

ist Deines mächtigen Rufes rückkehrender Schall.

 

Tragt behutsam und in reinen Händen

des Bewußtseins kleine Öllaterne.

Fürchtet nicht ihr Leuchten zu verschwenden -

alle Wesen warten nah und ferne.

 

Die im tiefen Schlaf in Felsenklüften:

Auch in ihnen glüht ein Funke Leben.

Träumend rufen Blumen euch mit Düften,

doch am meisten sollt ihr Tieren geben.

 

Alle mühn sich auf der Stufenleiter,

um gleich euch Bewußtsein zu erreichen.

Laßt das Licht erstrahlen, weit und weiter;

mehr und mehr sollt ihr den Engeln gleichen!

 

Sieh an die Berge, die gen Himmel steigen,

Sieh an die Sterne, die sich zu dir neigen,

sieh an die ganze Welt, die Gott gemacht,

und sinne nach, was Er dabei gedacht.

 

Dann findest du in allem einen Schein

von Wahrheit. Denn es ist ja alles Sein

Gedankenbild, das Er vor dich gestellt:

Du lebst in ihm, und in dir lebt die Welt.

 

O des Lebens wunderhelle Silberquelle!

Ungestüm drängt Well' um Welle

pulsend aus geborgnen Tiefen,

drin die Himmelswasser schliefen

lange, lange...

bis im Sehnsuchtsüberschwange

selig sie dem Stein entstiegen.

Sie, die lange, lange schwiegen,

wollen reden, raunen, rauschen,

mit dem Echo Grüße tauschen

in der morgenfrischen Kühle

und in Sommermittagsschwüle

Blumen tränken,

Labsal schenken.

 

Kommt der Abend dann, der immer

seinen Dämmerteppich breitet,

daß die Nacht im Sternenschimmer

unhörbar darüberschreitet,

hebt die Quelle an zu singen ...

bis die schlafbefangnen Seelen

unbewußt im Miterklingen

sich dem Himmelsglanz vermählen.

Du, von allen Wundern helle

Silberquelle!

 

Wer wie du aus Nacht gekommen,

weiß zur Nacht mit fröhlich frommen

Silberstimmen süß zu trösten,

mit dem Wissen der Erlösten.

 

Es ist das Kleinste nicht zu klein,

um Gottes Abbild dir zu sein.

Und Gottes Wirken tut dir kund

Kristall und Blüte, Stern und Mund.

Was braucht es mehr, um Gott zu sehn?

Kannst du an Ihm vorübergehn?

 

Zittert schon ein Frühlingsbeben,

l spürst du schon das neue Leben,

hörst du schon den fernen Klang?

Alle die Geschwisterseelen

warten dein, du sollst nicht fehlen

in der Engel Chorgesang.

 

Aus der alten Tage Mühen

wollen schönre Blumen blühen,

als die Erde tragen mag.

Aufwärts recken sich die Ranken

deiner suchenden Gedanken

in den lichten Frühlingstag.

 

Deines Wachstums Wunderwerke

sind nicht Zeugnis deiner Stärke,

denn dich trägt des Schöpfers Kraft.

Dank mit Farbensymphonien,

dank mit Jubelharmonien,

danke Ihm, der alles schafft.

 

Sei tausendmal gegrüßt, mein Bruder Baum!

Es ist nicht viel, was ich voraus dir habe.

Die Freiheit falschen Tuns ist keine Gabe,

die glücklich macht. In deinem sanften Traum,

geborgen in der Erdenmutter Schoß,

bist, was du sein sollst, ganz und sündenlos

und spürst die Schwere deiner Krone kaum.

Doch ich, der Mensch - erfülle ich den Rahmen?

Trag ich wie du als Krone meinen Namen?

Die stolze Demut lehre mich, mein Baum!

 

Du gehst an uns vorbei, die deinen Weg wir säumen,

'beredter Bruder du, an uns, den stummen Bäumen.

Du wanderst nach dem Ziel, und unser ist das Warten

auf den in deinem Geiste schon Geoffenbarten.

 

Vergiß es nicht, die Sehnsucht geht mit dir

von all den Blühenden und all des Blühens Segen.

Und wenn du ruhen willst von Wetter, Wind und Regen,

so komm, viel grüne Zelte weben wir!

 

Des Himmels Vögel fliegen ein und aus, Gedanken,

von Gott erdacht, vielfingrig tasten unsre Ranken

ins Licht. Doch dir nur ist gegeben, es zu fassen.

Wird einstens Gott in deine Freiheit uns entlassen?

 

Wie wird das Herz ruhig und stark in der Natur! Umgeben von den starken, hohen Bäumen wächst auch euer Kleinmut und Kleinglaube auf zu der Höhe, die ihr sucht und immer wieder verlassen müßt. Die Bäume sind Leben, das in gesetzten Bahnen, in reiner, ruhevoller Kraft sich entwickelt ohne Wirrnis und ohne Zwiespalt. In euch aber ist Wirrnis, in euch ist Zwiespalt, und darum drängt es euch zu dem reinen, klaren Leben der Natur, zu der reinen, starken, geraden Linie ihres Seins.

 

Ihr seid aus der Harmonie gefallen, in der die Geschöpfe der Natur noch stehen; aber ihr kommt nicht in die Harmonie zurück, indem ihr wieder werdet wie die Geschöpfe der Natur, die gesetzesgebundenen, sondern ihr müßt vielmehr hinauswachsen über euch selbst und zurückkehren auf jenem großen, weiten Weg, dem Weg der Freiheit. Die Freiheit ist ein Geschenk und eine verantwortungsvolle Aufgabe. Die Freiheit macht euch über den Geschöpfen der Natur stehend, aber durch sie könnt ihr auch unter die Geschöpfe der Natur herabsinken. Die Freiheit läßt euch das weite Land zu beiden Seiten des Gesetzesweges sehen und lässt euch alle Wege, aber auch alle Irrwege frei. Wenn der Geist desIrrweges bedarf, um dadurch zu seinem eigenen Gesetz, seinem von ihm gesetzten Weg zu kommen, dann hat auch der Irrweg seinen Sinn und seine Bedeutung und wird dadurch zum Weg des Gesetzes.

 

Gott führt euch auf dem Weg der Freiheit in die gesetzmäßigen Bahnen zurück, daß ihr in der Harmonie anders, reicher, reiner und bewußter stehen werdet, als es die Wesen, die ihr heute noch um ihre Reinheit beneidet, in Unbewußtheit tun.

 

 ?

FESTE DES JAHRES.

 

In diesen Tagen mußt du gütig sein

und deines Liebens Lichtlein jenen zugesellen,

die sich gemeinsam mühn, mit ihrem Schein

der Zeiten Dunkel tröstlich aufzuhellen.

 

Nach Wärme lechzt die Menschheit und erfriert,

weil jeder nehmen will und keiner geben!

Weißt du, wie schwer sich hier das Licht gebiert?

Aus stein'gem Boden muß sich bebend heben

der in die Knospe eingesenkte Strahl

und offenbaren einem feindlich, starren Leben

die lichtgewobnen Blätter sonder Zahl.

 

Steh vor dem Wunder still:

Christrose blüht im Schnee.

Und sie, die geben will,

erleidet Winters Weh.

 

In diesen Tagen mußt du leise sein.

Noch liegt von zitternd Glück ein Schleier rings gebreitet

und hüllt Maria mit dem Kinde ein.

Urwissen, das des Kindes Augen weitet,

löscht bald genug des Mutterglückes Schein.

 

Der Kreuzesschatten steht am Horizont

noch unbemerkt. Maria neigt sich nieder

mit einem Lächeln, das die Welt besonnt,

und singt dem Himmelskinde Schlummerlieder.

Sei stille, stille - daß ein Klang nur fallt

in dein ergriffnes Herz, dann klingt er lange wider

aus deinem Herzen in die weite Welt.

 

Da werden viele still,

weil keiner stören will

der Rose Blühn im Schnee.

Da taut des Winters Weh.

 

Der Osterbotschaft heller Frühlingsruf

pflanzt seinen Jubel fort von Mund zu Mund

durch alle Formen, die der Geist sich schuf,

durch alle Herzen, die mit Gott im Bund

des Himmels Saatgut sind im Erdenrund.

 

Im heil'gen Schauer der Erwartung bebt

auch Elf und Gnom und alle Kreatur.

Erlösung heischend strebt zum Licht, was lebt,

wie all die Blumenaugen auf der Flur

aufblicken zum Erlöser der Natur.

 

Der Friede kehre ein in dein Herz und mache es weit und froh

und licht! Aus dem Licht kommt ihr, in das Licht geht ihr.

Es ist dasselbe Licht, das euer Ursprung und euer Ziel ist. Seid ihr

aber dieselben? Ist nicht ein Unterschied zwischen Ursprung und

Ziel? Wenn ihr ausgeht, um ein Ziel zu erwandern, seid ihr dieselben

noch, die am Ziele ankommen? Was euch unterwegs begegnete,

ist euer. Alle Freuden und alle Mühsal des Weges tragt

ihr in euch, wenn ihr anlangt. Ihr seid wegmüde im Gegensatz zu

der Ungeduld, die euch in die Ferne trieb. Aber ihr seid auch reicher

geworden. Ihr habt Unverlierbares in euch: Die Erprobung

von Kräften, die euch erst im Kampf mit Widerständen bewußt

wurden, die Enttäuschungen, die euch heilsam, die Erfüllungen,

die eurem Ausharren Lohn und Trost waren. Die ganze Welt ist in

euch, wenn ihr aus der Welt zurückkehrt: Ihr Schein, aber auch

das Sein, das jedem Schein zugrunde liegt.

 

Wer am Ursprung steht, hat die Reinheit des Lichts, aber die ungebrochene,

ungeprüfte Reinheit. Wer am Ziel steht, hat seine

Reinheit tausendmal verloren und tausendmal neu geschaffen. Er

hat die in Feuern der Schmerzen und Schauern der Sehnsucht

tausendfach geklärte Reinheit. Aber nur, wer die Klarheit des

Ursprungs mit der Erkenntnis des Weltenwanderers verbindet, ist

vollendet. Er hat sein Wesen zum Kreise geschlossen, durch den

das Leben fließt. Er hat alles in sich, was ist, ewig gegenwärtig.

Er hat Gottes Schöpfung in sich noch einmal wiederholt.

 

Erahnen nur könnt ihr, was ihr einst wissen werdet. Aber wenn

.izu Wissen geworden ist, was ihr jetzt erahnt, dann steht eine

neue Ahnung auf von Höherem, Herrlicherem und lockt euch

weiter. So ist die nächste Stufe immer verhüllt und offenbart sich

euch erst, wenn ihr sie errungen habt. Hebt euch empor, und wenn

ihr oben steht, dann reicht die Hände denen, die noch unten sind.

 

Dir zujauchzen, Unnennbarer,

wollt ich aller Welten Werden,

aller Wesen Lust erleben.

Dir zu dienen, einzig Wahrer,

könnt ich aller Qual auf Erden,

allem Weh mich willig geben.

 

Dir zu leben, Dir zu sterben,

nehm ich Wachstum wie Verderben

mit der gleichen Inbrunst hin.

Dich zu finden, zu ergründen,

muß ich alle Fackeln zünden,

muß ich alle Wege ziehn.

 

Alle Welten zu durchmessen,

um der Welten zu vergessen,

wenn dereinst im Abendglühn

Du, Allew'ger, mir begegnest,

meines Suchens Sehnsucht segnest

und mit Lächeln krönst mein Mühn.

 

Du ringst und rufst nach Glück!

Kaum zeigt es sich,

so läßt es dich

in Einsamkeit zurück.

Denn es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter!

 

Das Leid, wie es dich schreckt!

Schon hat's den Arm gereckt,

dich zu erfassen -

und muß dich lassen!

Es ist ja eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter!

 

Das Werk, das du erstrebtest,

dem du, dich opfernd lebtest -

kaum hast du es getan,

gehört es ändern an.

Ach, es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter !

 

So läuft der Erde Zeit.

Erst scheint der Tod dir weit,

dann ist er nah,

auf einmal ist er da!

Doch er ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter!

 

Und neuer Fähigkeiten frische Kraft

in ändern Leben neue Werte schafft,

und ein Erkennen löst das andre ab;

Erfahrung wird des früh'ren Wissens Grab.

Auch Wissen ist nur eine Sprosse auf der Leiter,

komm weiter!

 

Auch wir im Geistessonnenlicht,

auch wir im ändern Land erschauen nicht

das Ende unsrer Leiter

und streben weiter!

 

Ich fahr zum Lande „Unbekannt".

Vier Rosse hab ich vorgespannt,

die halten erst am Ziel:

Eins weiß, eins schwarz, eins falb, eins braun;

ich darf nicht rasten, darf nur schaun

des Lebens leichtes Spiel.

 

Ein Häuschen unterm Blütenbaum,

es bleibt zurück, es war ein Traum,

ich war so gerne dort!

Die Hügel auf, die Hügel ab,

in heißem Lauf, in scharfem Trab,

die Rosse ziehn mich fort.

 

So jagt mein Wunschgespann dahin,

was weiß ich, wo ich morgen bin,

schenk heut mir deinen Kuß!

Hab Dank, lebwohl, ich war dir gut,

und frag mich nicht, wie weh es tut,

daß ich schon weiter muß!

 

 

Die Rosse rasen querfeldein,

nun muß das Neue nahe sein,

ich blick' nicht mehr zurück.

Und dennoch, wie mein Herze bangt

und nach den letzten Blüten langt

und nach dem letzten Glück.

 

Die Wolken hängen schwarz und schwer,

ich sehe kaum die Rosse mehr -

stoß zu mit Blitz und Schlag!

Das braune blieb, das falbe fiel,

das schwarze steht. Ich bin am Ziel!

Und rings erglüht der Tag!

 

Das weiße hemmt nicht seinen Lauf,

es faltet nur die Flügel auf

und hebt mich himmelwärts.

Ich schau der Liebe Angesicht

und stürze, blind vor lauter Licht,

der Sonne an das Herz!

 

Jetzt bin ich am Glück vorbeigegangen

und vermochte nicht, es einzufangen,

weil mein schneller Schritt mich ihm entführte,

eh ich seines Blickes Blitzstrahl spürte!

Setzt ihm nach, ihr schnellen Sturmesreiter,

laß mich durch, Gestrüpp, ich will ja weiter!

Vogel flieg, die Richtung mir zu zeigen,

Bäume, hört doch endlich auf, zu schweigen!

Denkt, das Äug und Herz voll Glücksverlangen,

bin ich jetzt am Glück vorbeigegangen!

 

Doch die Bäume blicken unbewegt,

kaum, daß wie im Traum ein Blatt sich regt.

„Ruhe", sagt es, „nimm von uns die Ruh!

Schau, wir stehn und alles fällt uns zu!

Sonne sucht uns, Wolke gibt uns Trank,

Bienen wissen unserm Blühen Dank,

Vögel ruhn in unserm Schatten aus,

alles kommt zu uns ins grüne Haus!

Offnen Herzens sei und voller Ruh -

und das Glück kommt selber auf dich zu!"

 

 

Mein Weg war weit. Durch Raum und Zeit

zieht meiner Schritte Spur.

Und Leben sich an Leben reiht,

wie Perlen auf der Schnur.

 

Mich trug die Huld. Mich schlug die Schuld.

Es schwand, was mich beschwert.

Nicht Unheil und nicht Ungeduld

hat meinen Geist versehrt.

 

Aus jeder Nacht stieg neu entfacht

des jungen Tags Beginn.

Ich habe jeden Tod durchwacht

und wurde, der ich bin.

 

 

Es steigen und fallen die Tage der Menschen

dem Springbrunnen gleich, zwischen Höhe und Tiefe

zersprühend, zerstäubend in Farben und Klänge.

Und jeder von uns sucht das Seine in allem.

Der Weise allein sieht in allem das Eine:

Die Tropfen als Perlen an ewiger Kette,

die Dauer im Wechsel, den Sinn der Verwandlung,

das ewige, strömende Sein des All-Einen.

 

 

Wenn ich in der großen Helle

eines neuen Tages stehe

und vom Ursprung meiner Quelle

ihres Laufs Gefalle sehe,

 

wird mein Wissen hingerissen:

Nochmals ihren Weg begleiten,

niederstürzen von den Bergen,

um in Tälern sich zu breiten

 

und gesänftigt einzumünden

in das Meer der Ewigkeiten.

Wiederkehrend soll es künden

meinen Gang durch Erdenzeiten.

 

Aber nicht auf gleichen Pfaden

kehrt mir fernes Wissen wieder

von des Urmeers Lichtgestaden:

Schimmernd taut es auf mich nieder,

 

seinen Regenbogen schlagend

und mein Sein zum Kreise schließend,

Ziel und Ursprung in sich tragend,

ewig neu und ewig fließend.

 

Die abendlichen Nebel seh ich steigen. -

Wie, schon so spät, daß sich mein Tag will neigen,

der kaum gegrüßte, schon bereit zu scheiden?

Es ist mir doch, als war er erst entstiegen

den Morgenschleiern, die verheißend liegen

auf Blumenwiesen, meiner Kindheit Weiden.

 

Ich seh mich selbst, die Kinderhände streckend

nach jedem Glanz, entschleiernd und erweckend

und auch zerstörend, was sich mir versagte.

Von Kraft zu Kraft, von Sehnsucht zu Erfüllung

und immer dürstend noch nach neuer Stillung,

so schritt ich durch das Leben, da es tagte.

 

Und auch den roten Mohnkranz wilder Stunden

hab ich bedenkenlos ums Haupt gewunden.

Nun war er welk, mein Kranz aus wildem Mohne ...

Noch eh er welkte, nahm ihn mir vom Haupte

die Vaterhand, ersetzend, was sie raubte,

durch eines Dornenkranzes ew'ge Krone.

 

Und wieder Schleier, die sich mählich breiten

und meinem Tag den Abend still bereiten.

Jetzt decken sie die Erde mit Erbarmen

und hüllen meine Schuld in ihre Falten

und löschen Farben, Formen und Gestalten ...

Und meine Sehnsucht schläft in Vaterarmen ...

 

Der du wanderst nach dem Lichte,

sieh dich vor! Oft macht zunichte

alles Mühn ein falscher Schritt.

Steinschlag rollt und reißt dich mit.

 

Taucher auf dem Seelengrunde,

sieh dich vor! Zu keiner Stunde

bringt die See sich kampflos dar,

Perlen birgt sie und Gefahr.

 

An der Schwelle alles Schönen

stehn die Hüter und verhöhnen

und verzerren dein Besinnen

und verzögern dein Beginnen.

 

Willst du deshalb müde werden? -

Nein, und wenn mit Drohgebärden

aller Fluch, Gestalt geworden,

vor mir stünde, mich zu morden,

 

gäb ich tausenfach mein Leben!

Tausendfältig wird gegeben

meinem strebenden Bemühn

neu verkörpertes Erglühn!

 

Heute und in Ewigkeiten

will ich gleichen Weg beschreiten,

siegend, Gott, in Deinem Namen

und in Deinem Sinne! — Amen.

 

Was weiß ein Mensch auf Erden denn vom ändern?

Wenn sie die gleiche Straße Seit' an Seite wandern,

hat jeder seine eigne Welt und Zeit.

Das Jetzt des einen ist Vergangenheit

dem ändern, weil er längst schon überwand

die Prüfung, eh' sie vor dem Bruder stand.

