Januar2011 

Schuld und Schatten

 

Über alles, was dir geschieht, Gutes und Schlechtes, mußt du so glücklich sein wie ein Komponist, dem ein neues Motiv einfällt; und wie er mußt du dein ganzes Sinnen darauf richten, wie du es am wirksamsten einbauen kannst in die herrliche Symphonie des Lebens. Das Gute mache zum Leitmotiv und suche es zu immer reicherer Entfaltung zu bringen. Das Schlechte wird zum Gegenthema, mit dem das Hauptthema kämpft, bis es siegt, um neu und strahlender als früher aufzujauchzen, begleitet von dem besiegten, erlösten Gegenthema. So wird aus Konsonanz und Dissonanz eine höhere Harmonie geboren, die Synthese von Gut und Böse. Das Böse in dir selbst, es wird zum Verstehen des Bösen in anderen, wird zur Kraft der Vergebung und dich nicht mehr betrüben.

Nicht das Leben, aber deine Meisterschaft, das Leben zu einem Kunstwerk werden zu lassen, kann dich glücklich machen.

 

Nach eurem Wollen und Wünschen, nach eurem Leuchten,

nach eurer Liebe zur Wahrheit oder zur Unwahrheit werdet ihr in das Gesetz des Alls gestellt. Und wo ihr auch wirkt, ob auf der Seite des Lichtes oder des Dunkels, ihr könnt nur für Gott wirken und Seinen Willen tun und Sein Gesetz erfüllen. Jene, die das Dunkel erwählten, müssen des Leides und der Not Träger sein. Und sie wirken noch im Bösen fort, auch wenn sie des Bösen Machtlosigkeit erkannt haben, weil es ihre Sühne, ihre Lehre ist, das Leid, das sie einst freiwillig den Geschwistern zufügten, nun aus Gebundenheit über sie bringen zu müssen. Erst wenn sie aus namenlosem Mitleid mit jedem ihrer Gedanken der Liebe alle Gedanken des Hasses, die sie einst aussandten, gelöscht haben, wenn sie aus tiefster Not die Kraft zum Brechen der Ketten des Dunkels gewonnen haben, dann sind sie frei.

 

Ihr würdet nicht so leichthin Böses denken,

erschautet ihr des Bösen Angesicht.

Dir würdet euer Haupt betroffen senken

und schweigend ihm ein stummes Mitleid schenken,

das ferne ist von Rache und Gericht!

 

Ich sah des Bösen Augen einst im Spiegel.

Sein Antlitz, es war mein und es war dein

und trug noch auf der Stirne Gottes Siegel.

Es schlief, ich rief und löste so den Riegel

und ließ das Böse ins Bewußtsein ein.

 

Auch Luzifer ist einstens rein gewesen.

Verzweiflung ist des Bösen tiefster Grund.

Das Böse dürft ihr hassen, nicht den Bösen.

Ihn hassen bindet, Liebe nur kann lösen,

ein Wort der Güte spreche euer Mund.

 

Es ist das Böse unser aller Schatten.

Wir fliehn in Fernen und entfliehn ihm nicht.

Wir kämpfen lang vergeblich - und ermatten.

Dann wissen wir, was wir vergessen hatten,

und heben uns ins schattenlose Licht.

 

Ein Schild und ein Schwert aus dem Licht

wird dir gereicht in Gefahr.

Du brauchst nicht kämpfen: Es bricht

flammender Strahl aus dem Schwert,

wenn du nur rein bist und wert,

nichts als ein Kämpfer im Licht,

wie es Sankt Michael war

und es dem Himmel entspricht.

 

Lügen seh ich, Lügen rings umher,

wie ein wildes, sturmgepeitschtes Meer.

Menschen seh ich tief und tiefer sinken!

Müssen alle in dem Meer ertrinken?

 

Einer ist's, der auch das Meer bezwang,

so behutsam war Sein leichter Gang,

daß Er schaumgekrönte Wogen überschritt

wie Blumenwiesen. Und Er nimmt dich mit,

 

du ringend Menschlein du, im Spiel der See,

wenn du die Hand Ihm reichst und all dein Weh,

die Schuld, die Lust und deine eitle Macht

Dem hingibst, der die Liebe dir gebracht.

 

Die Schuld, sie bindet dich, es zieht hinab die Lust,

und wohnt nur eine Lüge noch in deiner Brust,

sie ist ein Stein und zieht dich in die Tiefe.

Drum mach dich frei, und ob auch lockend riefe

 

und tausendstimmig dich der Erde schönstes Glück -

wirf ab die Lust, sie ist nur Last, schau nicht zurück!

Die Hand in Seiner Hand, dein Auge in dem Seinen,

Genesung trinkend, sollst du dich vereinen

 

mit allen guten Kräften, die dich heben,

die deiner matten Seele Flügel geben,

die dich vom Wollen zu dem Wissen leiten,

bis du das Wissen kannst zur Weisheit weiten.

 

Das Meer der Lüge kann nur den verschlingen,

der in der eignen Brust nicht kann bezwingen

den Sturm der Seele. Doch so wie der Eine,

der Heiland, schreite übers Meer der Reine!

