In der Stille

 

 

Die Stille, die Mutter, aus deren Schoß ihr kommt, in deren

Schoß ihr einst zurückkehren werdet - was wäret ihr ohne den Kraftspeicher, dem ihr dankt, daß die Tage ihr ertragen könnt! Sie ist die alles verbindende, alles klärende Macht, in deren Licht das, was euch begegnet, sich zu einem Ganzen schließt.

Nie könnt ihr lernen des Lebens bittere oder süße Lehre, seid ihr nicht in die Schule der Stille gegangen, die euch erst deutlich macht, was euch unterwegs begegnet. Nie könnt ihr trösten, habt ihr nicht vorher die Stille um Rat gefragt und sie gebeten, daß sie euch die rechten Worte zur rechten Zeit geben möge. Nie könnt ihr getröstet werden, seid ihr nicht in der Stille mit euch allein. Sie bringt euch all die Stimmen wieder, die leisen, gütigen, die ihr über den harten, lauten Klängen der Tage vergessen habt.

Sie wirkt und webt und ist der ewige Born der Kraft, der Gesundheit und der Liebe. Denn sie ist die Vollkommenheit, die auf Erden in viele kleine Stücke zerschlagen wird. Und dieses Zerschlagen ist der häßliche, harte Mißklang, der euch so quält. - Die ihr aber die Ganzheit wiederherstellen wollt, und die ihr das Einssein m aller Getrenntheit spürt, geht oft zur Mutter, zur Stille. Sie wird euch lehren, wieder ganz und vollkommen zu werden und damit zur Vervollkommnung der Welt beizutragen.

 

 

 

Du mußt nur stille sein, du mußt nur lauschen,

dann hörst du überall die ew'gen Brunnen rauschen

und hörst nur sie.

Es stört dich niemals mehr der Menschen lautes Wort,

und daß sie lügen! Du erkennst sofort,

wie arm sie sind,

und wirst Vergeltung nicht, nur Milde üben,

denn die Bedrängten willst du nicht noch mehr betrüben,

willst helfen nur!

Und wie du helfen kannst? Wenn ihre Klagen

wie eine bittre Flut an deine Ohren schlagen,

dann höre zu!

Doch höre nur des ew'gen Brunnens Rauschen

und merk, wie Menschen wunderlich vertauschen

und unbewußt

die Ursach' mit der Wirkung. Wie sie „Müssen" sagen

und „Wollen" meinen; wie sie keuchend tragen

die eigne Last,

die selbstgewählte, die sie Zufall nennen,

und merk, daß sie die Blindheit vorziehn dem Erkennen

der eignen Schuld!

Doch ist's, als ob aus ew'gen Brunnens Tiefe

ihr Geist, im Fleisch gefangen, dich um Hilfe riefe,

weil du ihn hörst!

Kennst du die Quellen, die im Menschen fließen,

dann weißt du auch: Gerade, was sie von sich stießen,

tut ihnen not!

Und gibst du Antwort, gib sie nicht den lauten Klagen,

der leisen Geistesstimme sollst du sagen

das rechte Wort!

Daß sie erstarke, daß sie übertöne

der Erde Laut! Daß einst der Geist in lichter Schöne

die Brücke baut,

die ihren sanften Bogen schützend breitet

über vergeßnes Weh, daß, wer sie überschreitet,

ins Licht nur seh!