Vergeblich sucht er dessen Lebenslust zu dämpfen,

vergeblich spricht er ihm von eignen Kämpfen!

 

Ein jeder glaubt nur, was er selbst erlebt,

und sieht das Stück nur, das er selbst gewebt

am großen Teppich dieses bunten Lebens.

Drum such nicht Anerkennung deines Strebens,

streb nicht nach Beifall, streb nur um des Zieles willen!

Der Mensch kann nie des Menschen tiefste Sehnsucht stillen,

das kann nur Gott! - Doch in Ihm wirst du finden

den Bruder auch und dich mit ihm verbinden.

 

Denn aller Menschenliebe unerlöster Rest

geht auf in einem Ziel, das unverrückbar fest

und ehern steht... Und aller Geister Blick

wird weit und wissend! Und der Welt Geschick,

des Lebens ganzer bunter Teppich ruht

zu ihren Füßen, und sie sehn ihr Gut,

des eignen Lebens Faden, - hat er Gott genügt? -

dem bunten Teppichmuster sorglich eingefügt.

 

Und was auf Erden ihnen unverständlich war,

die Vielfalt ihres Wesens, bietet sich nun dar

dem geist'gen Blick als schönes Farbenspiel.

Was sie getrennt erstrebten, jenes ew'ge Ziel,

dem sie verschiedne Namen gaben,

die sie oft mißverstanden haben —

die Namen waren es, die Erdenbrüder schieden,

des Ziels Erkenntnis erst eint sie zu ew'gem Frieden.

 

 

Es ziemt dem Wandrer, um sein Ziel zu wissen

und auch zu fragen nach dem rechten Weg;

denn hat der Himmel seine Schleusen aufgerissen,

ertrinkt im Regenrauschen Sicht wie Steg.

Will er nicht irre gehn, muß er vertrauen

dem Rat des ersten, den er trifft und fragt,

doch miß er prüfend ihn im innern Schauen,

am Fühl'n der Richtung, das er in sich trägt.

So, Weltenwandrer, prüfend und vergleichend,

nehmt alle Stimmen auf in euer Sinnen;

naht Rat von außen, euch die Hände reichend,

ergreift sie erst, tönt wider er von innen.

 

Es ist, was euch begegnet, euer eigenes Echo, der Spiegel eures

Seins. Und wenn ihr kämpfen sollt gegen das, was euch

des Kampfes wert erscheint, dann sollt ihr nur darum kämpfen,

daß ihr euch selbst bekämpft und besiegt.

 

Was ist es denn, das euch an Menschen, Begebnissen und Erlebnissen

hassenswert erscheint? Das nur, dem ihr noch nicht oder

dem ihr eben erst entwachsen seid. Wenn ihr eben erst entwachsen

seid der Stufe, auf der ihr andere nun stehen seht, so tragt ihr

noch die Schwingung jener Stufe in euch, die, kaum geweckt,

euch allzuleicht zurückruft und zurückreißt in eben überwundene

Zustände. Denn dieses in euch und durch euch in der Welt der

Erscheinungen Verwirklichte, das Saatgut eurer einstigen Taten,

ist das, was ihr nun ernten müßt so lange, bis ihr gelernt habt,

andere Saat auszuwerfen und andere Taten zu setzen, damit das

Echo, das euch zurückkommt aus der Umwelt, und das euer eigenes

Echo ist, rein und der Spiegel, der euer Bild nur zurückwerfen

kann, klar ist.

 

Denn was ihr seid, das begegnet euch. Was ihr wollt, im tiefsten

Innersten wollt, das wird euch zuteil. Was in euch ruht, das wird

von außen an euch herangetragen, durch äußeren Anlaß erweckt,

und ist doch nur das Wachwerden eures eigenen Seins, das sich

den ihm zugehörenden Umkreis und Ausdruck schafft. - Bei allem,

was ihr seht, erlebt, erleidet, sagt euch: „Das bin ich!" Denn

wäret ihr nicht, wie ihr seid, könnte die Umwelt, die nach eurem

Bilde sich geformt hat, nicht die Macht über euch besitzen, die sie

hat.

 

Dies sei euch gewünscht auf eurem Weg und sei euer Bemühn in

den Begebnissen: Nicht, daß ihr erlebt - daß ihr an Erlebnissen

euch erkennt und euch selbst findet, das ist des Erlebens Zweck.

 

 

 

 

 

Weltenwanderer Mensch

 

Der Friede kehre ein in dein Herz und mache es weit und froh und licht! Aus dem Licht kommt ihr, in das Licht geht ihr. Es ist dasselbe Licht, das euer Ursprung und euer Ziel ist. Seid ihr aber dieselben? Ist nicht ein Unterschied zwischen Ursprung und Ziel? Wenn ihr ausgeht, um ein Ziel zu erwandern, seid ihr dieselben noch, die am Ziele ankommen? Was euch unterwegs begegnete, ist euer. Alle Freuden und alle Mühsal des Weges tragt ihr in euch, wenn ihr anlangt. Ihr seid wegmüde im Gegensatz zu der Ungeduld, die euch in die Ferne trieb. Aber ihr seid auch reicher geworden. Ihr habt Unverlierbares in euch: Die Erprobung von Kräften, die euch erst im Kampf mit Widerständen bewusst wurden, die Enttäuschungen, die euch heilsam, die Erfüllungen, die eurem Ausharren Lohn und Trost waren. Die ganze Welt ist in euch, wenn ihr aus der Welt zurückkehrt: Ihr Schein, aber auch das Sein, das jedem Schein zugrunde liegt.

 

Wer am Ursprung steht, hat die Reinheit des Lichts, aber die ungebrochene, ungeprüfte Reinheit. Wer am Ziel steht, hat seine Reinheit tausendmal verloren und tausendmal neu geschaffen. Er hat die in Feuern der Schmerzen und Schauern der Sehnsucht tausendfach geklärte Reinheit. Aber nur, wer die Klarheit des Ursprungs mit der Erkenntnis des Weltenwanderers verbindet, ist vollendet. Er hat sein Wesen zum Kreise geschlossen, durch den das Leben fließt. Er hat alles in sich, was ist, ewig gegenwärtig.

Er hat Gottes Schöpfung in sich noch einmal wiederholt.

 

Erahnen nur könnt ihr, was ihr einst wissen werdet. Aber wenn .izu Wissen geworden ist, was ihr jetzt erahnt, dann steht eine neue Ahnung auf von Höherem, Herrlicherem und lockt euch weiter. So ist die nächste Stufe immer verhüllt und offenbart sich euch erst, wenn ihr sie errungen habt. Hebt euch empor, und wenn ihr oben steht, dann reicht die Hände denen, die noch unten sind.

 

Dir zujauchzen, Unnennbarer,

wollt ich aller Welten Werden,

aller Wesen Lust erleben.

Dir zu dienen, einzig Wahrer,

könnt ich aller Qual auf Erden,

allem Weh mich willig geben.

 

Dir zu leben, Dir zu sterben,

nehm ich Wachstum wie Verderben

mit der gleichen Inbrunst hin.

Dich zu finden, zu ergründen,

muß ich alle Fackeln zünden,

muß ich alle Wege ziehn.

 

Alle Welten zu durchmessen,

um der Welten zu vergessen,

wenn dereinst im Abendglühn

Du, Allew'ger, mir begegnest,

meines Suchens Sehnsucht segnest

und mit Lächeln krönst mein Mühn.

 

Du ringst und rufst nach Glück!

Kaum zeigt es sich,

so läßt es dich

in Einsamkeit zurück.

Denn es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter!

 

Das Leid, wie es dich schreckt!

Schon hat's den Arm gereckt,

dich zu erfassen -

und muß dich lassen!

Es ist ja eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter!

 

Das Werk, das du erstrebtest,

dem du, dich opfernd lebtest -

kaum hast du es getan,

gehört es ändern an.

Ach, es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter !

 

So läuft der Erde Zeit.

Erst scheint der Tod dir weit,

dann ist er nah,

auf einmal ist er da!

Doch er ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter!

 

Und neuer Fähigkeiten frische Kraft

in ändern Leben neue Werte schafft,

und ein Erkennen löst das andre ab;

Erfahrung wird des früh'ren Wissens Grab.

Auch Wissen ist nur eine Sprosse auf der Leiter,

komm weiter!

 

Auch wir im Geistessonnenlicht,

auch wir im ändern Land erschauen nicht

das Ende unsrer Leiter

und streben weiter!

 

Ich fahr zum Lande „Unbekannt".

Vier Rosse hab ich vorgespannt,

die halten erst am Ziel:

Eins weiß, eins schwarz, eins falb, eins braun;

ich darf nicht rasten, darf nur schaun

des Lebens leichtes Spiel.

 

Ein Häuschen unterm Blütenbaum,

es bleibt zurück, es war ein Traum,

ich war so gerne dort!

Die Hügel auf, die Hügel ab,

in heißem Lauf, in scharfem Trab,

die Rosse ziehn mich fort.

 

So jagt mein Wunschgespann dahin,

was weiß ich, wo ich morgen bin,

schenk heut mir deinen Kuß!

Hab Dank, lebwohl, ich war dir gut,

und frag mich nicht, wie weh es tut,

daß ich schon weiter muß!

 

 

Die Rosse rasen querfeldein,

nun muß das Neue nahe sein,

ich blick' nicht mehr zurück.

Und dennoch, wie mein Herze bangt

und nach den letzten Blüten langt

und nach dem letzten Glück.

 

Die Wolken hängen schwarz und schwer,

ich sehe kaum die Rosse mehr -

stoß zu mit Blitz und Schlag!

Das braune blieb, das falbe fiel,

das schwarze steht. Ich bin am Ziel!

Und rings erglüht der Tag!

 

Das weiße hemmt nicht seinen Lauf,

es faltet nur die Flügel auf

und hebt mich himmelwärts.

Ich schau der Liebe Angesicht

und stürze, blind vor lauter Licht,

der Sonne an das Herz!

 

Jetzt bin ich am Glück vorbeigegangen

und vermochte nicht, es einzufangen,

weil mein schneller Schritt mich ihm entführte,

eh ich seines Blickes Blitzstrahl spürte!

Setzt ihm nach, ihr schnellen Sturmesreiter,

laß mich durch, Gestrüpp, ich will ja weiter!

Vogel flieg, die Richtung mir zu zeigen,

Bäume, hört doch endlich auf, zu schweigen!

Denkt, das Äug und Herz voll Glücksverlangen,

bin ich jetzt am Glück vorbeigegangen!

 

Doch die Bäume blicken unbewegt,

kaum, daß wie im Traum ein Blatt sich regt.

„Ruhe", sagt es, „nimm von uns die Ruh!

Schau, wir stehn und alles fällt uns zu!

Sonne sucht uns, Wolke gibt uns Trank,

Bienen wissen unserm Blühen Dank,

Vögel ruhn in unserm Schatten aus,

alles kommt zu uns ins grüne Haus!

Offnen Herzens sei und voller Ruh -

und das Glück kommt selber auf dich zu!"

 

 

Mein Weg war weit. Durch Raum und Zeit

zieht meiner Schritte Spur.

Und Leben sich an Leben reiht,

wie Perlen auf der Schnur.

 

Mich trug die Huld. Mich schlug die Schuld.

Es schwand, was mich beschwert.

Nicht Unheil und nicht Ungeduld

hat meinen Geist versehrt.

 

Aus jeder Nacht stieg neu entfacht

des jungen Tags Beginn.

Ich habe jeden Tod durchwacht

und wurde, der ich bin.

 

Es steigen und fallen die Tage der Menschen

dem Springbrunnen gleich, zwischen Höhe und Tiefe

zersprühend, zerstäubend in Farben und Klänge.

Und jeder von uns sucht das Seine in allem.

Der Weise allein sieht in allem das Eine:

Die Tropfen als Perlen an ewiger Kette,

die Dauer im Wechsel, den Sinn der Verwandlung,

das ewige, strömende Sein des All-Einen.

 

 

Wenn ich in der großen Helle

eines neuen Tages stehe

und vom Ursprung meiner Quelle

ihres Laufs Gefalle sehe,

 

wird mein Wissen hingerissen:

Nochmals ihren Weg begleiten,

niederstürzen von den Bergen,

um in Tälern sich zu breiten

 

und gesänftigt einzumünden

in das Meer der Ewigkeiten.

Wiederkehrend soll es künden

meinen Gang durch Erdenzeiten.

 

Aber nicht auf gleichen Pfaden

kehrt mir fernes Wissen wieder

von des Urmeers Lichtgestaden:

Schimmernd taut es auf mich nieder,

 

seinen Regenbogen schlagend

und mein Sein zum Kreise schließend,

Ziel und Ursprung in sich tragend,

ewig neu und ewig fließend.

 

Die abendlichen Nebel seh ich steigen. -

Wie, schon so spät, daß sich mein Tag will neigen,

der kaum gegrüßte, schon bereit zu scheiden?

Es ist mir doch, als war er erst entstiegen

den Morgenschleiern, die verheißend liegen

auf Blumenwiesen, meiner Kindheit Weiden.

 

Ich seh mich selbst, die Kinderhände streckend

nach jedem Glanz, entschleiernd und erweckend

und auch zerstörend, was sich mir versagte.

Von Kraft zu Kraft, von Sehnsucht zu Erfüllung

und immer dürstend noch nach neuer Stillung,

so schritt ich durch das Leben, da es tagte.

 

Und auch den roten Mohnkranz wilder Stunden

hab ich bedenkenlos ums Haupt gewunden.

Nun war er welk, mein Kranz aus wildem Mohne ...

Noch eh er welkte, nahm ihn mir vom Haupte

die Vaterhand, ersetzend, was sie raubte,

durch eines Dornenkranzes ew'ge Krone.

 

Und wieder Schleier, die sich mählich breiten

und meinem Tag den Abend still bereiten.

Jetzt decken sie die Erde mit Erbarmen

und hüllen meine Schuld in ihre Falten

und löschen Farben, Formen und Gestalten ...

Und meine Sehnsucht schläft in Vaterarmen ...

 

Der du wanderst nach dem Lichte,

sieh dich vor! Oft macht zunichte

alles Mühn ein falscher Schritt.

Steinschlag rollt und reißt dich mit.

 

Taucher auf dem Seelengrunde,

sieh dich vor! Zu keiner Stunde

bringt die See sich kampflos dar,

Perlen birgt sie und Gefahr.

 

An der Schwelle alles Schönen

stehn die Hüter und verhöhnen

und verzerren dein Besinnen

und verzögern dein Beginnen.

 

Willst du deshalb müde werden? -

Nein, und wenn mit Drohgebärden

aller Fluch, Gestalt geworden,

vor mir stünde, mich zu morden,

 

gäb ich tausenfach mein Leben!

Tausendfältig wird gegeben

meinem strebenden Bemühn

neu verkörpertes Erglühn!

 

Heute und in Ewigkeiten

will ich gleichen Weg beschreiten,

siegend, Gott, in Deinem Namen

und in Deinem Sinne! — Amen.

 

Was weiß ein Mensch auf Erden denn vom ändern?

Wenn sie die gleiche Straße Seit' an Seite wandern,

hat jeder seine eigne Welt und Zeit.

Das Jetzt des einen ist Vergangenheit

dem ändern, weil er längst schon überwand

die Prüfung, eh' sie vor dem Bruder stand.

Vergeblich sucht er dessen Lebenslust zu dämpfen,

vergeblich spricht er ihm von eignen Kämpfen!

 

Ein jeder glaubt nur, was er selbst erlebt,

und sieht das Stück nur, das er selbst gewebt

am großen Teppich dieses bunten Lebens.

Drum such nicht Anerkennung deines Strebens,

streb nicht nach Beifall, streb nur um des Zieles willen!

Der Mensch kann nie des Menschen tiefste Sehnsucht stillen,

das kann nur Gott! - Doch in Ihm wirst du finden

den Bruder auch und dich mit ihm verbinden.

 

Denn aller Menschenliebe unerlöster Rest

geht auf in einem Ziel, das unverrückbar fest

und ehern steht... Und aller Geister Blick

wird weit und wissend! Und der Welt Geschick,

des Lebens ganzer bunter Teppich ruht

zu ihren Füßen, und sie sehn ihr Gut,

des eignen Lebens Faden, - hat er Gott genügt? -

dem bunten Teppichmuster sorglich eingefügt.

 

Und was auf Erden ihnen unverständlich war,

die Vielfalt ihres Wesens, bietet sich nun dar

dem geist'gen Blick als schönes Farbenspiel.

Was sie getrennt erstrebten, jenes ew'ge Ziel,

dem sie verschiedne Namen gaben,

die sie oft mißverstanden haben —

die Namen waren es, die Erdenbrüder schieden,

des Ziels Erkenntnis erst eint sie zu ew'gem Frieden.

 

Es ziemt dem Wandrer, um sein Ziel zu wissen

und auch zu fragen nach dem rechten Weg;

denn hat der Himmel seine Schleusen aufgerissen,

ertrinkt im Regenrauschen Sicht wie Steg.

 

Will er nicht irre gehn, muß er vertrauen

dem Rat des ersten, den er trifft und fragt,

doch miß er prüfend ihn im innern Schauen,

am Fühl'n der Richtung, das er in sich trägt.

 

So, Weltenwandrer, prüfend und vergleichend,

nehmt alle Stimmen auf in euer Sinnen;

naht Rat von außen, euch die Hände reichend,

ergreift sie erst, tönt wider er von innen.

 

Es ist, was euch begegnet, euer eigenes Echo, der Spiegel eures Seins. Und wenn ihr kämpfen sollt gegen das, was euch des Kampfes wert erscheint, dann sollt ihr nur darum kämpfen, daß ihr euch selbst bekämpft und besiegt.

 

Was ist es denn, das euch an Menschen, Begebnissen und Erlebnissen hassenswert erscheint? Das nur, dem ihr noch nicht oder dem ihr eben erst entwachsen seid. Wenn ihr eben erst entwachsen seid der Stufe, auf der ihr andere nun stehen seht, so tragt ihr noch die Schwingung jener Stufe in euch, die, kaum geweckt, euch allzuleicht zurückruft und zurückreißt in eben überwundene Zustände. Denn dieses in euch und durch euch in der Welt der Erscheinungen Verwirklichte, das Saatgut eurer einstigen Taten, ist das, was ihr nun ernten müßt so lange, bis ihr gelernt habt, andere Saat auszuwerfen und andere Taten zu setzen, damit das Echo, das euch zurückkommt aus der Umwelt, und das euer eigenes Echo ist, rein und der Spiegel, der euer Bild nur zurückwerfen kann, klar ist.

 

Denn was ihr seid, das begegnet euch. Was ihr wollt, im tiefsten Innersten wollt, das wird euch zuteil. Was in euch ruht, das wird von außen an euch herangetragen, durch äußeren Anlaß  erweckt, und ist doch nur das Wachwerden eures eigenen Seins, das sich den ihm zugehörenden Umkreis und Ausdruck schafft. - Bei  allem, was ihr seht, erlebt, erleidet, sagt euch: „Das bin ich!" Denn wäret ihr nicht, wie ihr seid, könnte die Umwelt, die nach eurem Bilde sich geformt hat, nicht die Macht über euch besitzen, die sie hat.