 

 

Nicht, die des Leidens bittre Bürde tragen,

nicht, die da weinen, soll dein Herz beklagen.

Sie sind bei Gott, Sein Glanz ist ihnen nah.

Auch jene, die da schmachten hinter Mauern,

die Sehnsuchtsheißen, mußt du nicht bedauern.

Es harret ihrer, was kein Auge sah.

 

Nur solche, die des Fühlens sich entschlagen,

die, schon erstickt in Sattheit und Behagen,

noch meinen, daß ihr Wandel Tugend war:

Die sind's, um welche alle Himmel trauern! -

Wer sich nicht schenken will den heiigen Schauern,

trägt keine Frucht, denn er ist wüst und leer.

 

Nur gegen euch, ihr Lauen, kann ich für euch kämpfen!

Was nützt ich euch, wollt ich die Stimme dämpfen?

Ein Stummer, kann er andre sprechen lehren?

Ich bin gesandt zu jenen, die sich wehren,

und denen, die mir meinen Weg erschweren,

soll Führer ich und Wegbereiter sein!

 

Der Leidgewohnten stumpf getragnes Leid zu lindern,

für die zu wirken, die mein Wirken hindern,

dem Moor der Mittelmäßigkeit zu widerstreben,

es auszutrocknen, seinen Grund zu heben. -

Nur gegen euch vermag ich's euch zu geben,

mein flammend „Ja" in euer träges „Nein"!

 

Nun wählet recht und sagt:

Was wollt ihr werden?

Werkzeug zu sein, ist euer Los auf Erden!

Ein herrlich Los,

seid ihr der Meißel

in des Allmächt'gen Hand. -

Ein elend Sklavendasein bloß,

seid ihr die Geißel,

die Satans List erfand.

 

Wohl ist der Meißel hart und dringt tief ein

und füget Wunden zu dem rohen Stein.

Doch nicht zu quälen,

nur zu beseelen,

um einzuhauchen ihm das Leben,

der Schönheit Krone ihm zu geben,

um der Vollendung willen nur

zieht er die schmerzensreiche Spur.

 

Die Geißel aber schlägt nur um des Schiagens willen

zahllos und wahllos Wunden, ohne sie zu stillen.

Sie naht sich nicht geradewegs dem Ziel,

sie lauert abseits stets, dann wie im Spiel

holt weit sie aus, um sichrer nur zu treffen,

denn sie versteht's, dem Satan nachzuäffen

die böse List...

 

Ihr Menschen, da ihr's wißt:

Was wollt ihr werden?

Werkzeug zu sein, ist euer Los auf Erden!

Nun wählet recht!

 jardin18

Schattenkämpfe

 

Unbeirrt und unbeirrbar geht der Strahl aus dem flutenden

Licht der Sonne in die Dunkelheit und durchdringt Wolken und Nebel. Nehmt die Wolken, die Schatten, nicht als etwas Wirkliches, denn sie sind nur zeitlich, sie werden und vergehen. Wirklich ist allein das Licht. - Unbeirrt, wie der Strahl der Sonne, geradlinig und alles erhellend, was sich in den Weg stellt, gütig lächelnd und gebend zieht eure Bahn in dem Wissen, daß nichts das Licht aufhalten kann. Nehmt weder euch selbst noch eure Mitspieler als irdische Persönlichkeiten zu ernst. Wenn ein Schattenbild dem euren Widerstand leistet - nun, dann freut euch der Möglichkeit der Kraftentfaltung. Aber der Ausgang des Schattenkampfes soll euch nicht bekümmern. Wertet den Sieg nicht als Sieg, die Niederlage nicht als Niederlage, sondern alles als ein Erleben, ein Spiel euerer Seelenkräfte, an dem euer wahres Selbst sich bereichert, sich vollendet.

 

Ihr kämpft oft zu schwer, legt zuviel Gewicht in euere Bemühungen. Spielt lächelnd Schach auf dem Schachbrett des Lebens, schiebt die Figuren mit leichter Hand auf ihren Platz, behaltet dabei euer Gegenüber im Auge, schließet es ein in den Strahl eueres Lichts und redet und handelt — nach innen horchend —, wie euch eingegeben wird. Je froher und freier ihr seid, um so näher kann euch unsere Hilfe sein! - Wenn euch aber das Schauspiel erschüttert, so fraget: Wie konnte diese Tragödie entstehen, welches waren ihre Ursachen? Und so lernt ihr allmählich die Fehler eueres Denkens und Tuns immer schärfer zu erkennen und zu beseitigen, was noch als falsch und schattenhaft euch anhaftet.

 

Wenn ihr nicht die Bilder, die Schatten, ernst nehmet, wohl aber das, was sie euch lehren wollen, so wachst ihr ganz von selbst in jenen Mittelpunkt hinein, der sonnenhaft und haltgebend ist. Und die Wolken, die sich drohend zusammenballen, werdet ihr bezwingen können, indem ihr sie mit euerer Liebeskraft durchstrahlt.