 

Dies sei euch gewünscht auf eurem Weg und sei euer Bemühn in den Begebnissen: Nicht, daß ihr erlebt - daß ihr an Erlebnissen euch erkennt und euch selbst findet, das ist des Erlebens Zweck.

 

 Biene 

Worte der Weisheit

 

Jeder Gedanke ist Saat.

Einst, über kurz oder lang,

führt durch dies Feld dich dein Gang.

 

Jeder Gedanke ist Tat.

Einst, über lang oder kurz,

wird er dein Sieg oder Sturz.

 

Wie dir das Schicksal auch naht,

nenn es nicht fremde Gewalt:

Du bist's in eigner Gestalt!

 

So tief, wie die Weiden mit all ihren Zweigen

zum Wasser sich neigen,

sei Demut dein eigen!

 

So hoch, wie der Firnen weißstrahlende Stirnen

am Himmel sich zeigen,

so hoch sollst du steigen!

 

Dein Denken zu schenken den Blumen und Sternen,

führt Gott dich in Fernen:

Dein Leben sei Lernen!

 

Es lastet dichtes Dunkel auf den Wegen

der Menschen, die ihr kleines Ich nur sehn.

Sie gleichen den Verirrten, die im Walde

des Nachts allein stets nur im Kreise gehn.

 

Sie stoßen in der Dunkelheit an Dinge,

die sie nicht sehn, und die sie nicht erkennen

und dennoch gleich mit falschem Namen nennen,

aus Angst, der Dunkelheit ins Äug zu sehn.

 

Doch wer des Lichtes sich will wert erweisen,

erkenne erst die Dunkelheit um sich

und ende jenes hoffnungslose Kreisen

um einen kleinen Mittelpunkt: sein Ich.

 

Darum ist's gut, daß sich die Menschen stoßen,

ein jeder an des ändern Fehl und Art,

weil fremde Selbstsucht ihn davor bewahrt,

der eignen Selbstsucht allzulang zu dienen.

 

Und steht der Mensch erst an der Selbstsucht Schwelle,

des Dunkels satt und müd vom wirren Lauf,

dann lichtet sich das Dunkel leis zur Helle

des jungen Tags, der siegend steigt herauf.

 

Und der ihm zeigt der Dinge wahres Wesen!

Jetzt unterscheidet er vom Schein das Sein,

vom Trug die Wahrheit und vermag zu lesen

der Welt verwirrte Schrift. - Denn seit er rein

und wahr ist, kommt die Wahrheit ihm entgegen

und gießt ihr Licht in sein geöffnet Herz

und breitet ihren Mantel aus auf seinen Wegen

und hebt ihn auf und trägt ihn himmelwärts!

 

Wandle, o Wissender, würdig den Weg des Gesetzes,

das zu ergründen du suchst mit des Strebens Geduld.

Löse die letzte der Maschen des weltlichen Netzes,

der du ums Ziel weißt, bei dir erst wird Irrtum zur Schuld.

 

Beispiel und Vorbild nur können den Menschen belehren,

Wissen muß jeder, wie du, sich erwerben allein.

Erst wenn dein Wandel bezeugt deines Wissens Bewähren,

wirst du ein Weiser und ändern ein Wegweiser sein.

 

Nicht teilen - nur verbinden ...

Die Fernsten sich finden

am Berg der letzten Sicht.

Denn alle Religionen

in sämtlichen Äonen

sind nur gebrochnes Licht.

Gott sammelt alle Garben,

Gott macht aus allen Farben

Sein schattenloses Licht.

 

Es ist der Glaube keine Blüte,

die dir ein andrer reichen kann.

Und war sie lauter wie des Spenders Güte

und rein und unberührt, auch dann

wird sie bei dir das kurze Dasein fristen,

das eine Blume lebt im Wasserglas.

Der Glaube ist ein Baum, in dem die Vögel nisten,

und mächtig liegt sein Schatten auf dem schwanken Gras.

 

Greif nicht nach fremder Bäume Blüten,

den eignen zarten Glaubenskeim nimm wahr

und zieh ihn auf und such zu hüten

ihn vor des Zweifels Frostgefahr.

Daß einst der Baum hoch in die Lüfte trage

sein Haupt und dir's mit Blüten lohne,

und daß sein Stamm, den Stürmen trotzend, rage

und seine Arme schirmend breite in der Krone.

 

Dein Wandel sei Wandlung!

Wo andre nur Wolken erspähn,

sollst du ihren Silberrand sehn.

Und schleppen ihr Schicksal sie hin,

schau du ihrer Schicksale Sinn.

Und statt dich zu wundern wie sie,

beug du vor dem Wunder das Knie.

Wer sich umzuschaffen vermag,

steht mitten im Weltschöpfungstag.

Dein Wandel sei Wandlung !

 

Unsre Träume sind die Wirklichkeiten,

unsre Wirklichkeit ist Erdentraum.

Wie wir hier den Jenseitsweg bereiten,

pflanzen drüben wir den Schicksalsbaum.

 

Unser Echo klingt uns stets entgegen,

halt das Lichtlein fest, das Gott entfacht!

Jeder ist sein Fluch und ist sein Segen! -

Wohl dem Geist, der unablässig wacht.

 

Soll dich die Regenbogenbrücke tragen,

mußt du mit leichten Füßen gehn.

Willst du das Wort, das dich verwandelt, sagen,

schick deinen Engel aus, es zu erflehn.

 

Gott ist im Schwachen mächtig, nicht im Starken,

vergiß die Kräfte, die du selber hast.

Am Ufer harren dein der Träume Barken,

die bringen mehr als deine Seele faßt.

 

Erlösung kommt von innen, nicht von außen,

und wird erworben mehr, als dir geschenkt.

Sie ist die Kraft des Innern, die von draußen

rückstrahlend deines Schicksals Ströme lenkt.

 

Was fürchtest du? Es kann dir nur begegnen,

was dir gemäß und was dir dienlich ist.

Ich weiß den Tag, da du dein Leid wirst segnen,

das dich gelehrt zu werden, was du bist!

 

Indes ihr tastend eure Füße setzt im Ungewissen,

ist eures Erdenschicksals Bild schon längst umrissen,

nur Licht und Schatten füget ihr noch ein.

Ihr geht den vorgeschriebnen Weg, ob willig, ob gezwungen,

und eure Freiheit ist, daß ihr um ihn gerungen,

bevor ihr niederstiegt ins Erdensein.

 

Durchs dunkle Tor der Erde schreitend schlösset ihr die Lider.

Den Weg, den ihr erwählt, erkennt ihr nun nicht wieder,

weil ihr verblendet und erblindet seid.

Doch müßt ihr's sein? Könnt, Träumer ihr, des Schlafs

euch nicht entraffen, um schon hienieden euer Schicksal umzuschaffen, zum Gold des Glücks zu glühen euer Leid?

 

Du stehst an einer Wende,

ein Weg ist nun zu Ende,

ein neuer Weg beginnt.

Doch der den Faden spinnt,

den Faden deines Lebens,

macht mächtig dich des Gebens

zum Lohne deines Strebens

im ewig reichen Jetzt.

 

Stets stehst du an der Wende,

stets ist ein Weg zu Ende,

und jeder Augenblick

verwandelt dein Geschick.

O wanderfrohe Seele,

nicht Tag noch Stunden zähle,

erkenne und erwähle

der Gottheit ew'ges Jetzt.

 

Du kannst den Wert von Taten nicht ermessen,

solange du den Maßstab hast vergessen,

mit dem uns Gott der Schöpfer mißt.

Du nennst die Tat gut oder böse,

prüf lieber, ob sie binde oder löse!

Und dann, dann weißt du, wie du selber bist.

 

 

Januar2011 

Schuld und Schatten

 

Über alles, was dir geschieht, Gutes und Schlechtes, mußt du so glücklich sein wie ein Komponist, dem ein neues Motiv einfällt; und wie er mußt du dein ganzes Sinnen darauf richten, wie du es am wirksamsten einbauen kannst in die herrliche Symphonie des Lebens. Das Gute mache zum Leitmotiv und suche es zu immer reicherer Entfaltung zu bringen. Das Schlechte wird zum Gegenthema, mit dem das Hauptthema kämpft, bis es siegt, um neu und strahlender als früher aufzujauchzen, begleitet von dem besiegten, erlösten Gegenthema. So wird aus Konsonanz und Dissonanz eine höhere Harmonie geboren, die Synthese von Gut und Böse. Das Böse in dir selbst, es wird zum Verstehen des Bösen in anderen, wird zur Kraft der Vergebung und dich nicht mehr betrüben.

Nicht das Leben, aber deine Meisterschaft, das Leben zu einem Kunstwerk werden zu lassen, kann dich glücklich machen.

 

Nach eurem Wollen und Wünschen, nach eurem Leuchten,

nach eurer Liebe zur Wahrheit oder zur Unwahrheit werdet ihr in das Gesetz des Alls gestellt. Und wo ihr auch wirkt, ob auf der Seite des Lichtes oder des Dunkels, ihr könnt nur für Gott wirken und Seinen Willen tun und Sein Gesetz erfüllen. Jene, die das Dunkel erwählten, müssen des Leides und der Not Träger sein. Und sie wirken noch im Bösen fort, auch wenn sie des Bösen Machtlosigkeit erkannt haben, weil es ihre Sühne, ihre Lehre ist, das Leid, das sie einst freiwillig den Geschwistern zufügten, nun aus Gebundenheit über sie bringen zu müssen. Erst wenn sie aus namenlosem Mitleid mit jedem ihrer Gedanken der Liebe alle Gedanken des Hasses, die sie einst aussandten, gelöscht haben, wenn sie aus tiefster Not die Kraft zum Brechen der Ketten des Dunkels gewonnen haben, dann sind sie frei.

 

Ihr würdet nicht so leichthin Böses denken,

erschautet ihr des Bösen Angesicht.

Dir würdet euer Haupt betroffen senken

und schweigend ihm ein stummes Mitleid schenken,

das ferne ist von Rache und Gericht!

 

Ich sah des Bösen Augen einst im Spiegel.

Sein Antlitz, es war mein und es war dein

und trug noch auf der Stirne Gottes Siegel.

Es schlief, ich rief und löste so den Riegel

und ließ das Böse ins Bewußtsein ein.

 

Auch Luzifer ist einstens rein gewesen.

Verzweiflung ist des Bösen tiefster Grund.

Das Böse dürft ihr hassen, nicht den Bösen.

Ihn hassen bindet, Liebe nur kann lösen,

ein Wort der Güte spreche euer Mund.

 

Es ist das Böse unser aller Schatten.

Wir fliehn in Fernen und entfliehn ihm nicht.

Wir kämpfen lang vergeblich - und ermatten.

Dann wissen wir, was wir vergessen hatten,

und heben uns ins schattenlose Licht.

 

Ein Schild und ein Schwert aus dem Licht

wird dir gereicht in Gefahr.

Du brauchst nicht kämpfen: Es bricht

flammender Strahl aus dem Schwert,

wenn du nur rein bist und wert,

nichts als ein Kämpfer im Licht,

wie es Sankt Michael war

und es dem Himmel entspricht.

 

Lügen seh ich, Lügen rings umher,

wie ein wildes, sturmgepeitschtes Meer.

Menschen seh ich tief und tiefer sinken!

Müssen alle in dem Meer ertrinken?

 

Einer ist's, der auch das Meer bezwang,

so behutsam war Sein leichter Gang,

daß Er schaumgekrönte Wogen überschritt

wie Blumenwiesen. Und Er nimmt dich mit,

 

du ringend Menschlein du, im Spiel der See,

wenn du die Hand Ihm reichst und all dein Weh,

die Schuld, die Lust und deine eitle Macht

Dem hingibst, der die Liebe dir gebracht.

 

Die Schuld, sie bindet dich, es zieht hinab die Lust,

und wohnt nur eine Lüge noch in deiner Brust,

sie ist ein Stein und zieht dich in die Tiefe.

Drum mach dich frei, und ob auch lockend riefe

 

und tausendstimmig dich der Erde schönstes Glück -

wirf ab die Lust, sie ist nur Last, schau nicht zurück!

Die Hand in Seiner Hand, dein Auge in dem Seinen,

Genesung trinkend, sollst du dich vereinen

 

mit allen guten Kräften, die dich heben,

die deiner matten Seele Flügel geben,

die dich vom Wollen zu dem Wissen leiten,

bis du das Wissen kannst zur Weisheit weiten.

 

Das Meer der Lüge kann nur den verschlingen,

der in der eignen Brust nicht kann bezwingen

den Sturm der Seele. Doch so wie der Eine,

der Heiland, schreite übers Meer der Reine!

 

 

Nicht, die des Leidens bittre Bürde tragen,

nicht, die da weinen, soll dein Herz beklagen.

Sie sind bei Gott, Sein Glanz ist ihnen nah.

Auch jene, die da schmachten hinter Mauern,

die Sehnsuchtsheißen, mußt du nicht bedauern.

Es harret ihrer, was kein Auge sah.

 

Nur solche, die des Fühlens sich entschlagen,

die, schon erstickt in Sattheit und Behagen,

noch meinen, daß ihr Wandel Tugend war:

Die sind's, um welche alle Himmel trauern! -

Wer sich nicht schenken will den heiigen Schauern,

trägt keine Frucht, denn er ist wüst und leer.

 

Nur gegen euch, ihr Lauen, kann ich für euch kämpfen!

Was nützt ich euch, wollt ich die Stimme dämpfen?

Ein Stummer, kann er andre sprechen lehren?

Ich bin gesandt zu jenen, die sich wehren,

und denen, die mir meinen Weg erschweren,

soll Führer ich und Wegbereiter sein!

 

Der Leidgewohnten stumpf getragnes Leid zu lindern,

für die zu wirken, die mein Wirken hindern,

dem Moor der Mittelmäßigkeit zu widerstreben,

es auszutrocknen, seinen Grund zu heben. -

Nur gegen euch vermag ich's euch zu geben,

mein flammend „Ja" in euer träges „Nein"!

 

Nun wählet recht und sagt:

Was wollt ihr werden?

Werkzeug zu sein, ist euer Los auf Erden!

Ein herrlich Los,

seid ihr der Meißel

in des Allmächt'gen Hand. -

Ein elend Sklavendasein bloß,

seid ihr die Geißel,

die Satans List erfand.

 

Wohl ist der Meißel hart und dringt tief ein

und füget Wunden zu dem rohen Stein.

Doch nicht zu quälen,

nur zu beseelen,

um einzuhauchen ihm das Leben,

der Schönheit Krone ihm zu geben,

um der Vollendung willen nur

zieht er die schmerzensreiche Spur.

 

Die Geißel aber schlägt nur um des Schiagens willen

zahllos und wahllos Wunden, ohne sie zu stillen.

Sie naht sich nicht geradewegs dem Ziel,

sie lauert abseits stets, dann wie im Spiel

holt weit sie aus, um sichrer nur zu treffen,

denn sie versteht's, dem Satan nachzuäffen

die böse List...

 

Ihr Menschen, da ihr's wißt:

Was wollt ihr werden?

Werkzeug zu sein, ist euer Los auf Erden!

Nun wählet recht!

 jardin18

Schattenkämpfe

 

Unbeirrt und unbeirrbar geht der Strahl aus dem flutenden

Licht der Sonne in die Dunkelheit und durchdringt Wolken und Nebel. Nehmt die Wolken, die Schatten, nicht als etwas Wirkliches, denn sie sind nur zeitlich, sie werden und vergehen. Wirklich ist allein das Licht. - Unbeirrt, wie der Strahl der Sonne, geradlinig und alles erhellend, was sich in den Weg stellt, gütig lächelnd und gebend zieht eure Bahn in dem Wissen, daß nichts das Licht aufhalten kann. Nehmt weder euch selbst noch eure Mitspieler als irdische Persönlichkeiten zu ernst. Wenn ein Schattenbild dem euren Widerstand leistet - nun, dann freut euch der Möglichkeit der Kraftentfaltung. Aber der Ausgang des Schattenkampfes soll euch nicht bekümmern. Wertet den Sieg nicht als Sieg, die Niederlage nicht als Niederlage, sondern alles als ein Erleben, ein Spiel euerer Seelenkräfte, an dem euer wahres Selbst sich bereichert, sich vollendet.

 

Ihr kämpft oft zu schwer, legt zuviel Gewicht in euere Bemühungen. Spielt lächelnd Schach auf dem Schachbrett des Lebens, schiebt die Figuren mit leichter Hand auf ihren Platz, behaltet dabei euer Gegenüber im Auge, schließet es ein in den Strahl eueres Lichts und redet und handelt — nach innen horchend —, wie euch eingegeben wird. Je froher und freier ihr seid, um so näher kann euch unsere Hilfe sein! - Wenn euch aber das Schauspiel erschüttert, so fraget: Wie konnte diese Tragödie entstehen, welches waren ihre Ursachen? Und so lernt ihr allmählich die Fehler eueres Denkens und Tuns immer schärfer zu erkennen und zu beseitigen, was noch als falsch und schattenhaft euch anhaftet.

 

Wenn ihr nicht die Bilder, die Schatten, ernst nehmet, wohl aber das, was sie euch lehren wollen, so wachst ihr ganz von selbst in jenen Mittelpunkt hinein, der sonnenhaft und haltgebend ist. Und die Wolken, die sich drohend zusammenballen, werdet ihr bezwingen können, indem ihr sie mit euerer Liebeskraft durchstrahlt.

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Zeitenwende

 

Die Erde bebt in Fieberschauern

'wie ihr!

Die Elemente warten, lauern,

Dämonen, die in dunklen Tiefen,

im Fels, im Sumpf, in Feuern schliefen,

gebannt seit undenklichen Zeiten,

und die zum Aufstieg sich bereiten

wie ihr.

 

Die neue Zeit hat angefangen

in euch!

An alle ist der Rufergangen -

vom Bösen scheiden sich die Guten.

Auch die in eurer Seele ruhten,

die Widersprüche, Härten, Gluten,

die Wunden brechen auf und bluten

in euch.

 

Der Zeitenwender eurer Welten

ist hier!

Die Sterne, die Sein Haupt erhellten,

kann Er in Seinen Händen halten.

Er löst, Er bindet die Gewalten,

Er sucht und findet die Erwählten,

und die zu Seinem Volke zählten

sind hier.

 

Du, einer wirren Zeit verirrt Geschlecht,

schau hin - am Horizont die schwarzen Reiter!

Noch schattengleich, doch näherkommend schon,

umzingeln dich des Dunkels wilde Streiter!

 

Dir war das Dunkel oft willkommen doch,

in seinem Schütze reiften deine Taten,

und seinem Flüstern gabst du gern Gehör.

Nun sieh - es sprießen deiner Taten Saaten!

 

Was zitterst du und kannst es nicht ertragen?

Du warst doch mutig sonst, wenn's anders galt!

Das deinen Zwecken dienstbar war, das Dunkel,

sieh jetzt in seiner wirklichen Gestalt!

 

Und fühl der alten Erde fiebernd Beben,

und wanken sieh das Haus der Wissenschaft,

und stürzen sieh der Menschheit heil'ge Güter

und mit sich reißen deine beste Kraft!

 

Denn plötzlich ist das Dunkel überall,

das nun zerstörend gegen dich sich wendet.

Des Horizontes schwarze Reiter sind

das Böse, das du selbst einst ausgesendet.

 

Doch Gnade läßt das Dunkel vor dich treten,

daß du's erkennst, erkennend dann erlöst.

Drum trag der Liebe Fahne ihm entgegen,

daß du erlösend auch dich selbst erhöhst!

 

Denn angelangt bist du, verirrt Geschlecht,

an deiner wirren Wege jähem Ende.

So geh zurück in dich, und hol aus dir die Kraft,

und wirk die große Weltenzeitenwende!

 

Es strömt die Nacht - hast du sie wirken sehn?

Sie webt ihr silbern Kleid um jeden Reinen,

um ihn mit seinem Schöpfer zu vereinen

in alter Pracht.

 

Es strömt die Nacht - hast du sie weinen sehn?

Sie klagt um jede Seele, die verloren,

noch nicht den Christus in sich hat geboren,

eh es vollbracht.

 

Es strömt die Nacht - hast du sie leuchten sehn?

Schon naht, dem blinden Erdensinn verborgen,

der lang verheißne, neue Weltenmorgen.

Wohl dem, der wacht!

 

Licht in Nacht und Not

 

Es gibt nur einen Schutz, und das ist der göttliche Schutz; und {es gibt nur eine Hilfe, und das ist die Hilfe von oben. Habt ihr die, dann seid ihr geborgen. Wehrlos ausgeliefert den Niedrigkeiten der Erde, den Widerständen, den Haß- und Neidwellen, die jene über die Erde gießen, die arme, verirrte Kinder sind, wäre jeder, wenn nicht der schützende Mantel der göttlichen Hilfe ihn umhüllen würde. Und nur, wenn zur Lehre und zum Reifen einem Gotteskind Leides getan werden soll, wird der hüllende Mantel entfernt. Aber ein anderer, ein Krönungsniantel wird ihm umgelegt, daß er ertragen kann, was ihm widerfahrt, daß er lernen kann die Lehre des Leides, daß er als Sieger hervorgehen kann.

 

Wißt ihr dies, dann könnt ihr ruhig sein, wo immer ihr steht. Wenn ihr das Rechte wollt und das Rechte tut, wird euch die rechte Hilfe zu jeder Zeit werden.

 

Auf steinigem Boden stehen die Pflänzlein, deren Blühen und Früchtetragen dem Himmel geweiht ist. Was für die Erde blüht und der Erde Früchte erntet, hat den Lohn der Erde und die Freude der Erde und bebt vor der unbekannten Nacht zurück, die das ewige Schweigen zu sein scheint.

 

Wen aber der karge Boden am Blühen hindert und um die Früchte bringt, dem wird aufgetan das lichte Land, und die schweigende Nacht ist die klingende Harmonie für ihn. Sein Sehnen wird ins Licht gehoben, und sein Blüten- und Früchtesegen ist der Segen des Himmels. Alles findet er vor, was er wollte und suchte, und was unerfüllt und ungestillt blieb. Für jeden Stein auf seinem Lebensweg blüht ihm ein Blümlein auf im lichten Land. Wollt ihr der Erde oder dem Himmel blühen, wollt ihr der Erde oder des Himmels Segen ?

 

Aus Tagen ohne Glück und tränenreichen Nächten

„könnt ihr der Überwindung Dornenkrone flechten

und als Erlöste mit dem Heiland auferstehn.

Doch müßt ihr's nicht. Wollt ihr durch Licht und

Schatten gehen

 

als Unbeschwerte, Unbelehrte,

seid ihr so lang Zurückgekehrte

zu dieser Erde Lust und Not,

im Kreise laufend durch Geburt und Tod,

bis, seines Wanderns müde, euer Geist

euch selbst die Wege zur Erlösung weist

und sich bereitet, jubelnd anzutreten

den Höhenflug. O seht, so wird erbeten

der Überwindung schmerzensreiche Krone.

Nehmt sie als Sühne nicht - nehmt sie zum Lohne!

 

Nur die Tränen, die nach innen fließen,

die die Seele, nicht das Auge weint,

können sich als Gnadenquell ergießen

in den See, den eure Seele meint.

Klagen nur, die ungesprochen blieben,

leuchten weiß wie Schnee am Silbersee.

Lotosgleich entblüht dem Leiden Lieben.

So schenkt Gott zurück gestilltes Weh.

 

Zaghaft und verzagend,

meine Bürde tragend,

wende ich die Schritte

zu der Welten Mitte,

Herr, mein Gott, zu Dir!

 

Durch des Kummers Wände

fühlt' ich Deine Hände,

sah in meinem Hoffen

Deine Türe offen,

kam Dein Ruf zu mir!

 

Wolle meinem Denken

Deine Wahrheit schenken!

Wolle meinem Leben

Deine Klarheit geben!

Führ mich dort und hier!

 

 

Deine Hände will Ich füllen, weil sie leer sind

Sieh, Ich hab hinweggenommen deine Last -

jene auch, die du für Glück gehalten hast,

die du zögernd nur und stückweis gabst dahin.

Denn du wußtest nicht, daß Ich es selber bin,

der dir naht im Kleid des Leids, im Kleid der Not -

der, indem er alles nahm, dir alles bot.

Deine Hände will Ich füllen, weil sie leer sind ...

 

Du letztes Leid, ich reife dir entgegen,

' so wie das Korn entgegenreift dem Schnitt.

Ich trage schwer des langen Sommers Segen,

Goldkörnerfrucht der Leiden, die ich litt.

 

Das eigne Leid, es gleicht dem zarten Keime,

der sich in dunkler Erde müht und müht

und sie durchbricht und so das erst Geheime

nun lichtwärts trägt und lichtgesegnet blüht.

 

Er blüht gleich ändern, Halm zu Halm gesellt,

und ist wie sie dem Sturme preisgegeben,

ein hilflos Halm im weiten Ährenfeld,

und Mitleid reift als Frucht im Miterleben.

 

Und dennoch, Brüder, ruf ich nach dem Schnitt

für mich und euch, daß wir erfulPn die Sendung.

Die Leidbejahung ist der letzte Schritt

im Leid, der erste aber zur Vollendung.

 

Es gibt kein Geben, das nicht Nehmen ist.

Es gibt kein Opfer, das nicht Segen wird.

Verwandlung heißt das himmlische Gesetz!

Ein flutend Licht, ein Regenbogenglanz,

das allen angehört und allen dient -

und ewig neu durch neue Formen fließt.

Es gibt kein Leid, das ohne Tröstung bleibt,

und keinen Tod, der nicht ins Leben führt.

Als Atem Gottes gehn wir aus und ein.

 

Es ist ein Engel, der heißt Trost

d steht am Tor der Welt.

Und wartet, wen die Welt verstoßt,

und wen das Schicksal fallt,

und nimmt ihn an und hebt ihn auf...

 

Ich suchte lange, lange nach dem Tor

und ging zu Menschen, die vom Engel sagen.

Und kam zurück mit immer neuen Fragen

und einem Herzen, das noch immer fror.

 

Und nun? Ist denn dein Flügelschlag

mein Atem? Und das Tor

das Tor der Welt, mein Herz, o sag?

Du trittst aus ihm hervor

und nimmst mich an und hebst mich auf...

Niemals darf dein Herz verzagen,

niemals bist du ganz allein!

Dieses muß zu allen Tagen

deines Kampfes Rüstzeug sein.

 

Auch in deinen trübsten Stunden

lenkt der Herrgott dein Geschick.

Wenn du nur mit Ihm verbunden,

kehrst du stets zu Ihm zurück.

 

Du, dem seit je alle Loblieder galten,

Du, vor dem Engel die Lichtflügel falten,

Du löst die Wolken, die drohend sich ballten,

und auch die Sorgen, die mich schon umkrallten!

Dein sind die Sonnen, die Leben entfalten,

Dein auch die Blitze, die Berge zerspalten!

Du bist der Eine in vielen Gestalten,

immer derselbe in allen Gewalten!

Nie kann Dein Leben in meinem erkalten -

wo ich auch bin: Du mußt mich erhalten!

 

 

Viele Steine gibt die Erde,

viele Häuser kann man haben,

viele Mauern kann man ziehen,

hohe Türme kann man bauen.

 

Wollt ihr Stein sein unter Steinen?

Wenig ist der Schutz des Hauses,

alle Mauern müssen fallen,

auch die höchsten Türme stürzen.

 

Seht, die Regenbogenbrücke

breitet ihre hohen Bogen

zwischen Sternen, zwischen Menschen.

Schwebend nur seid ihr geborgen!

 

 

Oft stehen wir in Gottes großem Schweigen,

verlassen, wie es Waisenkinder sind,

und sehn die Sonne steigen und sich neigen

und warten, daß sich uns die Sterne zeigen,

und lauschen auf den Regen und den Wind

und meinen, einer muß uns Antwort geben.

Doch fremd an uns vorüber rauscht das Leben.

 

Und dennoch: Das ist eure heil'ge Stunde,

wenn ihr euch ganz dem Gottesschweigen gebt

und niedertaucht zu eurem Wesensgrunde,

aus dem der Weisheit wonnevolle Kunde,

der weißen Lotosblüte gleich, sich hebt

zum klaren Spiegel eines neuen Lebens.

Dem Schweigen nur entblüht die Kraft des Gebens.

 

Wer reinen Herzens sucht, sucht nicht vergebens.

Er sucht und findet Quellen reinen Lebens,

die in der Brust des reinen Menschen springen.

Wenn er versteht zu ihnen vorzudringen,

ist er im Land, das seine Seele liebt,

im Land, das seiner Sehnsucht Frieden gibt. -

Such nach den Quellen, tief in dir vergraben,

und schöpf aus ihnen ihre heil'gen Gaben!

O such, du findest sie, und schöpf aus ihnen

die Kraft, als Fels zu stehn und anderen zu dienen.

 

 

Warum erst dann und einst - warum nicht jetzt?

Das Jenseits ist nur jenseits deiner Sinne.

Du selbst hast deine Grenzen dir gesetzt,

und wirst du heute deiner Freiheit inne,

verwandelt heute sich für dich die Welt.

Es kann ein Dornenstrauch dir Rosen tragen,

und jedes Antlitz siehst du aufgehellt;

durch jeden Mund kann Gott dir Antwort sagen.

Du gehst in aller Wesen Herzen ein,

ein Kind des Himmels und ein Gast der Erde,

und kannst ein Bürger beider Welten sein.

Es braucht nur eins: das Schöpfungswort „Es werde!"

 

 

Ein Aspekt der Gottheit ist die Freude,

die da leuchtet hinter allen Qualen

wie die Sonne. Kannst du miterstrahlen,

teilen sich vor dir die Wolkenwände,

kannst du füllen viele leere Hände,

bist du Künder gottgewollter Freude!

 

 Wo die reinen Quellen rinnen,

ist das ew'ge Neubeginnen.

 

Unsre Tage sind verloren,

wenn wir nicht wie neugeboren

alte Vorurteile lassen,

höhere Entschlüsse fassen,

neuen Weg zu Menschen finden,

enger uns mit Gott verbinden,

andre zu der Quelle führen,

bis auch sie den Aufschwung spüren

und das Wasser weiterreichen ...

Solches Glück ist ohnegleichen,

eint den Himmel mit der Erde,

mit dem Schöpferwort „Es werde!"

 

Wo die reinen Quellen rinnen,

ist das ew'ge Neubeginnen!

 

 

Trinke Frieden, liebe Seele,

daß dein Leid dich nicht mehr quäle

keiner lebt hier ohne Leid ...

 

Schenke Frieden auch den andern,

die gleich dir ihr Ziel erwandern,

und du bist gebenedeit.

 

Geben wollen heißt bekommen ...

Nichts ist unser, nur entnommen

Gottes großem Gnadenquell.

 

Wollen wir den Engeln gleichen,

ändern unsern Heiltrank reichen,

wird es in und um uns hell!

 

 

Strahlende Zuversicht,

du bist wie Morgenlicht

Sieg und Gewinn!

 

Türme nicht Wolken auf,

stör nicht der Sonne Lauf,

trüb nicht den Sinn!

 

Christus, du Himmelsheld,

ich zieh mit dir ins Feld,

dein, dein ich bin!

 

 

Vom wahren Tun

 

Das Tun liegt nicht in der Tat, denn sie ist nur die letzte Auswirkung des Tuns. Das Tun liegt auch nicht im Denken, denn die Gedanken sind die Zuleitungskanäle, die reines und getrübtes Wasser führen können. Das Tun liegt jenseits des Werdenden und Gewordenen im Reich der Wirklichkeit. Dort seid ihr Mitwirker am Weltengeschick, dort fallen die Entscheidungen. -

Die Menschen meinen, die Welt verbessern zu können, wenn sie Taten erzwingen oder Taten unterdrücken. Aber sie setzen nur Gewalt gegen Gewalt, Irrtum gegen Irrtum. Es will der Mensch den Frieden, aber er meint, ihn erkämpfen zu müssen und bleibt damit auf dem Schauplatz des Kampfes. Es quält den Menschen, daß seine Gedanken, die Zuleitungskanäle, getrübtes Wasser führen, und er müht sich, das Wasser zu klären, und müht sich vergeblich,

weil dem Ruhelosen immer neues trübes Wasser zufließt.

 

Es gibt nur eines: Die Quellen aufsuchen und mit ihrem reinen Wasser die Kanäle speisen. Dann wird das reine Wasser das getrübte Wasser ersetzen. In den Frieden eintauchen, aus den Quellen trinken und so gestärkt den Frieden auch im Land der Unrast behalten. Sich den Quellen nähern und mit jedem Schritt eine neue Erkenntnis, ein tieferes Verstehen, eine größere Liebe erwerben. Und die Ereignisse, die der Mensch nicht beherrschen konnte, als er im Reich der Auswirkung gegen sie kämpfte, werden sich wandeln und werden sich verändern, weil er sich gewandelt und sich verändert hat.

 

Dies ist der Sinn des Heilands-Wortes: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, so wird euch dieses alles zufallen."

 

 

Fackelträger

 

Ich war wie alle: hörig und ergeben

der Gunst des Zufalls, die mich trug und schob.

Bedenkenlos erbaute ich mein Leben

auf schwankem Grund, auf meiner Freunde Lob,

der Feinde Neid. - Bis beides jäh zerstob.

 

Denn es geschah - im Wachen oder Träumen -,

daß einer flammenäugig vor mir stand.

Der mahnte mich: „Wie lang willst du noch säumen?

Mit einer Weisung sandt' ich dich ins Land!"

Der Mahner sprach's und wandte sich und schwand.

 

Da klärte sich der Seele trüber Spiegel,

aus Schleiern stieg der Himmelsheimat Pracht;

da löst' ich des geheimen Auftrags Siegel

und ward entflammt von Gottes ew'ger Macht.

Hier muß ich Künder sein, bis es vollbracht!

 

 

Jede Quelle weiß den Weg zu finden,

keine Felsensperre kann sie binden,

der Berufne weiß sich durchzusetzen,

mag er auch das Erdgesetz verletzen,

das Gebot des Himmels zu erfüllen.

Jede Blüte sprengt die Knospenhüllen,

alles Wirken in dem Stoff der Erde

ist ein Ringen. Ewig tönt: Es werde!

 

Weil der Weg so steinig ist,

muß ich soviel Blumen kaufen,

daß mein Herz sein Weh vergißt,

wenn die Füße wundgelaufen.

 

Weil im Äug die Träne steht,

müssen meine Lippen lachen,

bis sein trüber Blick vergeht

vor dem Glück, dem tausendfachen.

 

Weil die Menschen lieblos sind,

muß ich soviel Liebe geben.

Wie im Frost ein Bettelkind

seh ich ihre Seelen beben.

 

Weil sogar die Distel blüht,

blüht mir Gutes auf aus Bösem.

Und wer sich noch mehr drum müht,

kann den Bösen selbst erlösen.

 

 

Wie die Sonnenblume tausendblättrig strahlt

und die Sonnenfarbe auf die Blätter malt,

soll dein Wesen werden ganz und gar voll Licht.

Wer die Sonne selbst ist, kennt den Schatten nicht.

 

Der du dein Haupt schon erhebst

'in die Wolken des Himmels,

wandle gelassen die Wege

der wimmelnden Menge.

 

Nichts als den Staub an den Sohlen

habt ihr noch gemeinsam.

Nichts als die Not ihres sinnlosen Tuns

soll dich rühren.

 

Neigtest du dich, den Gehetzten

in Demut zu dienen,

richte dich gleich wieder auf

zu der einsamen Höhe.

 

Ungetrübt mußt du als Tröster

Betrübter verharren:

Nur eine brennende Fackel

dient Dunklen als Leuchte!

 

 

Ein Baum, der kühn und weit im Licht sich breitet,

was kümmert ihn der Schatten seiner Krone,

der Blattfiguren auf den Boden zeichnet?

Wer Schatten wichtig nimmt, vergißt das Wachsen,

er senkt die Stirn, bewundert Menschenwerke. -

Allein der Weise hört die Krone rauschen.

 

Der Glaube ist kein Ruhn,

der Glaube ist ein Tun,

das Wirken in der Stille,

der ausgestrahlte Wille,

gesammelt sonnenhaft,

die potenzierte Kraft,

erweckend und belebend,

mitreißend-göttlich gebend.

Denn Gott und du sind eins

im Brennpunkt deines Seins.

 

 

Von manchem Menschen geht ein Segen aus

und auch von manchem Ort und manchem Haus,

wo Glaubenskraft Gestalt geworden ist.

Gebete und Gedanken, Schicht um Schicht,

verdichten sich zum Baldachin aus Licht,

das stärkern Schutz gewährt, als ihr es wißt.

 

Es kann euch nicht befrein von Not und Tod,

von eurer Schicksalssterne Pflichtgebot!

Es selbst zu lösen, seid ihr auf der Welt.

Nur leichter, lichter wird das Leben sein,

und schon verwandelt geht ihr einstens ein,

wenn ihr euch unters Zelt des Segens stellt.

 

Die des Himmels Krone tragen,

dürfen sich zur Hölle wagen,

weil der Lichtschein, der sie leitet,

einen Teppich vor sie breitet.

 

Wo sie wandern durch die Welten,

werden ändern sie vergelten

Haß mit Liebe, Fluch mit Segen,

denn sie gehn auf Seinen Wegen.

 

Und sie leiden Seine Schmerzen

mit der Kraft der großen Herzen,

mit dem Wissen um die Wahrheit,

denn sie stehn in Seiner Klarheit.

 

Die des Himmels Krone tragen,

wissen lächelnd zu entsagen.

Auch wenn Sterne untergehen,

bleiben sie am Himmel stehen.

 

 

Der du ein Fremdling bist in dieser Welt,

"nimm meinen Rat, und steh auf ihrem Boden,

wie es dem Gast im fremden Land geziemt.

Und hilf den ändern pflanzen oder roden,

und teile ihre Lust und ihre Last.

 

Doch, Fremdling, weil du Sonnenaugen hast,

mußt mehr du sehn und tiefer als die ändern

und mehr verstehn von denen, die da wandern,

als sie von dir. Du bist dem Fernen nah;

zu geben, nicht zu fordern bist du da.

 

Der du ein Fremdling bist in dieser Welt,

nimm meinen Trost: Nicht du bist heimatlos,

das sind die ändern, die des Lichts vergessen.

Ruf sie zurück! Des Vaters Haus ist groß.

 

 

Ob ich lange sinne, heiß mich sehne,

ob ich manches will und vieles wähne,

ob ich Pläne trage, Taten wage -

wenn ich nicht nach Gottes Willen frage,

sehe ich am Ende meine Tage

fall'n wie welkes Laub vom Baum des Lebens.

Sehnen, Sinnen, Suchen war vergebens!

Trete ich vor Gott, sind meine Hände leer ...

 

Doch wer sich bettet in des Vaters Willen

ist stark, und seine Hände sind von Segen schwer.

Die Tränen seiner Brüder kann er stillen,

kann Hoffnung wecken, kann den Frieden bringen.

Er sorgt nicht, was er spricht, denn in ihm klingen

des ew'gen Wassers Quellen frisch und klar,

und er spricht nicht für sich, drum spricht er rmmer w

 

Er ist sich selbst genug und dient doch liebend allen,

die Blüten seines Lebensbaumes fallen

in reicher Pracht und überschütten - andre;

denn ihm ist aufgetragen, daß er wandre

und ändern gebe und für andre lebe,

daß er aus ihren trüben Tiefen hebe

den Schatz, der jedem Menschen ist geschenkt!

 

Und wenn der Vater seine Schritte lenkt

der ew'gen Heimat zu, ist ihm nicht bange;

in ihrem Lichte wandelt er schon lange.

Den Wanderstab, der oft ihm schien zu schwer,

legt er beiseit und gibt zurück das Kleid,

und seiner Bürden ledig schreitet er,

ein Sieger, durch das Tor der Ewigkeit.

 

 

Trotz alledem vermag mein Mund zu singen

JL inmitten dieser mißklangreichen Welt!

Die Quellen, die dem heil'gen Berg entspringen,

ergießen sich, der Erde abzuringen

das Frühlingsgrün, das nährend sie erhält.

 

Mag sich der Haß die hohen Mauern bauen,

ich hab ein Herz, das dennoch lieben kann!

Es reicht so weit die Himmel Gottes blauen

und kann aus Sonnenhöhen niederschauen -

von oben sieht sich alles anders an.

 

Weil ich mit Mitleidlosen Mitleid spüre,

floß hoher Lieb' Erlösungskraft in mich

und öffnet allen Seins geheime Türe.

Willst du, daß ich dich ihr entgegenfahre?

Die Regenbogenbrücke trägt auch dich!

 

 

Ich will euch künden, Kinder dieser Welt, was euer ist,

was euer Seelenschrein verschlossen hält, bis ihr es wißt,

bis ihr das Heiligtum in euch entdeckt, bis ihr gleich mir

zum Künder werdet und die ändern weckt. Sie leiden hier,

sie leiden euer Leid und wissen's nicht, denn traumbefangen

gehn sie dahin, und ihrer Seele Licht ist leidverhangen.

Was sie erschaffen, wandelt sich zu Staub in ihrer Hand.

Ihr nur dem Äußern zugewandtes Sein, sie nennen's Pflicht;

daß sie das Heiligtum entweihn, sie wissen's nicht.

Es fuhrt sie kreuz und quer und führt sie weit ihr Wissensdrang;

in sich zu gehn jedoch fehlt es an Zeit, denn dieser Gang,

der nächste, kürzeste, zum wahren Ich, wird erst getan,

sieht man die Brücken brechen hinter sich und seinem Wahn.

Die Antwort, die das Leben schuldig blieb, hier hört man sie,

und Sehnsucht sänftigt sich und Leid und Lieb zur Harmonie.

Und Gottes Odem löst, in ihm erwacht, leise und sacht,

was ihn gefesselt hielt in banger Nacht, bis es vollbracht.

 

 

Tod und Auferstehung

 

Nur wer durch den Tod gegangen ist, kann die Auferstehung feiern. Es gibt der Tode viele, es gibt seelischen und körperlichen Tod, und immer wird das Losreißen, das Sich-Trennen oder Getrenntwerden von Gewohntem und Geliebtem ein Vorgang sein, der dem Tod des Körpers gleicht. Es bleiben leere Formen, leere Hüllen zurück, die man einst mit Leben, mit Empfindungen, vielleicht mit Leidenschaft erfüllte. Und allen in der Materie gefangenen Wesen ist das eine gemeinsam: die Angst vor diesem Sterben, vor dieser Verwandlung, und der Wunsch festzuhalten, zu bewahren.

 

Dir baut an euerem Körper, wenn euch der Ruf zur Wiedergeburt aus der Höhe in die irdische Welt zurückreißt. Das ist Gesetz. Aber Gesetz ist auch, daß der Rückruf ins Licht zur Befreiung euch erwecken soll. Dazu bedarf es der Entwicklung. Ihr hüllt und spinnt euch immer tiefer ein, statt euch an dem goldenen Faden, der euch aus der Höhe gegeben ist, wieder emporzuranken. Und so ist es Gnade, daß der Tod in so vielen Formen an euerem Wege steht; ihr würdet sonst endlos im Kreise gehen und verfestigen, was ihr auflösen sollt. Denn das Leben wandert durch alle Hüllen und Formen hindurch, höher, höher!

 

So sei euer Herz denn froh, so oft es hergeben muß, was es besaß, und frage: Was wartet mein? Was erfüllt meine Leere mit neuem, herrlicherem Glanz? Denn nur um Reicheres zu fassen wurde euerem Herzen genommen, woran es hing; um auferstehen zu können, mußtet ihr durch des Todes dunkles Tor schreiten. Wollt ihr zum Licht? Dann bleibt nicht stehen am Wege, dann baut keine Festung um euch, dann eilt, daß die Fülle, die der Eine euch

verhieß, der euch vorgelebt und Tod und Auferstehen gezeigt hat, auch die eure werde!

 

 

 

Ins Licht erhoben

 

 

Überwunden

sind die Stunden

meines Sterbens. -

Und ich lebe!

Und erhebe

meine Stimme, und ich klage

an und frage

euch, ihr Priester des Verderbens:

Schreit ihr nicht durch alle Gassen,

gottverlassen

sei die Erde?

Und die Menschheit eine Herde

triebbesessner,

pflichtvergessner

Zufallswesen, preisgegeben

einem Leben,

das nichts birgt als den Genuß?

Und sein Schluß

die Grabesstille?

Keines Schöpfers hoher Wille,

nur der Willkür blindes Spiel,

ursachlos und ohne Ziel

ist das menschliche Gewimmel?

Über ihm ein leerer Himmel? –

Die ihr solches lehrt und lebet,

hört: Dir gebet

Steine jenen,

die voll Sehnen

Brot erbaten.

Eure Taten

sind Verbrechen. Dreimal Wehe!

Eure Nähe,

pesthauchgleich und krankheitsbringend,

glückverschlingend!

Euer Lehren,

euer Wehren

ist vergebens:

Das Gesetz wird euch erfassen.

Denn wir lassen

nicht vom Rufen, wir, die Toten,

wir die Boten

ew'gen Lebens.

 

 

Es weht der Wind, es schäumt das Meer,

. /die grauen Wolken eilen.

Ich habe keine Stätte mehr,

um gastlich zu verweilen.

 

Das Haupt so müd, das Herz so schwer,

und immer weiter wandern.

Wo finden sie den Mut nur her,

die vielen, vielen ändern?

 

Es rinnt der Sand im Stundenglas,

es rann dahin mein Leben.

Und schau ich rückwärts, frag ich: Was

hab ich der Welt gegeben?

 

Ich nahm und nahm! Nahm Glanz und Macht,

sie ewig zu behalten. -

Dann kam die bange Todesnacht,

und dann kam das Erkalten.

 

Und nur ein Schrei aus weher Brust,

ein Schrei ist mir geblieben:

Ich habe es ja nicht gewußt!

Man kann nur eines: Lieben!

 

 

Sterben ist leicht,

glaub mir, es gleicht

glückhaftem Traum.

Weit wird der Raum -

du schenkst dich im

uferlos strömenden Glück

dem Urmeer zurück...

 

 

Ich aber weiß, es ist uns vorbehalten

der Lebenswerte höchster bis zum Schluß.

Dann naht sich uns die hehrste der Gewalten,

und unser Wollen wird vor ihr zum Muß,

und unser Ahnen weitet sich zum Wissen

und macht aus unserm Mangel Überfluß.

Was lebenslang wir suchen und vermissen,

wird uns zurückgeschenkt im Todeskuß.

 

Kennst du der Geigenstimmen heißes Drängen

der Flöten Eile und der Harfen Hast

zurückzufinden aus den Übergängen

zu dem Akkord, der alle Klänge faßt?

So stürmen wir, vom Schlußakkord gezogen,

von Ziel zu Ziel und fliehn von Rast zu Rast -

des Lebensstromes ungestüme Wogen -

dem Meere zu, in Gottes Glut und Glast

 

 

Sommersatt steht das Getreide.

Sollst nicht weinen, wenn ich scheide

aus dem engumgrenzten Kreis,

weil ich neue Wege weiß.

 

Sommerwind wiegt das Getreide,

tröste lind auch dich im Leide,

singt dir meine Melodie,

wenn ich in die Feme zieh.

 

Schnitter schneiden das Getreide.

Bald schließ ich die Augen beide,

doch aus sternumstrahltem Tor

tret ich morgenfrisch hervor.

 

 

Mein Herz weiß längst, wo es dich suchen soll,

es weiß geborgen dich im lichten Land.

Mein Äug nur, unbelehrbar, sehnsuchtsvoll,

sieht immer noch dein irdisches Gewand,

geliebtes Bild im leergewordnen Raum.

Doch Nächte kommen, wo du nah mir bist,

und manchmal hebst du mich zu dir im Traum

und sagst mir, daß mein Schmerz der Schleier ist,

der dich verhüllt. Und ich gelobe dir,

was mir am ändern Tag so schwer erscheint:

In Glanz und Glück zu gehn, du dort, ich hier -

in Gottes großem Licht sind wir vereint.

 

 

Was soll des letzten Liedes süßer Klang,

was soll der mildverklärte Abgesang

und dieses Lichtes überreiches Fließen,

eh sich die Pforten meiner Augen schließen?

 

Vielschöne Welt, ist das dein Scheidegruß?

Schon an der Schwelle, zögert noch mein Fuß,

als könnte er mich nicht hinübertragen ...

 

Vielschöne Welt, was will dein Gruß mir sagen?

 

Du bist verwandelt - oder bin es ich

und gieß des nahen Himmels Glanz in dich

und bin verklärten Liedes letzter Klang,

Vollendung und Beginn im neuen Sang?

 

So nehmen Rosen Abschied von der Welt,

wenn Blatt um Blatt aus ihrer Krone fallt,

indessen sie in selbstvergessnem Glühn

aus Sonnensehnsucht sich zu Tode blühn ...

 

 

So du mich liebtest, segne auch die Stunde,

a mich der stille Engel sanft geküßt,

weil ich um alle deine Klagen wüßt'

und alle Qualen mit dir leiden müßt',

auch jene, die du trägst mit stummem Munde.

 

Gott gab die letzte Weihe unserm Bunde,

nicht Trennung, nur Verwandlung ist der Tod!

Ins Licht erhoben seh ich alle Not

und alles Glück, das uns die Erde bot,

als lichtes Bild auf einem goldnen Grunde.

 

 

Durch deine Augen schaue ich die Erde,

durch deine Seele seh ich sie verklärt,

seitdem ich leibbefreit und unbeschwert

zu neuen Fernen dringe, die mich riefen.

 

Ich bin nicht tot, und du bist nicht allein;

gebunden bleibt das Band, das uns verbindet.

Und wie dein Herz in mir den Schutz, so findet

das meine seine Erdenrast in dir,

 

wenn es, vergangnem Leben zugewendet,

des Erdendaseins Sinn zu deuten strebt.

Und in dem Maße, als es sich erhebt,

hebt es zu neuem Fühlen auch das deine.

 

Durch deine Augen schaue ich die Erde -

du kannst durch meine jene Sphären sehn,

durch die wir Hand in Hand nun weitergehn,

bis wir den Ursprung allen Leuchtens finden.

 

 Blumen

Vom Strom getragen

 

 

Was die Seele in Schwingung bringt, was euch aufrüttelt aus der Gefühlsträgheit des Alltags, ist gut für euer Wachstum. Denn ob Leid oder Glück - es stürzen eure Kerkermauem vor dem Anprall der Wogen des Gefühls. Und euch aus euern Mauern zu befreien, euch umschwingen, auf höhere Weise schwingen zu lassen, ist die Aufgabe des Schicksals. Nur so lernt ihr, schließlich in die inneren Kreise tiefsten Erlebens, höchsten Bewußtseins

einzutreten.

 

Immer wollt ihr selbst wissen, was gut für euch ist, wollt euer Leben nach dem kleinen Menschendenken einrichten, statt euch tragen, euch mitreißen zu lassen. Manchmal nennt ihr ein Geschehen „hinreißend". Ja, hingerissen sollt ihr sein vom Strom, und die Richtung, in die er euch riß, sollt ihr erkennen als eurer Entwicklung zugehörig! Hingerissen, und dennoch aus freien Stücken, aus vollstem Bewußtsein und das Leben bejahend, sollt ihr dem Fühlen euch schenken, sollt ihr euch tragen lassen vom Strom des Lebens. Aber es ist der eine, der wahre, der ewige Strom gemeint.

 

Seid aufgetan dem Fühlen, weicht nicht aus auf die Felseninsel der Gefühlskälte. Denn auch falsches Empfinden ist noch besser als Gefühllosigkeit, auf die viele so stolz sind. Und es kommt schon der große Strom auch für den, dessen Fühlen irrt, und trägt ihn mit sich. - Gott weiß wohl besser als ihr, wessen ihr bedürft. Wollt ihr Ihm die Wege vorschreiben, die Er euch führen soll? Ein kläglicher Versuch bliebe euer Mühn. Lernt leben, lernt bewusst leben und in jedem Augenblick das tun, was von euch verlangt wird. Und ihr seid überall in der Heimat, und ihr seid immer in Gott.

 

 

 

 

Das Heilige

 

 

Denn es gibt Zeiten,

da hören wir der Unsichtbaren Füße schreiten

und fühlen ihre Hände, die uns liebend leiten,

und sind geborgen und voll Zuversicht.

 

Die Sorgen mögen gehen oder kommen,

ob uns geschenkt wird oder nur genommen,

an unsre letzten Tiefen rührt es nicht.

Die stehen nur im ewig jungen Hoffen

den Stimmen jener Unsichtbaren offen,

durch die der Herr uns Seinen Segen spricht.

 

Das sind die Zeiten,

da wir dem Zwange dieser Erde sacht entgleiten

und eingehn in die Freiheit ungemessner Weiten

und aufgehn in dem schattenlosen Licht!

 

 

Nicht Gott verhüllt geheimnisvoll Sein Walten,

den hüllend Schleier trägst, o Mensch, nur du.

Die Stimmen schwiegen nie, die allen galten,

von deren Klang die Himmel widerhallten;

vor dir nur tat des Paradieses Tor sich 201.

 

Du gehst im Licht und siehst nur, daß die Strahlen

der Dinge Schatten auf den Boden malen,

der Dinge Wesen siehst und suchst du nicht.

Es predigt dir das schattenlose Licht,

und Erd und Himmel wolln dir Antwort geben.

Dein friedlos Fragen nur und friedlos Leben

ist schuld, daß du die Antwort nicht verstehst

und unerlöst durch ungelöste Rätsel gehst.

 

Erlöser sollst du sein in Gottes Garten

und hörst die Stimmen nicht, die hilflos zarten,

und weißt es nicht, wie alle Wesen warten. -

Doch eine Stimme ist, die überhörst du nicht:

Weh - wenn des Sturmes starke Stimme spricht!

 

 

Ich schrie den Ruf nach Gott in alle Fernen ...

Als Flamme stieg er auf zu allen Sternen ...

Doch nirgends kam ein Echo mir zurück.

Die Fernen blauten, und die Sterne schwiegen,

und meiner Sehnsuchtsträume leere Wiegen

zerschlug die Axt des Alltags Stück um Stück.

 

Da kehrte meine Sehnsucht sich nach innen ...

Und siehe: Strömend Licht fiel in mein Sinnen .

Ich wurde Gottes Gegenwart gewahr!

Er sprach zu mir: „Ich war es, Der dich lenkte,

durch jeden Menschen, der dir Liebe schenkte,

es bot dir jeder Meine Gaben dar.

 

Der war Mein Gruß - und jener Meine Rüge,

den sandt' Ich, daß im Spiegel fremder Züge

du deines Wesens Widerschein erkennst.

Ich bin im Sturm, Ich walte in der Stille,

das Stäubchen wie den Stern erhält Mein Wille.

Mich rufst du an, wie immer du Mich nennst."

 

 

Des Gottes Bilderbuch ist aufgeblättert,

es schlägt die Zeit für uns die Seiten um.

Wer sagt, Gott bleibt auf unser Fragen stumm?

Wer, der sein volles Lebensglas zerschmettert,

eh er zu Ende trank, gibt Gott die Schuld?

Wir strafen uns mit eigner Ungeduld.

Wir lernen nichts als zählen und benennen,

wir wollen wissen, aber nicht erkennen.

Die Kraft der Deutung fehlt uns, weil wir blind

und lieblos gegen uns und andre sind.

Und Gottes Bilderbuch liegt aufgeschlagen

vor aller Augen! Doch wir fragen - fragen!

 

 

Die ihr aus Gott den strengen Richter macht,

den Rächer und den Strafer, schweigt und schaut:

Beschämt euch nicht der Sonne helle Pracht,

der weite Himmel, der für alle blaut,

und einer Mutter Liebe, lind und weich,

die jeglichen von euch ins Leben trug?

Ist sie nicht Widerschein von Gottes Reich?

Doch statt der Sehnsucht königlichem Flug

habt ihr die Fesseln feiger Furcht erwählt,

und nach des eignen, engen Herzens Maß

malt ihr euch einen Gott, der straft und quält.

Entartete! Und euer Geist vergaß,

daß Gott ihn einstens schuf nach Seinem Bild!

Straft euch nicht länger selbst, kehrt um, kehrt ein!

Dann wird das Racheschwert ein schützend Schild,

der strenge Richter aber - Vater sein.

 

 

All-Einer, in Deiner erhobenen Rechten

„vollzieht sich Entwirren, vollzieht sich Verflechten

der Menschengeschicke vielfarbiger Fäden.

Wir sind die Geführten, solange wir träumen,

und werden zu Freien, entwachsen den Räumen,

entgleiten den Zeiten und nehmen die Fäden

in eigene Hände ... doch sieh, es sind Deine!

Denn immer und alles bist Du, der All-Eine.

 

 

Es sei des Menschen Herz der Kelch des Herrn,

darin die heil'ge Wandlung sich vollzieht.

Dem roten Lebenstrank entsteigt der Stern

von Bethlehem, vor dessen Strahlglanz flieht,

was nächtig ist und mächtig war im Blut

und sich verklärt zur Morgensonnenglut.

 

 

Gott hat viele Namen,

nenn Ihn, wie du magst

wenn du nur mit Inbrunst

aussprichst, was du sagst.

 

Hört nicht auch die Mutter

ihres Kindes Ruf,

ehe noch sein Seelchen

sich ein Wortbild schuf?

 

Gott spricht alle Sprachen. -

Doch wer schweigen kann,

steigt als goldne Flamme

selber himmelan...

 

 

Jedes Versenken

sei ein Verschenken,

nicht ein Verschließen,

sondern ein Fließen.

 

Welle auf Welle

heilender Quelle,

aus dem Verhüllten

zu dem Erfüllten.

 

 

 

 

 

 

In der Stille

 

 

Die Stille, die Mutter, aus deren Schoß ihr kommt, in deren

Schoß ihr einst zurückkehren werdet - was wäret ihr ohne den Kraftspeicher, dem ihr dankt, daß die Tage ihr ertragen könnt! Sie ist die alles verbindende, alles klärende Macht, in deren Licht das, was euch begegnet, sich zu einem Ganzen schließt.

Nie könnt ihr lernen des Lebens bittere oder süße Lehre, seid ihr nicht in die Schule der Stille gegangen, die euch erst deutlich macht, was euch unterwegs begegnet. Nie könnt ihr trösten, habt ihr nicht vorher die Stille um Rat gefragt und sie gebeten, daß sie euch die rechten Worte zur rechten Zeit geben möge. Nie könnt ihr getröstet werden, seid ihr nicht in der Stille mit euch allein. Sie bringt euch all die Stimmen wieder, die leisen, gütigen, die ihr über den harten, lauten Klängen der Tage vergessen habt.

Sie wirkt und webt und ist der ewige Born der Kraft, der Gesundheit und der Liebe. Denn sie ist die Vollkommenheit, die auf Erden in viele kleine Stücke zerschlagen wird. Und dieses Zerschlagen ist der häßliche, harte Mißklang, der euch so quält. - Die ihr aber die Ganzheit wiederherstellen wollt, und die ihr das Einssein m aller Getrenntheit spürt, geht oft zur Mutter, zur Stille. Sie wird euch lehren, wieder ganz und vollkommen zu werden und damit zur Vervollkommnung der Welt beizutragen.

 

 

 

Du mußt nur stille sein, du mußt nur lauschen,

dann hörst du überall die ew'gen Brunnen rauschen

und hörst nur sie.

Es stört dich niemals mehr der Menschen lautes Wort,

und daß sie lügen! Du erkennst sofort,

wie arm sie sind,

und wirst Vergeltung nicht, nur Milde üben,

denn die Bedrängten willst du nicht noch mehr betrüben,

willst helfen nur!

Und wie du helfen kannst? Wenn ihre Klagen

wie eine bittre Flut an deine Ohren schlagen,

dann höre zu!

Doch höre nur des ew'gen Brunnens Rauschen

und merk, wie Menschen wunderlich vertauschen

und unbewußt

die Ursach' mit der Wirkung. Wie sie „Müssen" sagen

und „Wollen" meinen; wie sie keuchend tragen

die eigne Last,

die selbstgewählte, die sie Zufall nennen,

und merk, daß sie die Blindheit vorziehn dem Erkennen

der eignen Schuld!

Doch ist's, als ob aus ew'gen Brunnens Tiefe

ihr Geist, im Fleisch gefangen, dich um Hilfe riefe,

weil du ihn hörst!

Kennst du die Quellen, die im Menschen fließen,

dann weißt du auch: Gerade, was sie von sich stießen,

tut ihnen not!

Und gibst du Antwort, gib sie nicht den lauten Klagen,

der leisen Geistesstimme sollst du sagen

das rechte Wort!

Daß sie erstarke, daß sie übertöne

der Erde Laut! Daß einst der Geist in lichter Schöne

die Brücke baut,

die ihren sanften Bogen schützend breitet

über vergeßnes Weh, daß, wer sie überschreitet,

ins Licht nur seh!

 

 

 

Himmlische Verbindung

 

 

Himmelshell, silbrigblau

aus der Ewigkeit

in die Ewigkeit

fließt der Fluß „Tränentau".

 

An den Fluß, unbedacht,

trat mein strahlend Ich,

und es neigte sich,

bis sein Bild froh ihm lacht.

 

Teilte sich da mein Ich,

daß mein Bild erblüht,

lebensvoll erglüht?

Ach, wohin zog es mich!

 

Wie ich selbst mir entglitt -

Werdens Lust und Weh

überfiel mich jäh!

Tränentau riß mich mit!

 

Fern der Ruf: Unser Schein

warf des Bildes Glanz

auf den Wellentanz.

Denke dran, und bleib mein! -

 

Diesen Ruf noch im Ohr

such ich sehnend Dich,

Du mein strahlend Ich.

Komm und heb mich empor!

 

 

Froher Tage lichtes Linnen

dir zu spinnen,

dich zu kleiden

mit den Seiden

sanfter Träume,

Sternenstunden dir zu schenken,

deinem Denken

blumenreichen Pfad zu weisen

und mit leisen,

sachten Händen

abzuwenden,

was mit drohenden Gebärden

deinen Frieden will gefährden,

dich als Führer zu geleiten

auf dem Pilgerweg, dem weiten -

bin von Gott ich ausgesendet.

Und vollendet

ist mein Wirken, wenn dein Wesen,

erdgenesen,

mit dem meinen

sich zu einem glockenreinen

Einklang bindet.

Denn da oben,

einverwoben

den Akkorden ew'gen Seins,

sind wir eins.

Nur mit dir kann ich durchschreiten

aller Zeiten

letzte Pforte.

Dieses ist's, was ohne Worte

sich im Licht mir offenbarte.

Komm, ich warte!

 

 

Alles Süße, das wir einst erlebten,

du und ich,

alle Träume, die uns hold umschwebten,

dich und mich,

ruhn in uns und tun, als ob sie schliefen;

doch ich weiß von Nächten, wo sie riefen,

flehentlich.

 

Will ich meines Weges weiterwandern,

fort von dir,

will ich frei und froh sein mit den ändern,

ruft's in mir

wie ein Lied, das nicht zu End gesungen,

ein Akkord, der noch nicht ausgeschwungen

und sagt „Wir".

 

Neigt sich meine stolze Seele wieder

deiner zu,

tauen alle Träume auf uns nieder -

Himmelsruh.

Wir nur können dem Vollendung schenken,

was sein Leben dankt geeintem Denken:

Ich bin du.

 

 

Eine Silberstraße übers Meer

baut der Mond. Da komm ich dir entgegen,

doch ein kurzes Stück nur, deinetwegen,

daß du selber findest zu mir her.

 

Alle schlafen. Nur wer träumen kann,

weiß die Erdenschuhe abzustreifen,

nach des Mondenlichtes Strahl zu greifen

und den Weg zu finden dann und wann.

 

An der Silberstraße deiner Träume

steh ich oft ... und oft gehst du vorbei;

blickst mich an, als ob ich fremd dir sei,

kehrst zurück in unerschlossne Räume.

 

Warten muß ich, warten dir zuliebe,

bis du selber mir entgegenreifst,

selbst des Mondenlichtes Strahl ergreifst. -

Du wärst so allein, wenn ich nicht bliebe.

 

 

Von mir zu dir, von dir zu mir

spannt sich die schwingende Brücke des Schweigens,

klingen die Klänge des himmlischen Reigens,

schwingend im Rhythmus des Fallens und Steigens,

im Atem der Gottheit, im Atem des Schweigens,

und du und ich verglühn im „Wir".

 

 

Sieh die Pfeile, die nach oben

leuchtend eilen hin am Himmelsrand.

Hör die Engel, die Gott loben,

schau, wie alles glüht im Liebesbrand!

Sieh, dort oben wirst du einstmals stehen,

wenn wir durch die enge Pforte gehen

Hand in Hand.

 

Schau mich an, wie ich dich sehe,

fühle mich in deiner Nähe,

sieh, ich steh vor deiner Tür.

Steh vor dir und schaue in dein Sinnen,

ob die reinen Ströme rinnen

auch in dir.

 

 

Sanft wie das Winden eines weichen Bandes

sind du und ich seit Ewigkeit verbunden,

ich, Bote eines fernen, fremden Landes,

kann nur mit dir vereint gesunden.

 

Das Band, das uns verbindet, ist verschlungen,

du mußt allein den Knoten darin lösen,

und ist das Lösen endlich dir gelungen,

sind wir genesen.

du Mich kennst,

 

 

Ob du Mich nennst,

Ich bin der namenlose Grund in dir.

Wo du Mich suchst, und wie du rufst nach Mir,

bin Ich dein Retter, Richter,

bin dein Schild, dein Schwert -

und - gibst du Mir Gestalt -

dein Meister, der dich lehrt.

Ich bleib verhüllt, Ich offenbare Mich

nach deiner Kraft. So wirke Ich durch dich,

wie du Mich denkst

und dich Mir schenkst.

 

 

Das Feuer, das ihr kennt,

'ist jenes, das verbrennt.

Das Feuer, das ihr meint,

das euch als Sonne scheint,

ist jenes, das vereint.

 

Entzündet Licht an Licht

in jubelndem Verzicht.

Verschenkt euch und erlebt,

wie sich aus Flammen hebt

das Ich, das ihr erstrebt.

 

 

Engel, der im Abendlicht

lautlos durch die Stube geht

und aus Jubel und Verzicht

die Erinnrungskränze flicht:

Gib, daß meinem Blick ersteht

das verloschne Angesicht!

Lange, lange sah ich's nicht,

Dämmer fiel - es wurde spät,

Wolken zogen schwer und dicht,

Staub des Alltags, Schicht um Schicht,

hat die Fußspur zugeweht. -

Dennoch! Irgendwo im Licht

blüht dein holdes Angesicht,

weiß dein Herz um mein Gebet,

dem dein Mund das Amen spricht.

 

 

Schenk mir Engelskräfte, Liebesüberfluß,

daß ich nicht versage, wenn ich helfen muß!

Weiß wohl, daß der Himmel meiner kaum bedarf,

doch auch, daß der Vater nie mein Mühn verwarf.

Viele müde Herzen stehn sich selbst im Licht -

ist sie freizulieben nicht der Engel Pflicht?

 

 

Engel wirken in der Stille,

t wollen nicht gesehen sein.

Was sie tun, ist Gottes Wille;

strahlend strömt er in sie ein.

 

Strahlend schenken sie ihn weiter

wie Kristall, darin das Licht

ihrer Regenbogenleiter

sich vieltausendfaltig bricht.

 

Engel können Schmerzen stillen,

sind der Gottesliebe Schein.

Täten sie den eignen Willen,

könnten sie nicht Engel sein!

 

 

Was aus den Himmeln auf die Erde niedertaut,

die Urkraft der Ideen, der verliehnen,

nach denen ihr am Werk der Menschheit baut:

Sie sind zuerst im Seelenlicht erschienen,

ein Wunschbild, trunknen Auges angeschaut.

Und alle Engel sind bereit zu dienen

dem Gläubigen, der seiner Sendung traut.

 

 

Im Schweigen

da steigen

die Engel hernieder

und bringen die Lieder

des Himmels der Erde,

daß heller sie werde.

 

Wir stehn an der Wende!

Den Ring ohne Ende

im Nehmen und Geben,

Herr, laß uns erleben

in heiligen Stunden -

verflochten, verbunden.

 

Die Einheit der Erde,

Herr, unser einst werde!

 

 

Nicht eine Kette, ein Kranz nur von glühenden Rosen

sei die Gemeinschaft der liebendgebundenen Seelen,

frei und befreiend ihr Wirken im Dienste des Höchsten,

schrankenlos schenkend das Blühen zum Preise der Allmacht,

bis ihr das Himmelsgewölbe als Sterne erleuchtet.

 

 

 

Sieh, ich schreite dir zur Seite,

sieh, ich breite

meiner Lichterkenntnis Weite

dir zu Füßen,

denn ich kenne Schuld und Büßen,

Lust und Leiden.

Und von beiden

trag ich goldgewirkte Zeichen

im Gewand, dem wolkenweichen,

windhauchgleichen.

Seinem Rauschen

sah ich dich schon oftmals lauschen,

sah dich oftmals leis erschauern,

denn mein Auge schaut durch Mauern ...

Sag, was macht mein Nahn dich zittern,

du, mein Bruder, hinter Gittern,

hinter Gittern deiner Sinne?

Werde meiner Liebe inne!

Sieh, ich teile deine Tage,

sieh, ich trage deine Klage

zu dem Heiler aller Herzen,

dem Beschwichtiger der Schmerzen.

Heiltrank haltend in den Händen

kehr ich wieder, zu verschwenden,

zu verströmen, was ich habe -

unsres ew'gen Gebers Gabe!

 

 

Wahre Liebe

 

Weisheit und Liebe sind eins. Beide sind einander Bedingung und Folge zugleich. Liebe macht weise und Weisheit macht liebend.

 

Dem Liebenden erschließt sich die Seele des Geliebten, sie wird ihm offenbar. Er erschaut ihre Geheimnisse, er wird wissend durch die Liebe. Wer Weisheit hat, erschaut die Zusammenhänge und ergründet die Tiefen. Er weiß um das Einende in allen Wesen und sieht das Erhabene auch im Geringsten und das Ewige in jedem Wechsel. Er muß anbeten, er muß lieben.

 

Liebe und Weisheit - zwei Tore zu Gott. Durch welches man

auch eingeht, man gelangt zu jenem Allgefühl, das beide, Liebe wie Weisheit, zu gleichen Teilen in sich schließt.

 

 

 

Hände, welche geben wollen,

L werden niemals leer.

Hände, welche heilen sollen,

sind von Segen schwer.

 

Herzen, die in Mitleid schlagen,

finden stets ein Wort,

brauchen gar nicht lang zu fragen,

nehmen Leid mit fort.

 

Lieben nur heißt wirklich leben,

schenket ändern Glück.

Wollet lieben, wollet geben -

Glück kommt euch zurück ...

 

 

Du in den Himmel erhobene Liebe auf Erden

weißt aus Begrenztheit zur seligen Allheit zu werden,

die der Verwandlung verliehenen Kräfte zu schenken,

tatlos die Taten der Liebe zu wirken im Denken,

waffenlos siegend und wortlos ihr Wissen verbreitend,

unversehrt staubige Straßen wie Gärten durchschreitend.

 

 

Liebe ist immer dieselbe,

'durch wessen Mund sie auch spricht,

durch wessen Hand sie dich segnet.

Wo immer sie dir begegnet,

erkenn deines Gottes Gesicht.

Die Liebe ist immer dieselbe.

 

 

Die Wunder wissen ihren Weg zu finden

Dienst der Liebenden. Sie überwinden

die Schranken, um sie tiefer zu verbinden.

Der Liebe ist kein Halt gesetzt,

durch sie wird kein Gebot verletzt,

mit dem der Mensch die eigne Macht beschränkte.

Sie ist die nie durch Grenzen eingeengte,

in ihr ist Gott der Geber und Beschenkte.

 

 

Aus den siebenfachen Sonnenkreisen

strömen Kräfte, welche Welten speisen,

strömt das siebenfach gebrochne Licht.

 

Findet euch in tiefer Erdverirrung,

weckt euch auf aus eurer Weltverwirrung,

die in euren Herzen sich entflicht.

 

Aus der Vielheit zu der Einheit strebend,

hilfesuchend oder hilfegebend,

tastet ihr euch weiter Schicht um Schicht.

 

Alle Kinder Gottes haben Flügel,

alle tragen der Berufung Siegel

auf der Stirne. Doch sie wissen's nicht.

 

Du, mein Bruder, hast das Wort gefunden,

hast die tiefverborgne Kraft entbunden,

und dein Zauberwort, es ist so schlicht -

 

ist ein Wort nur, wie die Menschen meinen,

doch es kann die ganze Schöpfung einen,

wenn ein Mund es nur in Ehrfurcht spricht.

 

Liebe, die du wähltest, nimm entgegen.

Liebe, die dich führte, sei dein Segen.

Liebe werde dein Erkenntnis-Licht!

 

 

Urew'ge Liebe, Anfang und Vollendung,

Ursprung und Ziel! An jeder Wegeswendung

rückschauend halt ich Rast, um mich zu laben,

und auf den Spuren, die mein Fuß gegraben,

geht das Erinnern meinen Weg zurück ...

 

Und aus den Stapfen, die entgegenkommen,

steigt Bild um Bild. - Du hast sie mir genommen,

weil sich mein Herz, das allzu leicht verschenkte,

ans Bild verlor. Doch immer wieder drängte

mein hoffend Herz zu nie erfülltem Glück. -

 

Wie ein Verbannter zog ich einst die Straßen,

als ein Verkannter litt ich ohne Maßen.

Nur Halbheit ward mir, wo ich Ew'ges meinte,

bis sich mir Bild um Bild in Dir vereinte.

Von Deinem Glanz ist jedes nur ein Stück!

 

Urew'ge Liebe, Vater aller Wesen,

Dem Siegel steht auf jeder Stirn zu lesen,

Dein Glanz strahlt mir aus allen Augen wider,

Dein Segen strömt als Licht zur Erde nieder.

Eh ich Dich suchte, bis Du mir begegnet,

eh ich mich sehnte, hast Du mich gesegnet !

 

Sternenwege, Menschenwege. Jeder hat seine Bahn. Und alle haben das gleiche Ziel: Mittelpunkt zu werden, Sonnen zu sein und andere Sterne um sich zu sammeln durch die Kraft, die sie ausstrahlen. Sterne stehen manchmal in Konjunktion. Sie gehen eine Weile mitsammen und müssen sich wieder trennen, weil jeder Stern seine eigene Bahn zieht. Wer die Bahnen der Sterne zu wandeln gelernt hat, muß nun Mittelpunkt, Sonne, werden. Auch Sonnen haben ihre Bahn um eine noch höhere Sonne. Und doch wirken sie ruhend; allseitig haltend führen sie die kleineren Sterne.

- Und dies ist das Neue, das nun euer wartet: Anziehen und

Halt geben, tausende Strahlenarme ausstrecken.

 

Größer sind die Bahnen der Sonnen als die kleineren Bahnen der Sterne. Aus dem Äußeren in das Innere verlegen sollt ihr die Kraft; verwandeln sollt ihr, was in euch glüht und blüht und so reich werden, daß ihr nicht anders könnt als geben und nochmals geben und den Raum mit euerem Licht zu füllen. Nicht Gebenwollen ist das Höchste, sondern dieses freudige Aufstrahlen inneren Schenkenmüssens. Dieser Reichtum, diese Freudigkeit wurzelt im Glauben, im Vertrauen, daß alles zu einem guten Ende kommen wird, alles in Gottes weisen Händen ruht. Und endlich wächst dies aus der Liebe, die Glaube und Hoffnung in sich schließt...

 

Wahre Liebe aber ist sich selbst genug. Sie verschenkt sich an das, was sie liebt, und bleibt dennoch frei; sie gehört ihm an und ist doch unabhängig. Sie kann den anderen lieben, nicht weil, sondern obgleich er so ist. Denn es ist das Vorrecht wahrer Liebe, durch die hindernden Hüllen hindurch das echte Wesen, den im Werden befindlichen Geist zu erschauen, auf jeder Stufe, auf jedem Weg, den der Geliebte geht, an ihn und sein Ziel zu glauben.

 

Diese Liebe - und nur diese Liebe - führt uns auch zu Gott, dem Anfang und Ende aller Wege, aller Bahnen

 

 

 

Verwandelt und verwandelnd

in Deinem Auftrag handelnd,

in Deinem Lichte stehend,

mit Deinen Augen sehend

laß uns als Licht auf Erden

zu Deinem Sinnbild werden

 

 

 

Auszug aus dem Nachwort der Original-Ephides-Ausgabe des Anthos-Verlags:

 

 

Die Ephides-Gedichte nahmen ihren Anfang vor rund 70 Jahren. Wir verdanken sie der Pianistin Hella Zahrada, die sie von 1933 bis 1966 niederschrieb, ohne sich als deren Verfasserin zu fühlen - hatte sie doch weder das Verlangen gehabt, in Versen zu sprechen, noch die Vollmacht beansprucht, gewissermaßen von höherer Warte den Menschen belehrend, mahnend und tröstend auf das Transzendente zu verweisen, wie dies hier geschehen ist.

 

Hella Zahrada, geb. Hegedusic, wurde am 26. März 1896 in Prag in eine österreichisch-ungarische Offiziersfamilie hineingeboren. Sie verlobte sich im Jahre 1919 mit dem österreichischen Offizier Viktor Zahrada, um nach Beendigung ihres Musikstudiums 1922 in Marburg an der Dräu zu heiraten.

 

Am 25. Mai 1933 erhält sie - die zwar musikalisch als sehr begabt, aber dichterisch nicht einmal als ambitioniert galt - ihr erstes Gedicht. Im Jahre 1936 sind es schon über 120 Gedichte. Und sie wachsen in den folgenden 33 Lebensjahren schließlich auf eine Gesamtzahl von etwa 530 (ungerechnet die Prosatexte). Hella betrachtete sich nie als Schöpferin dieser Dichtung, sie fühlte sich vielmehr als eine Empfangende, als ein Werkzeug der Inspiration. Nach ihrem Selbstverständnis mußte es sich um eine fortgeschrittene geistige Instanz handeln, die ihr solches schenkte. Diese fügte einmal auf eine früh drängende, innere Frage Hellas „Wer bist du?..." als Antwort ein „Gott grüße dich! - EPHIDES" an das Ende eines Gedichtes, dessen erste Zeilen so lauten:

 

Ich bin dir längst bekannt!

Ich bin dir jetzt gesandt

und werde dich im lichten Land erwarten ...

 

Fortan sprachen Hella und Viktor Zahrada von Ephides-Gedichten, so schon in dem Ende 1933 im Selbstverlag erschienenen ersten Auswahlband.

 

Anfang 1937 verstarb Viktor überraschend im Alter von nur 46 Jahren an einem Herzversagen, nachdem er wenige Wochen zuvor beruflich nach Berlin versetzt worden war.

 

Ungeachtet dieses Schicksalsschlages blieb Hella in Berlin. Nach dem Krieg fand sie als Klavierlehrerin ein ihren bescheidenen Ansprüchen genügendes Auskommen bis zu ihrem Heimgang am 25. Januar 1966 - dem gleichen Tag, an dem ihr Gatte neunundzwanzig Jahre zuvor diese Welt verlassen hatte.

 

*

Wollte man die weltanschauliche Sicht von Ephides, von jener „Stimme der Sterne", mit einem Etikett versehen - und manche Leser wünschen sich das -, so müßte man sagen, daß sie im christlichen Bereich dem am nächsten kommt, was seit dem Urchristentum als Gnosis in der jungen Kirche zunächst integriert und spätestens ab dem Konzil von Konstantinopel (553 n.Chr.) dann bekämpft wurde. Damals wurde die Lehre von der Präexistenz, d.h. des vorgeburtlichen Daseins der Menschenseele, die u.a. so berühmte Kirchenlehrer wie Origines und Clemens von Alexandrien vertraten, verworfen, um freilich immer wieder aufzutauchen und heute in vielerlei Form und Gruppierung wiederum an Boden zu gewinnen, nachdem manche ihrer Elemente schon bei christlichen Mystikern wie Jakob Böhme, später Jakob Lorber, bei deutschen Dichtern wie Lessing, Goethe, Novalis und bei Philosophen wie z.B. Schopenhauer, Schelling und Fichte angeklungen waren.

 

Soviel nur zur Lehre, die teilweise neben und über der kirchlichen Orthodoxie liegen mag, nicht aber außerhalb des Kreises christlicher Überlieferung und Offenbarung. Der Leser mag manche ihm neue Vorstellungen aus dem eigenen Herzen gesprochen freudig annehmen, manches vielleicht als fremd auf die Seite legen.

 

Ephides ruft, aber er läßt uns frei in dem Wissen, daß wir den „eigenen zarten Glaubenskeim" (vgl. S. 33) wahrnehmen müssen. Er sagte dazu einmal:

 

„Nicht Bücher können euch Wissen geben; sie sind der Anstoß dazu, daß die eigenen Seelenteile zu arbeiten beginnen, aber nicht mehr. Auch die tiefste Weisheit, in Worte gefaßt, wird nur dem zuteil, der durch die Worte des Aufschließens seines Innern mächtig ist. Worte sind immer nur der Schlüssel zum Gewölbe der eigenen Schatzkammer."

 

Kunst kommt von Können und Künden. Der vielerorts eingetretene und auch beklagte Verfall der heutigen Kunst mag gerade darin liegen, daß jene Kette der Inspiration bis hinauf in die Höhen des „Weinbergs unseres Vaters" unterbrochen ist, daß viele den Zugang zu der „reinen Quelle" verloren haben. Aber den Mystikern aller Zeiten war bewußt, daß die „Innere Stimme", wie überhaupt die Innenschau - daß die „Geister", die man anzog, von der geistigen und ethischen Verfassung des Empfängers abhängen. Sicher ist, daß die Erkenntnisse, die uns geschenkt wurden, weit über unsere eigene Denkfähigkeit hinausgingen und -gehen. Sicher ist auch, daß viele der hier enthaltenen Gedichte zu den Perlen der abendländischen Lyrik gerechnet werden müssen, daß sie in Gehalt und Gestaltung, die Lautmalerei, Reim und Alliteration gleicherweise souverän verwendet, an eine fortentwickelte, ins Unverhoffte, ins Beglückende gesteigerte im besten Sinne klassische Kunst und Kunde erinnern.

 

Hartmut Normann

 

 

Aus dem gleichnamigen Buch vom Dayar-Verlag Graz:

 

BIOGRAPHIE  UND  NACHWORT

 

 

Hella Zahrada wurde am 26.März 1896 in Prag geboren, wo ihr Vater Martin Hegedusic zu dieser Zeit als Offizier der österreichisch-ungarischen Armee diente. Der Vater stammte aus Hlebine bei Kopreinitz in Kroatien, die Mutter, Blanka geb. Kamitska, aus Kesmark in Ungarn. Ihre Jugend verbrachte Hella in der damals noch zu Österreich gehörenden Stadt Marburg an der Dräu, einem Ort, der bei vielen altösterreichischen Offizieren und Beamten als Ruhestandsaufenthalt beliebt war und in den sich auch Martin Hegedusic nach seiner Pensionierung als Oberst mit seiner Familie zurückgezogen hatte.

 

Hella besuchte in Marburg das Gymnasium und eine Musikschule und war dann dort als Musiklehrerin tätig. Im Jahre 1919, im Alter von 23 Jahren, verlobte sie sich mit Viktor Zahrada, einem österreichischen Offizier, den sie bei einem Besuch ihrer in Feldbach lebenden Schwester Draga Nitsche kennengelernt hatte. Viktor Zahrada, der, wie die meisten jüngeren Offiziere, infolge des Zusammenbruches der Mittelmächte und der Auflösung der österreichischungarischen Armee seinen Beruf wechseln mußte, wandte sich dann einem technischen Studium zu. Nachdem er dieses abgeschlossen und bei den Siemens-Werken in Köln eine Anstellung gefunden hatte, heirateten Viktor und Hella am 28. August 1922 in Marburg und begründeten ihren Wohnsitz zuerst in Köln. Die Zeit des Aufenthaltes in Köln benützte Hella Zahrada, um ihre musikalischen Kenntnisse durch ein Studium an der Rheinischen Musikhochschule zu vervollkommnen.

 

Im Jahre 1925 wurde Viktor Zahrada nach Wien versetzt. Hier verbrachte das Ehepaar das nächste Jahrzehnt. Es waren zum Teil sehr schwere Jahre, da der Gatte in dieser Zeit auch lange arbeitslos war, aber Jahre, die für die geistige Entwicklung Hella Zahradas entscheidend waren. Im Herbst 1936 wurde Viktor Zahrada dann in die Siemens-Werke nach Berlin berufen. Doch hatten sie dort ihren Hausstand noch gar nicht eingerichtet - sie wohnten zunächst möbliert - als Viktor Zahrada am 25. Januar 1937 völlig unerwartet im Alter von nur 46 Jahren an einem Herzversagen starb.

 

Hella Zahrada entschloß sich, trotz dieses Schicksalsschlages in Berlin zu bleiben. In dem befreundeten Ehepaar Frh.v.d.Horst fand sie in den ersten schweren Jahren eine starke Stütze. Rudolf Frh.v.d.Horst, selbst ein Sucher, hatte in dem Kreis des damals in Berlin wirkenden persischen Mystikers Iranschähr die Ephides-Gedichte kennen gelernt und mit dem Ehepaar Zahrada sofort nach ihrem Eintreffen in Berlin Kontakt gesucht. Es entwickelte sich daraus eine lebenslange Freundschaft.

 

Hella Zahrada arbeitete in den folgenden Jahren als Büroangestellte bei den Siemens-Werken, leistete dann eine Zeit lang Kriegsdienst als Wehrmachtshelferin und war nach dem Krieg in ihrem erlernten Beruf als Musiklehrerin tätig. Sie lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen, doch war sie in ihrer Anspruchslosigkeit damit so völlig zufrieden, daß selbst ihre Angehörigen und nahen Freunde nicht ahnten, wie sehr sie haushalten mußte. Ihrer Wahlheimat Berlin blieb Hella Zahrada treu und sie verließ die Stadt nur mehr für kurze Reisen zum Besuch ihrer Geschwister in der Steiermark und geistiger Freundeskreise in der Schweiz, in Österreich und in der Tschechoslowakei.

 

In Berlin geschah es auch, daß sie die irdische Welt verließ. Am Morgen des 25. Januar 1966 - am gleichen Tag, an dem 29 Jahre zuvor ihr Gatte in die andere Welt hinübergegangen war, wurde sie am Morgen bei brennendem Licht, in einem Sessel sitzend, tot aufgefunden. Ihre Züge drückten zeitlose Ruhe und Frieden aus.

 

                                   …………………

 

Hella Zahrada war ein Mensch von besonderer, in gewissem Sinne zwiespältiger Veranlagung. Im Irdischen war sie ein fröhlicher, allem Schönen aufgeschlossener, tüchtiger Mensch, der zuversichtlich sein Leben meisterte. Andererseits aber war sie das, was man in der Parapsychologie »sensitiv« nennt, d.h., sie hatte eine Wesensstruktur, in der das physische Gehirnbewußtsein durchlässiger für Einflüsse aus psychischen Bereichen ist und in der die einzelnen Wesensteile des Menschen lockerer geschichtet sind, so dass das Bewußtsein von einem Bereich zum ändern wandern kann.

 

Wie sie in einer unveröffentlichten Autobiographie erzählt, hatte Hella schon als kleines Kind in ihrem dritten Lebensjahr bisweilen das Gefühl, aus ihrem Körper herausgezogen zu werden. Sie fürchtete sich davor und es entschwand ihr dann das Bewußtsein. Wie ihre Eltern ihr später erzählten, saß sie dann mit gefalteten Händen aufrecht in ihrem Bettchen, mit Augen, die niemanden erkannten. Es währte manchmal eine Stunde, bis sie aus diesem Zustand geweckt werden konnte.

 

Nach dem dritten Lebensjahr verloren sich diese Erscheinungen

und, wie Hella Zahrada selbst berichtet, hatte sie erst im Alter von 23 Jahren wieder ein ähnliches Erlebnis. Eines Morgens, als sie in halbwachem Zustand im Bett lag, empfand sie plötzlich, sie habe außer den Armen, die unbewegt unter der Bettdecke lagen, noch zwei andere Arme, mit denen sie aber, wenn sie sie bewegte, durch die umliegenden Gegenstände hindurchgriff, ohne sie anfassen zu können. Ähnliches empfand sie bei ihren Beinen, und als sie schließlich überlegte, wie es wohl mit ihrem Kopfe stehe, fühlte sie sich im selben Augenblick aufrecht über ihrem Körper stehen. Diesmal empfand sie keine Angst, sie überlegte vielmehr, ob sie in diesem Zustand wohl einen Spaziergang durch die Stadt machen könne. Sofort fühlte sie sich, ohne das Bewußtsein ihres im Bett liegenden Körpers zu verlieren, emporgehoben und über der Stadt und dem Draufluß mit seinen Brücken dahinschweben. Als sie aber den Gedanken faßte, „ich möchte nach meinem Körper sehen", fühlte sie sich blitzschnell wieder von ihrem Körper eingesaugt.

 

 

                                                                                                             

 

Es vergingen dann wieder einige Jahre ohne derartige Erlebnisse, aber nach ihrer Eheschließung traten sie wieder auf und wurden häufiger. Als sie sich einmal in Köln einer Operation unterziehen mußte, war sie überrascht, sich in der Narkose in einem gleichartigen Zustand zu finden. Sie wußte aber in dieser Zeit ihre Erlebnisse noch nicht zu deuten, da sie bis dahin keinerlei diesbezügliche Literatur gelesen oder sonstige Belehrung erhalten hatte.

 

Erst in Wien wurden Hella Zahrada und ihr Gatte, ohne es gesucht zu haben, in geistige Kreise eingeführt, insbesondere in jenen um Hans Malik. Sie besuchten Sitzungen mit Sprechmedien, hörten aber auch Vorträge der verschiedensten anderen geistigen Richtungen und hatten so Gelegenheit, sich mit den Theorien über okkulte Erscheinungen vertraut zu machen.

 

Hella Zahradas Gabe, aus dem physischen Körper auszutreten und bewußt in zwei Welten zu leben, entfaltete sich lun, ohne daß sie es wollte, ja eigentlich gegen ihren Willen mehr und mehr. Sie wurde in ihren Wanderungen im feinstofflichen Körper sicherer, erlebte, wie sie in diesem Zustande durch Mauern, ja selbst durch Felsen hindurchzugehen vermochte, und machte Experimente, indem sie die Wahrnehmungen, die sie im leibfreien Zustand gemacht hatte, nach der Rückkehr in ihren Körper auf ihre Richtigkeit überprüfte. Ihr Gatte stellte fest, daß ihr ruhender Körper während ihrer Astralwanderungen einen stark verlangsamten Puls und Atemrhythmus aufwies.

 

Die wesentlichste Erkenntnis, die Hella Zahrada aus diesen Erlebnissen schöpfte, war die ungeheure Bedeutung der menschlichen Gedanken. An einen anderen Ort zu denken, bedeutete im leibfreien Zustand, im selben Augenblick auch schon dort zu sein. Im zwischenmenschlichen Verhältnis erschienen Gedanken in dieser Welt als lebendige Kräfte, die ebenso helfen wie verletzen konnten. Furcht zu haben bedeutete, sofort in eine dichtere Sphäre hinabgezogen zu werden, in der sie sich bedrohlichen Gestalten gegenübersah. Ein Anruf Gottes, ein Kreuzzeichen oder dergleichen konnte dann zwar befreiend wirken, aber sie fand es schwierig, sich in einer solchen Lage dazu aufzuraffen.

 

Im Herbst 1932 traten bei Hella Zahrada neue Erscheinungen einer von ihr bis dahin nicht gekannten Art auf. Sie empfand, wie sie später erzählte, wiederholt einen inneren Befehl, einen Bleistift zur Hand zu nehmen, und ihre Hand wurde dann von einer ihr unbekannten Macht geführt. Zuerst waren es nur Striche und Bögen, die sich zu Ornamenten und Zeichnungen fügten, was ihre Hand schuf. Dann aber ging ihre Schulung weiter, und eines Tages bemerkte sie, daß das, was sie in diesem Zustand schrieb, Buchstaben waren. Im November 1932 wurde sie, wie Viktor Zahrada im Vorwort zum ersten, Ende 1933 im´Selbstverlag erschienenen Gedichtband berichtet, auf solche

Weise zum ersten Mal Mittlerin einer zusammenhängenden in Prosa verfaßten Botschaft ethischer Natur. Am 25. Mai 1933 wurde ihr auf gleiche Weise das erste Gedicht gegeben.´

 

Über das mediale Schreiben sagt Viktor Zahrada in dem erwähnten Vorwort:

,, . . . das Medium ist sich beim Schreiben über den Sinn, die Form und die Art der zu erwartenden Mitteilung völlig im Unklaren. Es vermag lediglich mitzulesen, vorausgesetzt, daß nicht die Geschwindigkeit der Niederschrift bei der Undeutlichkeit der Schriftzeichen auch das unmöglich macht, so daß nur mehr eine nachträgliche Entzifferung der Schrift nach vorhergehender Worttrennung und Interpunktierung möglich erscheint."

 

Auf solche Weise entstanden in den Jahren 1933 bis1936 über 120 Gedichte.

 

Später veränderte sich die Art der Durchgabe. Die Gedichte wurden nicht mehr automatisch niedergeschrieben, Hella Zahrada hörte sie innerlich und schrieb sie danach nieder. Manchmal hörte sie sie auch zuerst als eine Melodie, aus der sich erst allmählich die Worte formten. Auch das aber war, wie sie selbst betonte, keine bewußte eigene künstlerische Schöpfung, sondern nur die Weitergabe von etwas Empfangenem. Ihre künstlerische Begabung - sie war eine vorzügliche Pianistin - beschränkte sich auf das Gebiet der Musik. Frh. v.d. Horst berichtet darüber:

 

„Hella Zahrada konnte nicht dichten, sie konnte selbst nicht eine einzige einigermaßen vernünftige Reimerei zustande bringen und hatte auch gar keine Lust dazu. Sie hörte innerlich das vollständige Gedicht ertönen und schrieb es nach diesem Diktat auf, ohne nach den ersten Worten zu wissen, wie es weitergehen und wie es enden würde. Die Gedichte kamen ohne Rücksicht auf ihre irdische Situation, in der Bahn, auf der Straße, bei der Büroarbeit bei Siemens ... Natürlich war sie oft nicht in der Lage, die Verse gleich zu notieren, doch das machte ihr nichts aus, sie war sicher, daß das Gedicht wiederkommen würde, und so war es auch stets." („Grenzgebiete der Wissenschaft", Innsbruck, 26. Jahrgang 1977, Heft 3)

 

Oft schienen die Gedichte rein zufällig zu kommen, manchmal allerdings waren sie auch Antworten auf Fragen, auf eigene oder auf solche anderer.

 

So berichtet Viktor Zahrada im vorhin erwähnten Vorwort zum ersten Band der Gedichte, daß er sich bei der Abfassung eben dieses Vorwortes Gedanken darüber gemacht hatte, ob es wohl recht sei, über derartige Dinge für die Öffentlichkeit zu schreiben. Da erhielt Hella Zahrada das Gedicht „Sorge nicht, ob deine Taten" (Seite 54).

 

Ein anderes Beispiel:

Hellas älteste Schwester Blanka war 1957 gestorben. Im darauffolgenden Sommer 1958 verbrachte Hella einige Zeit in Feldbach in der Steiermark bei ihrer zweiten Schwester Draga Nitsche. Draga litt noch sehr unter der Trennung von der verstorbenen Schwester und außerdem rang sie damals innerlich mit dem Gottesbegriff. Obwohl sie all dem, was Hella in ihren Gedichten vermittelte, Vertrauen schenkte, konnte sie sich nicht von der traditionellen Vorstellung eines zu fürchtenden Gottes lösen. Hella bemühte sich zwar, fand aber während der Zeit ihres Aufenthaltes anscheinend nicht die rechten Worte, die Zweifel der Schwester zu zerstreuen. Auf der Heimreise begleiteten Schwester und Schwager sie am 20. September 1958 noch bis Graz, wo sie gemeinsam das Grab der verstorbenen Schwester besuchten. Und da erhielt Hella Zahrada, während sie auf einem verkehrsreichen Platz der Innenstadt einige Minuten warteten, um in eine andere Straßenbahn umzusteigen, das folgende Gedicht:

 

 

Ob du mich kennst,

ob du mich nennst,

ich bin der namenlose Grund in dir.

Wie du mich suchst und wie du rufst nach mir,

bin ich dein Retter, bin dein Schild, dein Schwert,

und gibst du mir Gestalt, dein Meister, der dich lehrt.

Ich bleib' verhüllt, ich offenbare mich

nach deiner Kraft. So wirke ich durch dich,

wie du mich denkst

und dich mir schenkst.

 

 

Diese Worte waren für die Schwester bestimmt, und sie waren es, die ihre Zweifel zu lösen vermochten. Mit Rücksicht auf die An, auf welche die Gedichte entstanden, betrachtete sich Hella Zahrada, wie schon erwähnt, nie als ihre Schöpferin, sie fühlte sich als eine Empfangende, als ein Werkzeug der Vermittlung. Sie hatte die Überzeugung, es müsse eine fortgeschrittene geistige Wesenheit sein, die ihr diese Lehren schenkte. Auf eine dies bezügliche innere Frage erhielt sie, wie Viktor Zahrada in dem schon mehrfach erwähnten Vorwort zum ersten Gedichtband berichtet, das folgende Gedicht als Antwort:

 

Ich bin dir längst bekannt!

Ich bin dir jetzt gesandt

und werde dich im lichten Land erwarten

und deinem Geiste dann verraten,

was unsre Seelen aneinander bindet.

Wenn eine in der ändern Frieden findet,

ist meine Aufgabe erfüllt.

Gott grüße dich l

EPHIDES

Diese Mitteilung war der Grund, weshalb Hella Zahrada ihre Gedichte fortan »Ephides-Gedichte« nannte und sie auch unter dieser Bezeichnung veröffentlichte. Sie war überzeugt, daß Ephides ein mit ihr eng verbundener, aber fortgeschrittenerer Bruder-Geist sei, der sie führte, und sie glaubte auch, ihn in jenem feinstofflicheren Zustand, in den sie so oft eintrat, gesehen zu haben. Sie schreibt in ihrer Autobiographie:

 

„Ephides war mir gar nicht fremd, als ich ihn das erste Mal sah. Ich wußte, daß ich ihn längst gesehen hatte, und ich sah ihn in der Folge in vielerlei Gestalten, sehr häufig als Inder, immer aber erkenne ich ihn an den dunklen Augen, die alles zu wissen scheinen und mir ins Herz sehen."

 

Es ist hier nicht der Raum, die verschiedenen Theorien zu erörtern, die es in geistigen Kreisen über das Leben nach dem Tode und die Beziehungen zwischen den im physischen Körper lebenden Menschen und den Bewohnern innerer Sphären gibt.

 

Hingewiesen sei nur darauf, daß bei sensitiven Menschen die Möglichkeit besteht, daß sich verschiedene geistige Wesenheiten durch eine und dieselbe Mittelsperson kundtun. Und bei den Gedichten ,,So du mich liebtest, segne auch die Stunde" (Seite 135) und „Durch deine Augen schaue ich die Erde" (Seite 137) zum Beispiel würde man sicherlich eher annehmen müssen, daß es der verstorbene Gatte war, zu dem sich Hella Zahrada in ihrem inneren Bewusstsein erhob, so daß seine Gedanken in ihr Gestalt annehmen konnten.

 

Nach östlichen esoterischen Lehren, aber auch nach der Psychologie G.G. Jungs mußte es jedoch überhaupt nicht immer eine fremde Wesenheit sein, die sich auf solche Weise äußerte. Es konnte auch das eigene innere Selbst auf solche Weise einen Ausdruck suchen, den das wache Gehirnbewußtsein noch nicht zu vermitteln vermochte. Eine solche Auslegung würde zum Beispiel das Gedicht „Denn vom Anfang unsres Seins" (Seite 165) treffender erklären. So mag es sein, daß die Gedichte in Wirklichkeit sehr verschiedenen Ursprung haben.

 

Wenn man das ganze Lebenswerk Hella Zahradas überblickt, scheint sich dabei abzuzeichnen, daß es im Anfange wohl vorwiegend Belehrungen waren, die sie von der »Ephides« genannten Wesenheit erhielt, daß aber mehr und mehr ihr eigenes inneres Selbst die Führung übernahm, und je nach dem Maß, in dem die persönlicheren Schichten ihrer Natur die Aussage des Geistes färbten, erschien in den Gedichten stärker die zeitlose Aussage oder der Ausdruck ihres persönlichen Wesens.

 

So fand zum Beispiel ihre enge persönliche Verbundenheit mit der Welt der Bäume in zahlreichen Gedichten Ausdruck, von denen nur das folgende wiedergegeben sei, das sie am 10. April 1943 an ein Rotdornbäumchen in ihrer Straße richtete, an dem sie in der Bombenzeit, in der auch ihre Wohnung vernichtet worden war, einen Freund gefunden hatte:

 

Kümmerlich sprießender Baum,

zwischen schattenden Mauern

wie von den Scharen der Feinde listig umstellt,

schweigender Freund meiner Seele, ich teile dein Trauern,

warte wie du auf den Strahl, der die Enge erhellt.

Steigt dann die Stunde des Strahls

über schwärzliche Mauern,

wachsen wir, bebend vor Lust, in ihr Leuchten empor,

du, Freund, und ich, und erkennen

in heil'gern Erschauern,

daß uns die Gottheit zur seligen Sehnsucht erkor.

 

 

Ihre frohsinnige, hoffnungsfreudige Natur wiederum kam zum Beispiel in dem folgenden Gedicht bezeichnend zum Ausdruck, das sie am 24. Mai 1938 niederschrieb:

 

Was wundert euch mein leichter Schritt

Durch Not und Nacht ?

Auch ihr habt eure Lampe mit,

doch unentfacht.

 

Sonst wüßtet ihr, was Traurigsein

und Schatten scheuchte:

Vergangnen Glückes Widerschein

ist meine Leuchte

 

und heller Zukunft Strahlenkranz

mein Morgenrot.

Mich trägt das Glück von Glanz zu Glanz

durch Nacht und Not.

 

 

Wie immer man sich aber zu der Erklärung seiner Entstehung stellen mag, das Werk Hella Zahradas ist von einzigartigem Charakter, und was der 1946 verstorbene Dichter und Schriftsteller Karl Hans Strobl in seinem Geleitwort zum zweiten Band der Gedichte schrieb, kann wohl von jedermann angenommen werden:

 

,,Wer immer auch Ephides sei - er ist ein Dichter. Er gibt Verse, so klangvoll und rein, formlich und sprachlich schön, daß man dem Wohllaut geschlossenen Auges beglückt nachträumt. Glocken über dunklen Abgründen, so schwingen sie dahin, rufen und mahnen, schweben nachtwandlerisch zwischen Tod und Leben; und wenn sie auch nicht selber Stimmen aus der Ewigkeit sein sollten, so geben sie doch bisweilen deren Schauer und Ahnung - wie jede echte Dichtung."

 

                                     …………………………….

 

 

Es bleibt noch, einige bibliographische Daten festzuhalten:

 

-Die ersten drei Bände, die zusammen 123 Gedichte enthielten, wurden in der Druckerei Ferdinand Berger in Hörn, Niederösterreich, gedruckt und erschienen 1933, 1934 und 1936 im Selbstverlag Hella Zahradas in Wien. Sie waren, einschließlich einer zweiten Auflage des ersten Bandes, binnen kurzem vergriffen. Eine Neuauflage dieser drei Bände brachte, in etwas geänderter Anordnung, 1957, 1958 und I960 Frh.v.d.Horst in seinem Verlag in Frankfurt am Main heraus.

 

Die in den Jahren 1937 bis 1948 entstandenen Gedichte wurden zunächst nur in mit Schreibmaschine geschriebenen Heften verbreitet. 1954 ließ Hella Zahrada 66 dieser Gedichte bei Karl Mann in Hildesheim drucken und brachte sie als „Band IV" im Selbstverlag in Berlin heraus.

 

43 weitere von diesen Gedichten nebst einigen Prosaschriften erschienen dann 1961 unter der Bezeichnung „Band V" im Frh.v.d.Horst Verlag.

 

1965 wurden 59 in der Zeit zwischen 1949 und 1965 entstandene Gedichte vom Verlag Geistige Loge Zürich unter der Bezeichnung „Band VI" herausgegeben. Eine zweite, auf 79 Gedichte erweiterte Auflage dieses Bandes erschien im gleichen Verlag im Jahre 1975 unter Weglassung der Bezeichnung „Band VI". Dies ist die einzige derzeit noch erhältliche Ausgabe von Ephides-Gedichten; alle früheren Ausgaben sind vergriffen.

 

Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, daß einzelne Gedichte und kleinere Auswahlen im Laufe der Jahre außerdem in verschiedenen Zeitschriften erschienen.

 

Außer den in den vorangeführten Ausgaben veröffentlichten 310 Gedichten gibt es aber noch über 100 Gedichte, die nur in Briefen oder maschingeschriebenen Abschriften erhalten sind.

 

Mit dem vorliegenden 136 Gedichte enthaltenen Band, der in Zusammenarbeit mit dem Neffen Hella Zahradas, Dr. Gerhard Nitsche in Graz, veröffentlicht wird, ist beabsichtigt, einen umfassenden Überblick über das Gesamtwerk Hella Zahradas zu bieten. Er enthält neben der Mehrzahl der in Band I bis III veröffentlichten Gedichte der ersten Zeit und einer repräsentativen Auswahl von Gedichten aus Band IV und V auch 15 bisher unveröffentlichte Gedichte. Soweit möglich, wurden die Gedichte chronologisch nach der Zeit ihrer Entstehung gereiht, um die inhaltliche und stilistische Entwicklung, die sich in ihnen zeigt, erkennbar zu machen.

 

Graz, im Mai 1978 Dr. Norbert Lauppert

 

 

 

 

Inhaltsübersicht dieses Buches:

 

I N H A L T S Ü B E R S I C H T

 

1.

Gedichte aus Band l der Erstausgabe

(Mai bis November 1933)

 

 

Gott, du bist die Ewigkeit (25.5.1933)

Das Licht, das hell sich dünkt (30.5.1933)

Nun wählet recht und sagt (2.6.1933)

Das ist des Tages Lauf (8.6.1933) 20

Ob ich lange sinne, heiß mich sehne (16.6.1933)

Du, meine Seele, neige (20.6.1933)

Was lehnst du, Mensch, dich auf (27.6.1933)

Und einmal führt dein Weg nach Golgatha (4.7.1933) . .

Du mußt nur stille sein (7.7.1933)

Ein neues Leben schließt mir auf die Pforten (10.7.33) . .

Ich kann in Worten nicht gestalten (14.7.1933)

Es neigt ihr Köpfchen tief die Ähre (21.7.1933)

Ist's ein Ahnen, ist's ein Mahnen (25.7.1933)

Lügen seh ich, Lügen ringsumher (16.8.1933)

Jedem gibt der Herr das Seine (20.8.1933) 38

Wenn in dein Herz, das ungestüme, wilde (21.8.33) . . •

Es ist ein stetes Kommen und ein Gehn (24.8.33)

Was weinst du, Kind? (5.9-1933)

Lohnt sich denn Lust und Leid (14.9-1933)

Es lastet dichtes Dunkel auf den Wegen (17.9-1933) . . .

Bist du mir nah, du Stunde des Erwachens (19-9-33) . . .

Denn von allen, die da wallen (1.10.1933)

Du ringst und rufst nach Glück (1.10.1933)

Was weiß ein Mensch auf Erden

denn vom ändern (2.10.1933)

Die Sorgen haben ihre kalten Finger (4.10.1933)

Sorge nicht, ob deine Taten (Oktober 1933)

Unerfüllter Tage Sehnen (15.10.1933)

Und willst du Wahrheit nur (15.10.1933)

Du bist ein tiefer See, Vergänglichkeit (26.10.33)

Es ist der Glaube keine Blüte (1.11.1933)

Dir, du Sucher, ist gegeben (3.11.1933)

 

2.

Gedichte aus Band 2 der Erstausgabe

(November 1933 bis September 1934)

Aus Tagen ohne Glück und

tränenreichen Nächten (16.11.1933)

Stimme meines Innern, sprich (23.11.1933)

Ich will euch künden, Kinder dieser Welt (2.12.33)

Eh' du die Wahrheit kündest (13-12.1933)

Himmelragend, Türme tragend (18.12.1933)

Du, einer wirren Zeit verirrt Geschlecht (31.12.33)

Schenk mir ein Dankgebet, mein Gott (11.1.1934) . . . .

Für alle Menschen strömt der

gleiche Segen (13.1.1934)

 

Und wer Verstehen sucht (4.2.1934)

 

 

Als ein Gedicht erdachte Gott die Welt (24.2.34)

Es ziemt dem Wandrer,

um sein Ziel zu wissen (2.3.1934)

Es schenkt der Herr auch im Versagen (5.3.1934)

Tönende Stille, was willst du mir sagen (10.4.34)

Die abendlichen Nebel seh' ich steigen (13.4.34)

Das Ziel ist alles, und der Weg ist nichts (14.4.34)

Es trägt der Wind auf weitgespannten

Schwingen (16.4.1934)

Du letztes Leid, ich reife dir entgegen (2.5.1934)

Hinab, hinab die endlos vielen Stufen (13.5.34)

Ach, es ranken die Gedanken (23.5.1934)

Ich trag' den ganzen Himmel in der Seele (8.6.34)

Sieh, ich schreite dir zur Seite (10.7.1934)

Die Sehnsucht singt ihr Lied in

meiner Seele (26.7.1934)

Der du wanderst nach dem Lichte (11.8.1934)

Dich, Atlantis, Land der Sage (16.8.1934)

Steig' hernieder, stille Stunde (4.9.1934)

 

3.

Gedichte aus Band 3 der Erstausgabe

(Herbst 1934 bis Herbst 1936)

Ich kann nicht mehr!

Und müde Menschen stehn am Weg und warten

„Mich dürstet nach der Wahrheit!" sprach der Tor

Wandle, o Wissender, würdig

den Weg des Gesetzes

Nimm hin die unsichtbare Wehr

Ertrage noch, ertrage

Erlösung kommt von innen, nicht von außen

Du trotzige Tanne, was stehst du allein

„Schließ die Türen, schließ die Fenster"

Glühende Lava des Leidens

Der Namen viele trug ich durch die Zeit

Heiliges Leben! Unzählbare Formen erfüllend

Verheißung stieg im Traume

In meine Seele fiel ein schweres Weh

Frühling ist in mir und Freuen!

O des Lebens wunderhelle Silberquelle!

Ich folg' dem fernen Klang

Schon baut die Nacht zum Morgenrot

Nur gegen euch, ihr Lauen, kann ich

für euch kämpfen!

Nicht Gott verhüllt geheimnisvoll sein Walten

Wer wirken will, muß warten lernen

Es ist dem Geist gegeben

Künstlerschaft ist das Vermögen

Noch wißt ihr nicht um eure hellsten Stunden

Getragen von der Lust der lauten Stunden

Karg wie mein Tag war sein Ertrag

Es ist mein Schmerz erstarrt

„Weihnachtsengel, bring den Frieden!"

Urew'ge Liebe, Anfang und Vollendung

 

4.

Gedichte aus der Zeit

von November 1936 bis August 1939

Seite

Es stehen Sterne über deinem Weg

(3.11.1936 - aus Band 5)

In diesen Tagen mußt du gütig sein

(Dezember 1936 - aus Band 4)

Nur wer am Ufer jenes Stromes stand

(18.2.1937 - aus Band 4)

Ich ward geführt in einen großen Saal

(23.2.1937 - unveröffentlicht)

Wie hebt die Totenklage um dich an ?

Frühjahr 1937 - aus Band 4)

So du mich liebtest, segne auch die Stunde

(7.5.1937 - aus Band 4)

Von mir zu dir, von dir zu mir

(12.5.1937 - aus Band 5)

Durch deine Augen schaue ich die Erde

(4.8.1937 - aus Band 4)

Du stehst an einer Wende

(31.8.1937 - aus Band 5)

... Denn es gibt Zeiten (8.9.1937 - aus Band 4)

Dir zu jauchzen, Unnennbarer

(2.1.1938 - aus Band 4)

Und wieder sandt' ich suchend meine Seele

(30.1.1938 - aus Band 4)

Ihr nehmt zum Bau des Tempels kalte Steine

(21.8.1938 - aus Band 4)

Wo du auch weilest, und ob du auch weltenweit

wandelst (8.12.1938 - aus Band 4)

Diesen darfst du dich verpflichten

(aus Band 4)

Nicht, die des Leidens bittre Bürde tragen

(April 1939 - aus Band 4)

Mich ruft die blaue Weite

(28.5.1939 - aus Band 4)

Laß blühen, was da blühen will

(28.6.1939 - aus Band 4)

Sag nie: „Ich muß!" (aus Band 4)

Jeder Gedanke ist Saat (aus Band 4)

Trotz alledem vermag mein Mund zu singen

(13.8.1939 - aus Band 4)

5.

Gedichte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit

und

unveröffentlichte Gedichte aus dem Nachlaß

Es schreiten die Zeiten (22.12.1939 - aus Band 4)

Starrende Felsen, wie Burgen verschollener

Riesen (9.6.194l - aus Band 4)

Unterm Träumebaum bin ich oft gestanden

(5.7.1941 - aus Band 4)

Seite

Der Traum ist dein Teil, nicht das Wachen

(unveröffentlicht)

Der du dein Haupt schon erhebst

(21.4.1944 - unveröffentlicht)

Tausendfältig preisgegeben (2.2.1945 - aus Band 4 ) . . . . 160

Du, dem seit je alle Loblieder galten

(17.4.1945 - aus Band 4)

Ist das des Pilgerweges krönend Ende

(13.6.1946 - aus Band 5)

Es lag ein Herz im Staub der Alltagsstraße

(4.7.1946 - aus Band 4)

Ich blickte auf das Böse (7.4.1947 - aus Band 5)

Denn vom Anfang unsres Seins

(23.4.1947 - aus Band 5)

Es tut nicht not, das Schicksal zu befragen

(2.11.1947 - aus Band 5)

Wenn du allein bist, sprechen die Sterne

(28.9.1956 - unveröffentlicht)

Allnächtlich überschreiten wir die Schwelle

(1957 - unveröffentlicht)

Ich bin der Wind, ich wandre weit umher

(28.1.1958 - unveröffentlicht

Wie kann mich der Sturm erschrecken

(aus Band 5)

Das Erinnern ist die Kunst der Götter

(10.3.1958 - unveröffentlicht)

Mein Herz weiß längst, wo es dich suchen soll

(16.8.1958 - unveröffentlicht)